Im Laufe der Jahr lernt man als Strafverteidiger die Funktion der Schöffen zu schätzen. Anfangs meiner Karriere habe ich sie schlicht ignoriert. Das hat sich schlagartig geändert, als sie einmal in einer Jugendstrafsache den Vorsitzenden Richter überstimmt hatten, mit dem der Staatsanwalt und ich uns über das Strafmaß geeinigt hatten. Seitdem habe ich sie ernst genommen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Später hatte ich es schonmal mit Schöffen zu tun, die eingeschlafen sind. Oder die einen gnadenlosen olfaktorischen Angriff auf die Rechte der Verfahrensbeteiligten fuhren. Schön war auch die Besetzungsrüge, die ich spontan erhoben und mit dem Restalkoholspiegel des Schöffen erfolgreich begründen konnte. Aber im Großen und Ganzen habe ich stets einen guten Draht zu den Laienrichtern.
Eine neue Variante in dem Stück „Was beim Landgericht Berlin schief gehen kann, geht auch schief.“ gab es in der vergangenen Woche. Nach einem zähen Kampf um die Terminierung der Berufungsverhandlung waren alle pünktlich um 13 Uhr erschienen: Die Vorsitzende Richterin, die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft, die Protokollführerin, die Wachtmeisterin, der Mitverteidiger aus Freiburg, der Mandant aus Frankreich und selbstredend meine Wenigkeit.
Wer fehlte? Beide Schöffen!
Das konnte weder an dem Bahnstreik liegen, auch Restalkohol erschien eher unwahrscheinlich. Nach einer kurzen Wartezeit erklärte die Vorsitzende, daß sie „die ordnungsgemäße Ladung der Schöffen nicht nachweisen“ könne. Übersetzt heißt das: Die Schöffen wurden überhaupt nicht geladen … aus welchen Gründen auch immer.
Der Vorschlag der Richterin: Beginn der Hauptverhandlung um 15:30 Uhr, bis dahin sollten Ersatzschöffen „beschafft“ worden sein. Das führte zu heftigem Protest bei den beiden aus dem Westen zugereisten Beteiligten. Und bei mir zu einem Stirnrunzeln wegen der Frage nach dem gesetzlichen Richter.
Die Chance nutzend habe ich dann die Geschichte von dem Oberstaatsanwalt erzählt, der sich als Weihnachtsmann verkleidet hatte. Anders formuliert: Wir haben den (schon schriftlich vorbereiteten) Antrag angekündigt, die Berufung der Staatsanwaltschaft als unzulässig zu verwerfen, weil nicht nachgewiesen ist, daß sie rechtzeitig eingegangen ist. Das führte zum Stirnrunzeln auf der Richter- und auf der Bank der Staatsanwaltschaft.
Es hat dann noch ein wenig gedauert und man hat sich in einem freundlichen Gespräch darüber geeinigt, daß man jetzt besser in Frieden auseinander gehen sollte, damit nicht noch mehr schief geht. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Berufung zurück genommen und der Mandant seine. Damit war das Urteil der ersten Instanz rechtskräftig und alle waren zufrieden.
Ich freue mich immer wieder gern über die wichtige Rolle der Schöffen in Strafverfahren.
__
Bild: Petra Dirscherl / pixelio.de