Alles egal, meint der Senat

Da schlage ich mich seit dem ersten Jura-Semester bis ins hohe Alter mit dem Problem der Abgrenzung zwischen Tateinheit und Tatmehrheit herum. Und jetzt kommt der Bundesgerichtshof – naja nur der 5. Senat – daher und sagt (BGH, Beschluss des 5. Strafsenats vom 15.5.2013 – 5 StR 182/13 –) , is eh alles Wurscht:

Die Einzelstrafaussprüche geraten durch die Schuldspruchänderung in Wegfall. Die Gesamtstrafe kann jedoch als Einzelstrafe aufrechterhalten bleiben. Die Änderung der Konkurrenzen lässt den Unrechtsgehalt der Tat unberührt. Es kann daher ausgeschlossen werden, dass die Freiheitsstrafe niedriger ausgefallen wäre, wenn das Tatgericht das Gesamtgeschehen als einheitliche Tat gewürdigt hätte.

Übersetzt heißt das, es ist völlig gleichgültig, ob es eine einzige Tat war oder mehrere. Entscheidend ist, was am Ende hinten raus kommt.

Übrigens ein ganz tolles Ergebnis für den Revisionsführer: Sein Rechtsmittel deckt einen Fehler der Strafkammer auf, trotzdem bleibt der Revision der Erfolg verwehrt. Und dafür bekommt er auch noch pekuniär die Rechnung:

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

lautet Satz 2 des Beschlußtenors.

Alles egal, findet auch Richter Carsten Krumm im beck-blog , bei dem ich den Hinweis auf diese Entscheidung gefunden habe.

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Selige Staatsanwälte

Hier nochmal ein Beispiel für eine Aktensicht, wie ich sie mir wünsche:

Akteneinsicht-in-Hannover

Etwa 100 Akten-Ordner als Dateien im PDF-Format, sauber gescannt, im OCR-Verfahren les- und durchsuchbar gemacht, anschließend in einer nachvollziehbaren Verzeichnis-Struktur übersichtlich abgelegt, und zum Schluß mit TrueCrypt verschlüsselt. Das ca. 40-stellige Paßwort zum Entschlüsseln haben wir ein paar Tage vorher per Briefpost bekommen; die DVD, gefüllt mit 1,1 GByte Daten, trudelte gestern hier ein.

Den Wunsch, mir auch die eine oder andere Excel-Tabelle zur Verfügung zu stellen, wird mir sicherlich auch noch erfüllt werden.

In einem vom Umfang und auch von der Materie vergleichbaren Verfahren – da wie dort geht es um „Straftaten im Internet“ – verweist mich die Staatsanwaltschaft Potsdam auf die Regale in einem eigens für die Akten eingerichteten Raum:

Akteneinsicht-in-Potsdam

Nun, ich hatte irgendwann einmal Kontakt mit der General-Staatsanwaltschaft in Potsdam. Dort sicherte man mir zu, die Staatsanwaltschaft im Lande Brandenburg sei eine fortschrittliche Behörde, die auf technisch höchtsten Niveau arbeitet. Ich glaube einem General eigentlich alles und immer.

Aber vielleicht liegt es ja auch nicht an der Behörde, sondern an den Staatsanwälten, die die konkreten Sachen bearbeiten. Der eine weiß eben, wozu ein Computer eingesetzt werden kann; der andere blättert lieber in verstaubten Akten, selbst dann noch, wenn er „organisiertes Cyber Crime“ verfolgt.

Jeder nach seiner façon …

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Zwei Zivilrechtler, vier Viertelchen und eine Dosis Haloperidol

Auf der Anwalt-Mailingliste bat ein Zivilrechtler die versammelte Kollegenschaft um Mithilfe bei der Lösung eine gewaltigen Problems:

Ich habe ein Treuhandguthaben von 2.004,94 Euro zu gleichen Teilen an vier Gläubiger meines Mandanten auszuzahlen. Da bleiben aber zwei Cent übrig. Gibt’s irgendeine berufsständisch anerkannte best practice, um diese zwei Cent »gerecht« zu verteilen?

Meinem Taschenrechner zufolge ist ein Viertel des Guthabens 501,235 Euro. Der Kollege hat also ein Problem mit diesen 4 Viertelchen in Höhe von 0,005 Euro. Und keine Beißzange, mit der er zwei Ein-Cent-Stück teilen kann. Deswegen fragt er in die Runde.

Ein anderer freundlicher Zivilrechtler war aber in Minutenschnelle bereit, ihm einen kompetenten Rat zu erteilen:

1. Schreiben an alle Gläubiger mit der Aufforderung, den RA

a) übereinstimmend
b) schriftlich
c) hinsichtlich der jeweiligen Beträge anzuweisen und
d) die jeweiligen Empfängerkonten aufzugeben.

2. Frist: 3 Wochen

3. Hinweis darauf, dass nach Ablauf der Frist der gesamte Betrag i.H.v 2.004,94 EUR bei Gericht hinterlegt wird und die Gläubiger dann dort genau diese geforderten Angaben gegenüber dem Gericht abgeben dürfen / müssen, um ihr Geld zu bekommen.

4. Kopie Mandant

5. WV entsprechend notieren und nach Fristablauf ggf. eine Hinterlegungsanordnung beim AG beantragen

Nein, liebe Leser, das habe ich mir weder aus den Fingern gesaugt, noch ist dieser Dialog ein Scherz. Das meinen die beiden Zivilisten wirklich bitterernst!

Allein diese Frage zu formulieren, hätte sich ein nur mittelmäßig begabter Strafverteidiger nicht getraut.

Aber für diese Antwort, für den Vorschlag wegen zwei zauseliger Cent vier Gläubiger anzuschreiben, denen unter Fristsetzung die Hinterlegung anzudrohen und das am Ende dann auch noch durchzuziehen … da kann man schonmal 5 mg Haloperidol für geben.

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Ein Honorar, das riecht!

Ich hatte dem Mandanten in einer kleinen Strafsache weiterhelfen können. Kein großer Aufwand und ein glückliches Ende. Der Mandant kündigte seine Gegenleistung, die ich ihm gern freigestellt hatte, mit einer kleinen Nachricht an:

Hmm, achten sie die nächsten Tage einfach mal auf ihren Posteingang und ein duftendes Päckchen :)

Heute war das Päckchen in der Post.

GutriechendesHonorar

Große Freude! Das rieche ich mir dann heute Abend mal an.

Besten Dank, das war ein echter Volltreffer!

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Gericht hat die Faxen dicke

In aller Regel werden hier im Hause auch Schriftsätze an Gerichte lediglich gefaxt. Nur Klagen und Schriftsätze mit besonderen Anlagen, z.B. Farbausdrucken, werden per Post verschickt. Da alle Prozessbeteiligten wissen müssen was wir so schreiben, sind für jeden Abschriften beizufügen. Die erforderliche Anzahl an Abschriften faxen wir also mit.

Für uns hat das große Vorteile. Ohnehin erwartet das Gericht, dass Schriftsätze innerhalb bestimmter Fristen dort eingehen. Zweckmäßigerweise faxt man daher und hat einen Nachweis. Warum noch per Post verschicken? Es geht schnell und so ersparen wir uns das anschließende Ausdrucken, eintüten und natürlich die Briefmarke.

Einige Richter finden das gut, da Schriftsätze nicht einmal per Fax und danach noch einmal per Post kommen und die Akte unnötig aufblähen. Andere finden das gar nicht gut, weil die Abschriften ja beglaubigt werden müssen. Soll heißen, es wird bestätigt, dass die Abschrift den gleichen Inhalt hat wie das Original.

Unter den gefaxten Schriftsätzen findet sich daher so ein kleiner Textbaustein, in wir auf den gängigsten Kommentar zur Zivilprozessordnung verwiesen. In dem steht, dass eine Faxsendung völlig ausreichend ist und die Geschäftstelle bei Gericht die Beglaubigung der Abschriften bitte selbst vornehmen soll. Macht dort natürlich Arbeit, steht aber so in der ZPO.

Weil Rechtsanwälte, insbesondere Zivilisten, die viel mehr schreiben müssen als Strafrechtler, auch nur Menschen sind, passieren manchmal Fehler. Zum Glück nur kleine.

Bei den Klagen oder den bunten Schriftsätzen die wir per Post verschicken, beglaubigen wir die Abschriften selber und es steht auch ein anderer kleiner Textbaustein darunter. Nämlich, dass wir beglaubigte Abschriften beigefügt haben.

Es kam wie es kommen musste, in einem ausschließlich gefaxten Schriftsatz an das Amtsgericht Mitte standen am Ende beide Textbausteine untereinander.

Ja was soll das arme Gericht denn jetzt machen? Selbst beglaubigen oder mit dem Anwalt schimpfen.

Eigentlich eine überflüssige Frage. Es muss ein schreckliches Getöse gegeben haben, als aus dem Elfenbeinturm der Richterin eine Zinne brach und Staub in der Geschäftsstelle aufwirbelte. Sie ließ uns per Post (!) mitteilen:

Der Kläger wird um Mitteilung gebeten, warum er bei seinem Fax behauptet, dass beglaubigte Abschriften beigefügt werden, wenn er nicht einmal die Absicht hat, eine beglaubigte Abschrift beizufügen, wie aus dem Absatz darüber ergibt.

Jetzt hat sie es uns aber gegeben. Was schreiben wir nur zurück?

Man hätte natürlich auch einfach die Beglaubigung durch die Geschäftstelle vornehmen lassen können, dass hätte Zeit und Porto gespart.

In der nächsten Verhandlung, in der sich über mangelnde Ressourcen bei der Justiz beklagt wird, muss ich wohl arg an mich halten.

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Polizisten dürfen das!

Polizisten dürfen das

… auch wenn es sich, wie hier, nicht um einen Einsatz handelte, sondern das Auto nur deswegen dort steht, weil man zum gemeinsamen Plaudern mit den Kollegen vor Ort nicht so weit (nur ca. 3 Meter) laufen wollte.

Aber bestimmt ist das sowieso nur eine drei Monate ( § 26 Abs. 3 StVG ) alte Photomontage …

Update, ein paar Tage später:

Polizisten dürfen das - 02

Eine Gruppierung (hat nichts mit dem Bandenbegriff i.e.S. zu tun!) von Serien- oder Intensivtätern, sozusagen.

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Pickeliger Zeuge

Gottfried Gluffke liest in der Zeitung von einem relativ schweren Verkehrsunfall. Ohne Fremdbeteiligung hatte ein Autofahrer nicht nur seinen AMG-Mercedes, sondern gleich auch noch ein paar andere Fahrzeuge kalt verformt, die den freien Abflug von der Fahrbahn behinderten.

Gluffke erkennt auf dem Zeitungsbild das Coupé wieder, mit dem er sich tags zuvor das eine oder andere Ampelrennen geliefert hatte. Der Sportsfreund in der Dose wollte partout nicht einsehen, daß er gegen 180 PS verteilt auf ein 180 kg schweres Zweirad beim Beschleunigen ganz schlechte Karten hatte. Irgendwann hatte Gluffke den Sportwagen aus den Rückspiegeln verloren … Nun sah er das ziemlich zerbröselte Stück in der Zeitung wieder.

Und da die Polizei „um Ihre Mithilfe“ auf der Aufklärung des Unfallhergangs bat („sachdienliche Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.„), fühlt sich Gluffke berufen, bei der Polizei vorstellig zu werden. Er wollte von dem Ampel-Sprinter und dessen Fahrweise berichten. Die Polizei nahm auch sorgsam seine Personalien und den von ihm geschilderten Sachverhalt auf.

Zwei Wochen später bekommt Gottfried Gluffke erstens Post und zweitens dann einen Herzkasper: Die Polizei ermittelt gegen ihn wegen Teilnahme an einem illegalen Rennen (§ 49 Abs. 2 Nr. 5 StVO i.V.m. Nr. 248 BKatV) und – viel schlimmer noch – wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB).

Das für das Rennen angedrohte Fahrverbot ist für Gluffke allerdings nicht weiter schlimm. Denn wegen der VU-Flucht wird ihm vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen (§ 69 Abs. 2 Ziff. 3 StGB i.V.m. § 111a StPO).

Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß Herr Gluffke künftig Pickel bekommen wird, wenn die Polizei ihn um seine Mithilfe bittet.

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