Huch, die Schöffen!

Eigentlich sollte die Hauptverhandlung an einem Tag erledigt werden. Aber wie es immer so ist mit der Planung von Strafverfahren – oft braucht man einen Plan B.

In dem Verfahren war noch (mindestens) ein voller Hauptverhandlungstermin erforderlich, zu dem noch Zeugen gehört werden sollen. Die Terminsplanung gestaltete sich schwierig: Zwei Verteidiger, ein Nebenklägervertreter und der Urlaub des Richters verhinderten eine zeitnahe Terminierung.

Der Gesetzgeber (§ 229 StPO) unterstellt den Richtern, spätestens nach drei Wochen alles vergessen zu haben; deswegen dürfen zwischen zwei Terminen maximal 21 Tage liegen. Um diese Zeit überbrücken zu können, haben findige Richter den Brückentermin erfunden. Es wird dann ein – auch so genannter – Schiebetermin angesetzt, bei dem eine kurze Beweisaufnahme durchgeführt wird, und der nach fünf bis zehn Minuten wieder zuende ist.

Ein solcher Termin fand kürzlich beim Amtsgericht statt, zu dem weder der Nebenkläger, noch die beiden Angeklagten erschienen waren. Die Schwarzkittel konnten also ein wenig ungezwungener miteinander plaudern; es hörte niemand zu und nur die Auszüge des Bundeszentralregisters (BZR) sollten verlesen werden. Es herrschte eine Stimmung wie auf einer Klassenfahrt.

Nach dem Aufruf der Sache, stellte das Protokoll die (Nicht-)Anwesenheit der Beteiligten fest und der Richter verlas die BZR. Das war’s dann schon, man verabschiedete sich fröhlich, die Staats- und Rechtsanwälte räumten ihre Sachen zusammen und der Richter zog sich ins Beratungszimmer zurück.

Als plötzlich ein lautstarkes HAAAAAAAALT-STOOOPP!! des Richters ertönte: In dem Beratungszimmer saßen nämlich die beiden Schöffen, die bis dahin niemand(!) vermißt hatte.

Peinlich berührt mußte dann der Termin noch einmal wiederholt werden. Wir hatten Glück, daß es nur der Brückentermin mit seinen fünf Minuten war und nicht eine ganztägige Zeugenvernehmung.

Man sage nicht, Strafsachen beim Amtsgericht hätten keinen Unterhaltungswert. ;-)

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9 Antworten auf Huch, die Schöffen!

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    BV says:

    Na, einen ganzen Tag hätten die Schöffen wohl nicht einfach im Hinterzimmer ausgeharrt ;-)

  2. 2
    Neuling says:

    Als juristischer Laie würde ich denken: Schade, dass es aufgefallen ist. Was für eine tolle Revisionsbegründung hätte sich da eröffnet.

  3. 3
    Flo says:

    @BV #1, das sicher nicht. Aber sobald der erste zwingend nötige Teilnehmer in seinem Folgetermin „verschwunden“ ist, dürfte es nix mehr werden mit dem „wir wiederholen das schnell und tun so als hätte es den ersten Versuch nicht gegeben“.

    Mit allen bitteren Folgen für das Verfahren.

    @crh, war das Vorgehen überhaupt von der StPO gedeckt oder ging das nur weil alle(!) gewillt waren beide Augen zuzudrücken?

  4. 4

    Hatte es wirklich *niemand* gemerkt oder nicht doch mindestens einer der beiden Verteidiger, der aber schön still hielt?

  5. 5
    sebbo says:

    Schade, das gleich wieder über etwaige rechtliche Möglichkeiten schwadroniert wird, statt sich einfach mal kurz darüber zu freuen, das da den Hohen Herren einfach was ganz menschliches passiert ist, und sie eben doch keine Maschinen sind :(

  6. 6
    JLloyd says:

    Darf denn in Abwesenheit des bzw. der Angeklagten überhaupt eine Prozesshandlung vorgenommen werden, noch dazu eine Beweisaufnahme, zu welcher er womöglich eine Frage oder Bemerkung beisteuern könnte?

  7. 7
    Ingo says:

    Ich dachte, sog. „Schiebetermine“ sind grundsätzlich nicht geeignet, die Frist des § 229 StPO zu unterbrechen?

    Wo liegt denn bei der Verlesung des BZR die nennenswerte Förderung der HV?

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  9. 9
    Stangier says:

    Hatte der Richter die Verhandlung schon geschlossen?

    Ist dann doch zweifelhaft, ob die Widerholung nach Schließung der Verhandlung, nicht das prozessuale Verfahrenshindernis einer (neuerlichen) ordnungsgemäßen Ladung hervorbringt?