Akteneinsicht – die Hoffnung stirbt zuletzt

297450_web_R_K_B_by_Jerzy_pixelio.deDas Gericht hat mir die Anklageschrift im Juli 2014 zugestellt. Damit begann für meinen Mandanten das Zwischenverfahren, in dem nicht mehr die Staatsanwaltschaft auf den Akten sitzt, sondern die Strafkammer.

Vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen mit der Aktenführung der Staatsanwaltschaft und dem Unvermögen, die Verteidigung mit den notwenigen Informationen zu versorgen, hatte ich die Hoffung: Es kann nur besser werden.

Diese Hoffnung habe ich am 4. September 2014 in einen Akteneinsichtsantrag gegossen, den ich an das Landgericht geschickt habe. Seitdem habe ich noch ein paar Mal an diesen Antrag erinnert. Nun steht der Start des Verfahrens fest: Am 5. Dezember 2014 soll es losgehen. Akteneinsicht hat mir das Gericht bisher noch nicht gewährt.

Jetzt aber hat es geklappt. Jedenfalls teilweise. Auf meine Bitte: „Ich will alles!“ bekam ich ebenso knapp die Antwort: „Sie kriegen aber nicht alles!“. Nun, diese Diskussion haben auch schon andere Verteidiger mit anderen Gerichten geführt, das sieht nun jedoch nach einer Fortsetzung beim 5. Senat aus.

Aber quasi als Vorschuß auf den § 147 StPO gewährt man mir Einsicht in 34 Bände der aus mehr als 100 Bänden (die genaue Anzahl werde ich hiermit ermitteln können) der Akte. Und weil das Gericht es sehr eilig hat – schließlich beginnt das Verfahren ja in 2 Wochen – müssen die geschätzt 14.000 Blatt auch schnell – binnen dreier Tage – wieder zurück zum Gericht:

Akteneinsicht für 3 Tage

Das sieht irgendwie nicht danach aus, als wenn das Gericht darauf aus ist, einen konfliktfreien Start in eine entspannte und umfangreiche Beweisaufnahme zu planen.

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Bild: Jerzy / pixelio.de

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13 Antworten auf Akteneinsicht – die Hoffnung stirbt zuletzt

  1. 1
    George Harrisson says:

    (Mußte gerade so über den Satz lachen – Danke dafür)

    Nein, das sieht irgendwie nicht danach aus…
    Es grüßt
    Sinnlosergemütskommentarsekretär

  2. 2
    Dirk says:

    *Kopfkratz* Sind die Streichungen im Text original?

    Ach, was frage ich… sowas macht doch keiner.

    • Nicht nur die Streichungen, sondern auch die *Unter*-Streichung, sind „Original“.
       
      Kosten für die Übersendung fallen nicht an, weil wir die Akten selbst abholen mußten. Das Landgericht Potsdam wollte uns die Akten nicht zusenden, weil dazu die Zeit zu knapp sei.
      Ich habe daher gegen 11 Uhr mit einem Dienstleister telefoniert; um 15 Uhr lagen die Akten dann auf dem Scanner. crh
  3. 3
    Anonym says:

    Das Gericht hat doch bereits klargemacht, dass die Verteidiger nur die „wesentlichen“ Akten bekommen werden. Was wesentlich ist, bestimmt die Staatsanwaltschaft. Denke kaum, dass das in dem neuen Verfahren nun anders ist.

  4. 4
    Verlobte von Wilhelm Brause says:

    Carsten, jetzt wird es eng.

    Schnell ein Pfund von dem schönen Kaffee ordentlich verpackt, einen Dresdner Christstollen und die beiden Rotweinflaschen vom letzten Italienurlaub an den unbestechlichen Gerichtspräsidenten vorbeigebracht und dann wird er sich überlegen, ob die Unterlagen, „die gerade in der EDV sind“ nicht wie von Zauberhand doch wieder auftauchen.

    Alle sagen, dass das nicht geht.
    Dann kam jemand, der das nicht wusste….

  5. 5
    jemand says:

    Na dann, schönen Sonntag!

  6. 6
    klausi says:

    ist das überhaupt legitim? monatelang nach akten bittenund erst kurz vor dem verfahren bekommen man einen „teil“ der akten in form von 14000 blättern.

    wer soll denn das abarbeiten? noch dazu haben sie bestimmt auch noch andere mandanten und dementsprechend arbeit

  7. 7
    Juchacz says:

    @Klausi:

    Wer ein 16.000-Seiten-Mandat annimmt, wird sich wohl etwas Zeit dafür freigeblockt haben.

  8. 8
    G. G. says:

    Wir kommen am Kernproblem nicht vorbei: die Kugel (mit hoher Wahrscheinlichkeit eine 13er oder 15er) hat das falsche Kaliber.

    Jede Kanzlei sollte zumindest über eine 20er Glaskugel verfügen, damit – im Interesse der Mandantschaft – die Akten nicht nur gesehen und gezählt, sondern auch durch das Fernleseverfahren Einzug in die Verteidigung halten können.

    Dass Sie, Herr Hoenig, es hier stattdessen mit Kinderspielzeug versuchen, finde ich dürftig und im Grunde auch standeswidrig.

    Hochachtungsvoll

    G. G.

  9. 9
    Joachim Breu says:

    Hmm … vermutlich trifft man sich deshalb 3 x pro Woche, um gemeinsam die wesentlichen Ergebnisse der Ermittlungen in den 100 Ordnern zu lokalisieren und zu lesen. Anderenfalls: Abreißblock mit Aussetzungs- und Befangenheitsantragsformularen im Wechsel beim Dienstleister anfordern. Das kann ja heiter werden … Viel Erfolg Deinem Mandanten mit einer anderen Kammer des Landgerichtes. Falls da noch eine ist.

    • Das mit dem „Abreißblock mit Aussetzungs- und Befangenheitsantragsformularen“ lasse ich mir mal ernsthaft durch den Kopf gehen. crh
  10. 10
    Anonym says:

    Andere Kammer? Ohje es gibt gerademal eine Ersatzrichterin. Alle anderen müssen sich in den Stoff erst einarbeiten das kann in Potsdam ja Jahre dauern. Der Vorteil DIESER Kammer ist, dass sie schon jetzt ungefähr weiss was an Urteilen rauskommen wird. Also da wirds kaum böse Überraschungen geben. (Positive allerdings auch nicht)

  11. 11
    Neugieriger says:

    Unterbrechen denn solche Possen die Verjährung oder kann der Mandant sich enspannt zurücklehnen und abwarten?

  12. 12
    BV says:

    Warum machen die sowas nur? Klar kann man das alles schön straff halten, ist sich dann aber auch dem ganz erheblichen Gegenwind der Verteidigung gewiss, den es in der Sache ja ohnehin noch geben wird. Und dann die aufwendige Terminplanung, die doch eigentlich von vornherein für die Katz ist.

    Wie ist die Prognose für das weitere Verfahren? Wird die Kammer sämtlich Einwände in Bezug auf die Akteneinsicht usw. ernsthaft schlank vom Tisch streichen und die Sache nach Plan durchziehen? Oder hofft man direkt auf einen (schnellen) Deal?

  13. 13
    K75 S says:

    Anonym sagt:
    „Der Vorteil DIESER Kammer ist, dass sie schon jetzt ungefähr weiss was an Urteilen rauskommen wird.“

    Ohje … und ich hatte gehofft, eine derartige Rechtsfindung habe man in Potsdam spätestens mit der Wende abgeschafft.
    Aber vielleicht hinterlassen 40 Jahre Diktatur ja doch ihre Spuren auf der Festplatte.