Die Obrigkeit im Schwarzwald

Der Beruf des Strafverteidigers ist sicherlich ein anstrenger. Aber er hat auch echten Unterhaltungswert. Ein wunderbares Beispiel für richtig gute Unterhaltung kommt diesmal aus dem Schwarzwald.

Der Mandant hat uns mit der Verteidigung gegen einen Bußgeldbescheid beauftragt, den ich bis heute nicht für möglich gehalten hätte:

Da ruft so ein Dorfpolizist an und verlangt irgendwelche Auskünfte. Und weil er die nicht bekommt, schreibt er eine Anzeige wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 111 OWiG.

Sachma, geht’s noch? Wohl auch nur da unten auf’m Dorf, wa? Wo man noch gewohnt ist, sich der Obrigkeit unterzuordnen. Ich glaub’s nicht.

Lieber Dorfpolizist, liebes Landratsamt, gucksduhier!

Dieser Beitrag wurde unter Polizei veröffentlicht.

24 Antworten auf Die Obrigkeit im Schwarzwald

  1. 1
    Alter Jakob says:

    Wie in aller Welt weiß das Genie eigentlich wer da am Telefon war? Angaben hat der/diejenige ja nicht gemacht.

  2. 2
    SH says:

    „Bad D“ ist aber eher Baar als Schwarzwald. ;)
    (Für mich ist allerdings Spandau auch Berlin.)

  3. 3
    M. Beermann says:

    Das war dann wohl das „fahrlässige Nichterkennen der Zuständigkeit des Amtsträgers“…

  4. 4
    Zivilunke says:

    Das erste Gespräch (in Bad D)war freilich nicht telefonisch.

  5. 5
    quicker-easier says:

    @Zivilunke: in dem Bußgeldbescheid wird nur auf ein einziges Gespräch Bezug genommen. Der erste Satz („Sie haben am…“) ist die abstrakte Angabe des Tatvorwurfs (entsprechend dem abstrakten Anklagesatz bei einer Anklageschrift).

  6. 6
    Pappbecher says:

    „Alter Jakob“ wirft einen interessanten Punkt auf. Kann man sich hier nicht schon ganz einfach „rauswinden“, indem man von keinem Anruf weiß? Der Polizist kann ja schlecht belegen, mit wem er da telefoniert hat.

    Abgesehen davon (für mich als Laie): wie lässt sich denn die Realität (Telefonabzocke, Betrügereien, etc.) mit dem OWiG in Einklang bringen? Die Polizei sollte natürlich maßvoll mit ihren Mitteln umgehen, aber sollte man nicht gerade in Fällen, wo das Gegenüber sich nicht zweifelsfrei identifizieren kann, vom Schlimmsten ausgehen dürfen (sprich: davon ausgehen, dass da kein echter Polizist am anderen Ende ist)?

  7. 7
    RA Ullrich says:

    § 111 II OWiG dürfte nicht einschlägig sein, weil dieser sich nur auf fahrlässiges Nichterkennen der Zuständigkeit des Amtsträgers bezieht. Wer hingegen schon nicht weiß, ob das Gegenüber überhaupt ein Amtsträger ist (Stichwort möglicher Anruf eines Trickbetrügers), kann auch nicht wegen fahrlässiger Begehung bestraft werden. Da der Beamte sich bei einer telefonischen „Vernehmung“ nicht ausweisen kann, kann hier ein Vorsatz allenfalls dann nachgewiesen werden, wenn sich der Angerufene sehr ungeschickt ausdrückt und dadurch offenbart, dass er sehr wohl davon ausgeht, einen echten Polizisten am Telefon zu haben.

  8. 8
    Kerstin Braun says:

    Wenn bereits die Anschrift für den Bußgeldbescheid bekannt ist, um welche Personalien soll es denn dann (noch) gegangen sein?

  9. 9
    WPR_bei_WBS says:

    @ Kerstin Braun

    Das einzige „sinnvolle“ was noch übrig bleibt ist eigentlich nur der Beruf

  10. 10
    Der wahre T1000 says:

    Wenn man keine Angabe zur Person macht, woher will die Polizei dann wissen, wer das Bußgeld bekommen soll? Sie weiß doch nicht wer es war. Und wenn die Polizei die Angaben bereits hat, warum fragt sie dann?

    Bei einer persönlichen Überprüfung einer Person, wo diese habhaft ist und gegen ihren Willen überprüft werden kann, kann ich das ja noch irgendwie verstehen. Aber am Telefon? Echt jetzt?

    Und überhaupt: der Untertan gehört geknechtet, wenn er nicht hupft wie gewünscht? Wenn die Polizei Auskünfte haben will, dann soll sie persönlich vorstellig werden und die rechtsgrundlage darlegen.

    Die spinnen doch total.

  11. 11
    WPR_bei_WBS says:

    Wo gilt §111 OwiG eigentlich? Auch im Ausland? Wenn nicht: Woher will der Dorfsheriff denn wissen, wo sich der Mandant zum Zeitpunkt des Anrufe befand?

  12. 12
    Arschgranate says:

    Naja, es war eine Betroffenenanhörung. Der Anruf kam also nicht aus dem Nichts.

  13. 13
    Kenguru says:

    @Arschgranate
    Wenn der Anruf nicht aus dem Nichts kommt erteilen Sie also jedermann am Telefon Auskunft über alles … klar …
    Wer weist wie nach, wer am anderen Ende der Leitung ist? … also klar, keine Auskunft am Telefon .

  14. 14
    SH says:

    Nunja, man könnte da etwa folgenden Verlauf konstruieren, der wenigstens innere Konsistenz aufweist – wenn sich dabei auch beide Seiten maximalprovokativ verhalten:
    * Polizeiposten Bad D schickt Anhörungsbogen
    * Angehörter ruft an, verweist auf das Schreiben
    * PHM fragt, wer er denn sei
    * Anrufer weigert sich standhaft, auch nur seinen Namen zu sagen
    * PHM ist maximal angesickt und veranlasst, dass dem ursprünglichen Beschuldigten („der war es ja wohl, wer auch sonst!“) dieser Bescheid zugeschickt wird.

    Da kann man selbst dann nur kopfschütteln, wenn man die Gegend kennt.

  15. 15
    Non Nomen says:

    Ich würde den Leuten mal die Dünndruckausgabe von Heinrich Mann „Der Untertan“ zukommen lassen, besser noch als Hörbuch. Und noch ein dünnes Brett beilegen. Und einen abgebrochenen Bohrer.

  16. 16
    Stefan says:

    Wie verhält es sich mit einer möglichen Einrede, der Betroffene hätte ja auf der Dienststelle zurückrufen können, z.B. über die im Telefonbuch angedruckte Nummer des Polizeipostens?

    Hier könnte man aus meiner Sicht maximal entgegnen, dass bei solch einer Situation umgekehrt der Polizist auch hätte vor Ort kommen können…

  17. 17
    schmidt123 says:

    Im Schwarzwald, Herr Hoenig, sind Menschen schon aus weit geringerem Anlass ganz zufällig verschwunden. Tiefe Schluchten und dunkle Täler gibt es da. Und Hexen. Sehen Sie sich also vor!

  18. 18
    matthiasausk says:

    Durch das Tätigwerden des Ordnungsamtes dürfte der Polizist jetzt nachträglich legitimiert sein …

    In Baden-Württemberg ist das Thema Fake-Polizisten-Anrufe übrigens derzeit sowas von aktuell, die Zeitungen sind voll von Warnhinweisen.

  19. 19
    Kater Karlo says:

    – Vielleicht fehlte das Geburtsdatum
    – Vielleicht wurden fehlende Angaben auf anderem Wege ermittelt (Telefonnummer).

    Aber ja, der Polizist soll nun mal nachweisen, dass er tatsächlich mit dem Betroffenen telefoniert hat und keinem „Betrüger“ aufgesessen ist. lol.
    Dazu noch nachweisen, dass der angerufene Betroffene sich auch im Inland befunden hat.

  20. 20
    Eine Frage zum Thema says:

    Was ich mich schon länger frage: Was muss man bei der Personalie „Beruf“ angeben?
    – gelernter Beruf?
    – abgeschlossenes Studium?
    – aktuelle Tätigkeit? (falls ja, auch die aktuelle Arbeitsstätte?)

  21. 21
    RA Ullrich says:

    @ Eine Frage zum Thema: Den aktuell ausgeübten Beruf mit seiner abstrakten Bezeichnung, nicht den konkreten Arbeitsplatz. Falls aktuell kein Arbeitsplatz vorhanden, kann die Antwort entweder „arbeitslos/arbeitssuchend“ lauten oder es kann ein erlernter Beruf angegeben werden, wenn man aktuell noch Arbeit in diesem Bereich sucht.

  22. 22
    Eine Frage zum Thema says:

    @RA Ullrich:
    Danke für die schnelle Antwort!
    Ein Grund für die Frage wäre z.B. eine Anzeige wegen angeblicher Nötigung im Straßenverkehr. Wenn man dann als Fahrzeughalter und Zeuge angeben muss, dass man als X bei der Firma Y in Z arbeitet und die Polizei dann aus der Uhrzeit und dem Wohnort schließt, dass man höchstwahrscheinlich selbst auf dem Weg von oder zur Arbeit am Steuer saß, dann ist das nicht gerade im Sinne der Empfehlung, nichts auszusagen.

  23. 23
    vossi says:

    Frage am Telefon dürfte wohl okay sein, vgl BayObLG NStZ 1988, 466. Allerdings dürfte § 111 schon deshalb Schwachsinn sein, weil die meisten Daten im Sinne der Norm ja bereits bekannt waren – wo kommt sonst der Bescheid her?

  24. 24
    Steffen says:

    Mir hat am Telefon mal einer gesagt, ich hatte mich mit meinen Äußerungen der Beamtenbeleidigung schuldig gemacht, da ich ja aber nicht wissen könne, ob ich wirklich mit einem (echten) Beamten telefonieren würde, hätte ich nochmal Glück gehabt… ?