Es gibt Richter, mit denen es Freude macht, sich zu streiten, wenn der Streit auf hohem Niveau und sine ira et studio – ohne Zorn und Eifer – ausgetragen wird. Das war vergangene Woche vor dem Amtsgericht der Fall.
Die Wünsche der Verteidigung auf dezidierte Aufklärung des Sachverhaltes stieß nicht auf Gegenliebe beim Richter, der das Verfahren eigentlich schnell zu Ende bringen wollte. Nach drei Terminen zeichnete sich ab, daß ein weiterer erforderlich ist, weil die Verteidigung auf den ausgebliebenen Zeugen nicht verzichten wollte. Das war durchaus ein Anlaß für den Richter, einen dicken Hals zu bekommen. Nun, Verteidiger sind nicht dazu da, um sich beim Gericht beliebt zu machen.
Die Stimmung wurde auch nicht besser, als es dann auch noch Probleme gab, innerhalb der gesetzlichen Fristen (§ 229 StPO) einen Termin für die Fortsetzung zu finden. Also wurde ein „Brückentermin“ (andere Bezeichnung: Schiebetermin) vereinbart, zu dem dann ein anderer (nicht informierter) Verteidiger erscheint und das Gericht ein paar Urkunden verliest. Nach diesem Termin kann es dann „normal“ weiter gehen.
Dies ist durchaus üblich, wenn verhindert werden soll, daß die gesamte Verhandlung „platzt“ und wieder bei Null angefangen werden muß.
Nun wollte der Angeklagte aber wegen der Vorlesestunde nicht wieder 150 km durch die Republik reisen. Zumal er einerseits selbst des Lesens mächtig war und zum anderen seinen Strafregisterauszug wohl auswendig singen konnte, auch wenn dieser ein wenig länglich war.
Ich habe daher darum gebeten, ihm nachzulassen, nicht zu dem Schiebetermin erscheinen zu müssen. Erwartungsgemäß wies der Staatsanwalt aber darauf hin, daß dies wegen der Grenze des § 233 StPO wohl eher nicht ginge. In unserem Fall hat der Angeklagte, wenn es denn zur Verurteilung kommen sollte, mit deutlich mehr als 6 Monate Freiheitsstrafe zu rechnen.
Der Richter nahm den Hinweis gelassen entgegen. Er lud die Beteiligten – auch den Angeklagten – mündlich und belehrte ihn, daß auch ohne ihn verhandelt werden könne, wenn er nicht zu dem Termin erscheine. Mir gegenüber erfolgte noch ein kurzes Nicken mit dem Kopf, dann wurde die Verhandlung bis zum Brückentermin unterbrochen.
Nun weiß ich gar nicht, was ich aus dieser Sache machen soll. Denn erscheint der Mandant nicht, könnte es sein, daß wir es hier mit einen überaus freundlichen Revisionsgrund zu tun bekommen (BGH 2 StR 638/89; 5 StR 120/88, 2 StR 519/86). Das sind zwar alles alte Schätzchen, aber noch heute gilt: Wenn das Gericht dem Angeklagten den Eindruck vermittelt hat, es sei mit seiner Abwesenheit einverstanden, fehlt es an zumindest einer Voraussetzung – die Eigenmächtigkeit – für die Möglichkeit, nach § 231 II StPO auch ohne den Angeklagten verhanden zu dürfen.
Nicht ganz einfach das …
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