Pickeliger Zeuge

Gottfried Gluffke liest in der Zeitung von einem relativ schweren Verkehrsunfall. Ohne Fremdbeteiligung hatte ein Autofahrer nicht nur seinen AMG-Mercedes, sondern gleich auch noch ein paar andere Fahrzeuge kalt verformt, die den freien Abflug von der Fahrbahn behinderten.

Gluffke erkennt auf dem Zeitungsbild das Coupé wieder, mit dem er sich tags zuvor das eine oder andere Ampelrennen geliefert hatte. Der Sportsfreund in der Dose wollte partout nicht einsehen, daß er gegen 180 PS verteilt auf ein 180 kg schweres Zweirad beim Beschleunigen ganz schlechte Karten hatte. Irgendwann hatte Gluffke den Sportwagen aus den Rückspiegeln verloren … Nun sah er das ziemlich zerbröselte Stück in der Zeitung wieder.

Und da die Polizei „um Ihre Mithilfe“ auf der Aufklärung des Unfallhergangs bat („sachdienliche Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.„), fühlt sich Gluffke berufen, bei der Polizei vorstellig zu werden. Er wollte von dem Ampel-Sprinter und dessen Fahrweise berichten. Die Polizei nahm auch sorgsam seine Personalien und den von ihm geschilderten Sachverhalt auf.

Zwei Wochen später bekommt Gottfried Gluffke erstens Post und zweitens dann einen Herzkasper: Die Polizei ermittelt gegen ihn wegen Teilnahme an einem illegalen Rennen (§ 49 Abs. 2 Nr. 5 StVO i.V.m. Nr. 248 BKatV) und – viel schlimmer noch – wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB).

Das für das Rennen angedrohte Fahrverbot ist für Gluffke allerdings nicht weiter schlimm. Denn wegen der VU-Flucht wird ihm vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen (§ 69 Abs. 2 Ziff. 3 StGB i.V.m. § 111a StPO).

Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß Herr Gluffke künftig Pickel bekommen wird, wenn die Polizei ihn um seine Mithilfe bittet.

Dieser Beitrag wurde unter Mandanten, Verkehrs-Strafrecht, Zeugen veröffentlicht.

12 Antworten auf Pickeliger Zeuge

  1. 1
    Katharina says:

    Alle anderen können aber erleichtert sein, dass Herr Gluffke einstweilen (und hoffentlich für länger) buchstäblich aus dem Verkehr gezogen ist.

  2. 2
    Donnerkatze says:

    Hmmm…
    1.) Kann es sein, daß der „Zeuge“ ggf. selbst noch Pubertätsrestpickel bezitzt und nicht vollumfänglich überblicken konnte, daß er sich da selbst reinreiten könnte durch seine Aussage.

    2.) Ab einem gewissen Punkt hätte der Beamte ihm mitteilen müssen STOP – „Ab jetzt muß ich Sie belehren….“

    Nee, da wurde artig alles zu Ende angehört und dann, im nachhinnein dreht Kommissar Oberschlau, im Erfolgsdruck und Phantasiegetränkt einen Strickt aus der anfänglichen „Zeugenaussage“.
    Das ist wirklich eine AUFGABE für einen guten Strafverteidiger. Einfach kann ja jeder ;-)

  3. 3
    JLloyd says:

    Gluffkes Hauptfehler war der Gang zur Polizei ohne Anwalt, aber mit Anwalt hätte es diesen Gang wohl nicht gegeben.

  4. 4
    schneidermeister says:

    @Donnerkatze:
    Man ist nicht verpflichtet, sich selbst zu belasten. Dürfen darf man. Genau so wie die Leute, die besoffen zum Polizeirevier fahren um dort Anzeige gegen irgendwen zu erstatten.
    Woher wissen Sie denn, dass Gluffke nicht nach § 55 StPO von „Kommissar Oberschlau“belehrt wurde? Vielleicht findet der „gute Strafverteidiger“ (heißt der dann bei Ihnen „Allerschlauester“ ?) Näheres heraus.

  5. 5
    Bulli says:

    Manche müssen sich schneiden, damit sie merken, dass ein Messer scharf ist. Andere denken einfach nur kurz nach. ;)

  6. 6
    ??? says:

    Gluffke mal wieder.
    Wilhelm Brause kann es nicht gewesen sein.
    Er war gestern bei uns, der autonomen Frauengruppe vom spirituellen Zirkel,. Wir haben wie immer über Umweltschutz gesprochen. Brause wollte gar nicht wieder gehen.

  7. 7
    110 says:

    Ich vermute, der Polizist war freundlich und hat Gluffke sogar einen Stuhl angeboten. Die arbeiten heute mit allen Tricks.

  8. 8
    Ingo says:

    Recht so. Wer meint, er muss andere für ein Fehlverhalten verpetzen, das er selbst ebenso begangen hat, den möge die Härte des Knüppels treffen, der auf ihn herabsaust.

    Doppelmoral eben.

  9. 9
    AndiG says:

    Ah ja, das ist natürlich ausgebufft und skandalös, dass die Polizei jetzt sogar Kradfahrer verfolgt, die Autofahreren nur mal eine kurze praktische Einweisung in die Hackordnung im Straßenverkehr gegeben und dadurch – quasi als Kollateralschaden – einen Verkehrsunfall provoziert haben.
    Skandalös auch, dass man diesen Leuten nicht – contra legem – ein Strafverfahren erspart, schließlich sind sie ja Kronzeugen, stehen also moralisch (und das allein ist im Rechtsstaat ja ausschlaggebend) auf der richtigen Seite.

    Merke: Wer Krad fährt und schwächliche Autofahrer denunziert, ohne zu merken, dass er sich selbst einer Straftat bezichtigt hat muss nicht nur verschont sondern ausgezeichnet werden.

  10. 10
    morphium says:

    Finde ich gut, dass die Polizei diejenigen wenigen, die ihnen eigtl. noch positiv gesonnen sind, auf die richtige Seite schickt.

  11. 11
    Philipp says:

    Mal ganz ehrlich: Wie blöd kann man eigentlich sein?

    Ohne Worte, einfach nur ohne Worte…..

    Grüße aus Kaiserslautern

    Philipp

  12. 12
    Bernd says:

    Eine Verständnisfrage: Wie kann Gluffke wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort belangt werden? Schließlich hat er, laut seiner Schilderung, das Coupé irgendwann aus den Augen verloren (ohne offenbar den Grund hierfür zu kennen). D.h. er hat den Unfall selbst gar nicht mitbekommen.

    Meine Motorrad-Führerscheinprüfung liegt schon etwas länger zurück – aber werden bei den neuen Führerscheinen nun auch telepathische Fähigkeiten verlangt?

    • Genau das ist das eigentliche Problem des Falls, das den anderen Kommentatoren der Law-und-Order-Motorradfahrer-gehören-gehängt-Fraktion leider verborgen blieb. Es besteht nur ein sehr lockerer zeitlicher und noch weiterer räumlicher Zusammenhang zwischen den Wettfahrten und dem Unfall des AMG. Dem Kundigen ist klar, das kann keine unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (mehr) sein. Der Unkundige leitet ein Ermittlungsverfahren ein oder demonstriert seine niedere Gesinnung in Blogkommentaren. crh