Es bleibt bei Vier-Fünf für 97 kg Kokain

Die Pressestelle des (Leipziger) Bundesgerichtshofs teilte mit:

Verurteilung wegen Einfuhr von 97 kg Kokain rechtskräftig

Das Landgericht Berlin hat die fünf Angeklagten wegen in unterschiedlicher Weise erfolgter Beteiligung an Einfuhr von und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Freiheitsstrafen zwischen vier Jahren und fünf Monaten sowie zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt.

Nach den landgerichtlichen Feststellungen gelangten am 17. August 2011 über 97 kg Kokain (Wirkstoffgehalt nahezu 87 kg Cocainhydrochlorid) auf einem aus Südamerika kommenden Schiff nach Bremerhaven und wurden dort von der Polizei sichergestellt. Das Rauschgift sollte entsprechend den Planungen der Beteiligten nach Berlin bzw. in die Niederlande transportiert und dort gewinnbringend weiterverkauft werden. In die Tatentwicklung waren eine sog. Vertrauensperson der Polizei und ein verdeckter Ermittler involviert gewesen, was das Landgericht wegen des außergewöhnlichen Ausmaßes der Einwirkung auf den Hauptangeklagten als rechtsstaatswidrige Tatprovokation gewertet hat.

Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten als unbegründet verworfen. Damit ist das Urteil rechtskräftig.

Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13

Landgericht Berlin – Urteil vom 7. November 2012 – (525) 69 Js 213/09 KLs (1/12)

Karlsruhe, den 11. Dezember 2013

Noch am Rande bemerkt:
Früher liefen die Aufklärungsgehilfen der Strafverfolger unter dem Begriff „V-Mann“. Im Rahmen der Emanzipationsbewegung hat man dann erkannt, daß V-Männer im Sinne der StPO auch V-Frauen sein können. Deswegen heißen sie jetzt V-Personen. Einzig über die Bedeutung des „V“ scheiden sich noch die Geister: Je nach Standpunkt heißt es eben „Vertrauen“ oder „Verräter“. In dem hier entschiedenen Verfahren waren es natürlich Verräter. Meint der Strafverteidiger.

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Niemals nach dem Weg fragen, schon gar nicht in Polen!

Ein Fall wie aus einem schlechten Film und voller Klischees. Es wurde ein Audi A8 gestohlen. In Gda?sk. Das ist eine wunderschöne Stadt in Polen.

Der Audifahrer war ausgestiegen, um das Auto herum gegangen und unterhielt sich mit einem Passanten. Vielleicht wollte er nach dem Weg fragen oder wo man Zigaretten kaufen kann, was auch immer. Ohne dass er es bemerkte, stieg jemand in den Audi und konnte dank des noch steckenden Zündschlüssels mit dem schönen A8 wegfahren.

Da Fahrzeugdiebstahl in der Vollkasko versichert ist, wollte der Audifahrer Ersatz für sein geklautes Auto und zwar in Höhe von 40.000 Euro. Die Versicherung fand das Aussteigen allerdings grob fahrlässig und zahlte nichts.

Vor dem Landgericht Rostock gewann der Audifahrer noch. Auf die von der Versicherung eingelegte Berufung wurde die Klage vom Oberlandesgericht Rostock allerdings abgewiesen.

Wer sein Fahrzeug verlässt und den Schlüssel stecken lässt, noch dazu in Polen, wo so das OLG wörtlich,

Personen unterwegs sind, die gezielt nach Möglichkeiten zum Fahrzeugdiebstahl, insbesondere von Luxusfahrzeugen (…) Ausschau halten oder spontan eine passende Gelegenheit ausnutzen, handelt grob fahrlässig, auch wenn er nur um das Auto herum auf die Beifahrerseite geht.

Das Steckenlassen eines Schlüssels ohne Eingriffsmöglichkeit sei grob fahrlässig. Nach § 61 VVG in der noch alten Fassung war die Versicherung damit leistungsfrei.

Darüber hinaus hatte der Audifahrer allerdings auch, wohl nachdem er bemerkt hatte, dass das Steckenlassen des Schlüssels wohl nicht die cleverste Erklärung war, der Versicherung noch verschiedenste Sachverhaltsalternativen präsentiert, so dass die Versicherung auch noch wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung nach § 6 Abs. 3 VVG a.F. leistungsfrei war.

OLG Rostock, Urteil vom 07.11.2008, Az: 5 U 153/08 (Vorinstanz: LG Rostock, Urteil vom 31.01.2008, Az: 10 O 291/06)

Das OLG Rostock hatte hier noch das alte Versicherungsvertragsgesetz anwenden müssen. Ein Versicherungsnehmer nach alter Rechtslage hatte keine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführte. Lediglich wenn ihm nur leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen war, hatte er Anspruch auf volle Entschädigung.

Eine der wichtigsten Neuregelungen der VVG-Reform zum 01.01.2008 war die Abschaffung dieses „Alles oder Nichts“ Prinzips.

Nach § 81 VVG in der Neufassung ist eine Versicherung leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich herbeiführt. Bei nur grob fahrlässigen Verstößen des Versicherungsnehmers kann die Versicherung die Leistung entsprechend der Schwere des Verschuldens kürzen.

Wie die Quote hier ausgefallen wäre, darüber kann man nur spekulieren. Angesichts der Bedeutung die das OLG Rostock dem „Tatort“ beigemessen hat, dürfte die Quote aber wohl weit jenseits von 50 Prozent liegen.

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Überweisung nach Pisa

Wenn man in Pisa etwas falsch macht, zum Beispiel falsch parkt oder falsch zu schnell fährt, bekommt man Post. Naturalmente in italienischer Sprache. Es bleibt dann dem Empfänger der Post überlassen, irgendwie heraus zu finden, was Il Prefetto della Provincia di Pisa von einem will.

Die Zahlen vor dem Währungssymbol sind aber deutlich erkennbar. Keine Kleinigkeit, nur hätte der Mandant gern gewußt, wofür der die knapp 300 Euro zahlen soll. Naja, das scheint dem Pisaer Prefekt ja nicht weiter wichtig zu sein.

Zumindest aber die Bedienungsanleitung für die Überweisung hat er versuchsweise mal in annäherndes Deutsch übersetzt:

Überweisung nach Pisa

Irgendwas erinnert mich bei diesem Text an die eMails von den afrikanischen Bankmitarbeitern, die auf ein bisher verborgenes Bankvermögen gestoßen sind.

Wenn il Prefetto da nicht mal in Schieflage geraten ist, was die Erwartung dieser Zahlung angeht.

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Der Strafverteidiger empfiehlt – 64

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Optimistische Vollstreckungsstelle

Ich war dem Mandanten zum Pflichtverteidiger bestellt. Die Verteidigung war erfolgreich, er wurde mit der Verkündung des Urteils aus der Untersuchungshaft entlassen. Mit der Zeit in der Justizvollzugsanstalt Moabit, in die er aufgrund seines jurgendlichen Alters eigentlich gar nicht hineingehörte, hatte er die Strafe (eigentlich) auch schon abgesessen. Man hatte ihn erwischt mit einem Ausweis, den eine Behörde so nicht ausgestellt hätte. Nicht nur das in diesem Paß notierte Alter war frei erfunden.

Als Bedingung für die Aufhebung des Haftbefehls hatten Staatsanwalt, Gericht und Verteidigung vereinbart, daß ich auch für die Zustellungen nach Urteilsverkündung empfangsbevollmächtigt bin. Nach der Urteilszustellung erreichte mich nur die folgende Post.

Optimist

Ich fürchte, die dieser Zahlungsaufforderung anhängende Rechung wird die Justizkasse wohl kurzfristig als uneinbringlich ausbuchen. Alles andere wäre zu optimistisch gedacht. Der Mandant hat sicherlich wieder einen festen Wohnsitz, allerdings nicht in dem Bereich, in dem die Hauptabteilung Vollstreckung irgendetwas zu melden hätte.

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Hätte das sein müssen?

Auf den Kosten, die durch das Strafverfahren entstanden waren, wird das Land Berlin sitzen bleiben. Das hatte ich mit meinem „optimistischen“ Beitrag gestern bereits angedeutet. Eigentlich wären diese Kosten vermeidbar gewesen.

Der Mandant stammt aus einem Land außerhalb der Europäischen Union. Er war mit einem Touristenvisum hier eingereist und hatte sich dann in einschlägig bekannten Kreisen mit einem neuen Paß ausgestattet. Nun war er ein Europäer.

Damit hatte er nicht nur ein Aufenthaltsrecht, sondern auch das Recht, hier zu arbeiten. Er gründete ein Unternehmen, meldete es ordnungsgemäß an, beauftragte einen Steuerberater mit seiner Buchhaltung, zahlte regelmäßig seine Lohn- und Umsatzsteuern und beschäftigte mehrere Arbeitnehmer, die er pünktlich und fair entlohnte. Seines Auftragsbücher waren gefüllt. Alles gut also.

Wenn da nicht dieser Paß gewesen wäre, wäre er der Traum eine jeder Schwiegermutter! Nur durch einen dummen (und völlig überflüssigen) Zufall wurde die Fälschung erkannt, der junge Mann weggeschlossen und das Unternehmen platt gemacht. Die Mitarbeiter standen von jetzt auf gleich auf der Straße und die Kunden des Unternehmens guckten in die Röhre.

Ja, klar. § 267 StGB ist eine Straftat. Wer sie begeht, wird im Zweifel weggeschlossen. Aber anhand dieses Falls wird deutlich, daß das gewöhnliche (Ausländer- und Straf-) Recht eben nicht immer auf ungewöhnliche Sachverhalte zutrifft.

Schade eigentlich. Der Mandant war ein echter Sympathieträger. Vielleicht schickt er mir aber irgendwann mal eine Ansichtskarte …

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Der Strafverteidiger empfiehlt – 63

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Neidische Zivilrechtler

Es gehört zu den Basics des formellen Strafrechts: Wenn der Strafverteidiger eine Frist verbaselt, ist das ober-peinlich, aber für den Mandanten regelmäßig unschädlich.

Wenn also – aus welchem Grund auch immer – die Frist für die Berufung gegen ein Strafurteil versäumt wurde, weil (nur) der Verteidiger gepennt hat, geht der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 44 StPO) durch wie ein heißes Messer durch die Butter.

… teile ich mit, daß durch mein (Organisations-) Verschulden versäumt wurde, die Berufung rechtzeitig einzulegen. Ich habe zwei Tage vor dem Fristablauf begonnen, mich zu betrinken und darüber dann vergessen, daß ich auch noch einen Beruf habe. Meinen Mandanten hatte ich aber noch vor dem ersten Pils ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er sich um nichts zu kümmern brauche.

Selbst ungefähr so etwas reicht aus, denn der Alkoholismus des Verteidigers darf nicht zum Kater beim Mandanten führen (anders formuliert, aber inhaltlich identisch: BVerfG NJW 1994, 1856).

Und genau das ist es, worum uns Strafverteidiger die Zivilrechtler beneiden. Die müssen nämlich Klimmzüge machen ohne Ende, damit das Fristversäumnis bei den argwöhnischen Zivilrichtern als unverschuldet durchgeht. Meist hat dann die bedauernswerte, aber seit über 100 Jahren stets zuverlässig und fehlerfrei arbeitende Assistentin diesen einmaligen und niewiedervorkommenden Verstoß begangen, und sich der eindeutigen Anweisung des Anwaltes erst- und einmalig widersetzt.

Soweit, so klar. Was passiert aber nun, wenn die Justizverwaltung eine (ehemalige) Zivilrichterin auf den Sessel eines Strafgericht setzt. Genau – so etwas hier:

Witzbeschluss

Da hat sich der Kollege sogar richtig Mühe gemacht und sich auf das Niveau dieser Prädikatsjuristin beim Amtsgericht begeben; er hat ihr erklärt, warum auf keinen Fall der Mandant „Schuld“ hat an dem Fristversäumnis. Und dann schreibt diese Richterin eine Stelle aus dem Kommentar (Meyer-Goßner, § 44 Rn. 20) ab, die sich für den Kundigen recht eindeutig nicht auf Verfahren bezieht, in denen sich der Angeklagte gegen einen Schuldvorwurf verteidigt.

Exakt eine Randnummer vorher (Meyer-Goßner, § 44 Rn. 19) hätte die Richterin die ständige und völlig unstreitige Rechtsprechung zur Wiedereinsetzung in Strafsachen finden können. Wenn eine Richterin aber Angst davor hat, in der Berufungsinstanz aufgehoben zu werden (oder dem Verteidiger das Entspannungsbierchen nicht gönnt), dann wohl folgt sie gern ihrem zivilrechtlichen Tunnelblick.

Ok, das Fristversäumnis ist kein Ruhmesblatt für den aschebehaupten Strafverteidiger. Aber die Anwendung von Zivilrecht im Strafprozeß – zu Lasten des Vertrauens in die Kompetenz des Justizpersonals – sollte der Richterin genauso unangenehm werden, wenn sie denn über die Gabe verfügt, zum dem Bock zu stehen, den sie da geschossen hat.

Besten Dank an RA F. für diesen Beschluß und die Erlaubnis, ihn kommentieren zu dürfen. Ich bin sicher, er wird mir alsbald mitteilen können, daß das LG Berlin einen (inhaltlich) vergleicharen Kommentar dazu geschrieben hat.

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Staatsanwalt ./. Dr. der Unsterblichkeit

In was für einem Land leben wir eigentlich, dass sich ein professioneller Zauberkünstler, der sich schon selbst als „Hochstapler“ und „Falschspieler“ bezeichnet, sich nicht „Dr. der Unsterblichkeit“ nennen darf, ohne von der Staatsanwaltschaft strafrechtlich verfolgt zu werden?

Zumindest ein Lübecker Staatsanwalt hat offenbar keine dringenderen Probleme. Er beglückt Käufer einer „Groupon“-Aktion zum Erwerb von Scherzurkunden mit persönlichen Besuchen seiner Hilfsbeamten und Einschüchterungsschreiben.

Der Fall eines Frankfurter Zauberkünstlers und einer Journalistin wurde von der fr-online näher beleuchtet und taugt für das komische Lexikon als Definition für Realsatire. Eigentlich wird der betreffende Künstler durch dieses Verfahren geadelt. Aber irgendwo hört der Spaß vielleicht dann doch mal auf.

Falls der Lübecker Strafverfolger jetzt noch den § 132a Abs. 1 Nr. 4 StGB entdeckt, na dann gute Nacht.

Erschreckend ist nicht nur, dass dieses Verfahren überhaupt so weit betrieben wurde, sondern dass sich nun offenbar auch noch ein Vertreter der Anklage dafür findet, diesen Quatsch mit der kruden Begründung zu verteidigen, es komme nur darauf an, dass man sich als Dr. hc bezeichnet hätte, alle weiteren Umstände spielten keine Rolle.

Faktencheck:
Zweck der Vorschrift ist der

Schutz der Allgemeinheit vor dem Auftreten von Personen, die sich durch nicht verdienten Gebrauch von Bezeichnungen den Schein besonderer Funktionen, Fähigkeiten und Vertrauenswürdigkeit geben.

Damit hat der Bundesgerichtshof (BGH) eigentlich alles gesagt.

Ob in Lübeck aber tatsächlich Recht gesprochen wird, ist noch ungewiss. Denn immerhin hat der zuständige Amtsrichter den Strafbefehl schon einmal durchgewunken. Und die Anzahl der Tagessätze enthält für kleine Fälle eine in der Praxis teilweise große Hürde, um in der nächsten Instanz eine zweite Chance zu erhalten.

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Der Strafverteidiger empfiehlt – 62

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