Presseerklärung zu Staatsanwalt Roman Reusch

Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. wendet sich – meiner Ansicht nach zu Recht – gegen die Beförderung des Roman Reusch zum Leitenden Oberstaatsanwalt, der damit bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin die Abteilung „Auslieferung ausländischer Straftäter, Internationale Rechtshilfe“ als Chef übernimmt.

Hier die Presseerklärung des Vorstands vom 19.04.2016 (Verlinkungen durch den Blogautor):

Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger protestiert gegen die Beförderung von Staatsanwalt Reusch zum Leiter der Abteilung „Auslieferung ausländischer Straftäter, Internationale Rechtshilfe“

Der Tagesspiegel berichtete in seiner Ausgabe vom 19.04.2016, dass Staatsanwalt Roman Reusch zum leitenden Oberstaatsanwalt befördert wurde und bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin die Abteilung „Auslieferung ausländischer Straftäter, Internationale Rechtshilfe“ als Leiter übernommen hat.

Dieser war im Januar 2008 von seinen Aufgaben als Leiter der „Intensivtäterabteilung“ entbunden worden, nachdem er in einem Spiegel-Interview ein dem geltenden Jugendstrafrecht widersprechendes, fremdenfeindlich durchsetztes Interview gegeben hatte. Die damaligen Besorgnisse einer xenophoben Einstellung von Herrn Reusch werden durch seine Vorstandstätigkeit in dem von Herrn Gauland geführten Landesverband der AfD in Brandenburg eindrucksvoll und aktuell bestätigt.

Vor diesem hinlänglich bekannten Hintergrund der Einstellungen von Herrn Reusch ist die Entscheidung, ihn in verantwortlicher Position staatsanwaltschaftliche Entscheidungen über Auslieferungen treffen zu lassen, vollkommen unverständlich.

Auslieferungsentscheidungen betreffen notwendigerweise auch ausländische Staatsbürger. Ein Beamter, der sich im Spiegel u.a. mit der Äußerung hervorgetan hat, 80% der von ihm betreuten Täter hätten einen Migrationshintergrund und „in diesem Land nicht das Geringste verloren“, ist nach Auffassung der Vereinigung der Berliner Strafverteidiger ungeeignet. Die Beförderung von Staatsanwaltschaft Reusch lässt im Falle ihrer Umsetzung besorgen, dass die Staatsanwaltschaft es billigend in Kauf nimmt, sich in Auslieferungsfragen zum justiziellen Arm der AfD machen zu lassen. Sie beschädigt damit jedwedes potentielle Vertrauen in die Neutralität ihrer Entscheidungen.

In einem kommentierenden Bericht auf Spiegel Online Politik wird die Berliner Senatsverwaltung zitiert:

Doch dürfe die politische Orientierung oder Weltanschauung bei Einstellungen keine Rolle spielen, solange sich diese „im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegen“.

Wenn sich jemand aus der Senatsverwaltung einmal mit dem Parteiprogramm, den Ideen und den Äußerungen dieser AfD-Politgrößen auseinander gesetzt hätte, wäre die Entscheidung – gemessen an diesem Grundsatz – sicherlich anders ausgefallen.

An dieser Stelle erinnere ich mich an die Folgen seiner DKP-Mitgliedschaft des Posthauptschaffner Bastian, der für die DKP im Marburger Stadtparlament saß: Das allein reichte, um ihn aus dem Dienst zu katapultieren.

Mit rechtsradikalen Beamten geht man in unserem Staat aus traditionellen Gründen schon seit 70 Jahren anders um.

Update 1:

Aus den Tiefen des Internets soeben ans Tageslicht gehoben:

BVerwG, 10.03.1960 – BVerwG II C 51/56
Amtlicher Leitsatz:

1. Ein Beamter auf Widerruf darf nach § 61 DBG entlassen werden, wenn er durch sein Verhalten Anlaß gegeben hat, an seiner persönlichen oder fachlichen Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu zweifeln.

2. Die politische Betätigung des Beamten kann solche Zweifel rechtfertigen, wenn sie die Besorgnis begründet, der Beamte werde seine Verpflichtung nicht erfüllen, sich durch sein gesamtes Verhalten zur demokratischen Staatsauffassung zu bekennen.

Eine in diesem Zusammenhang lesenswerte Entscheidung, auch wenn sie schon etwas angestaubt ist.

Update 2

Newsbuzzters: Den Bock zum Gärtner gemacht.

Dieser Beitrag wurde unter Justiz, Politisches, Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

18 Antworten auf Presseerklärung zu Staatsanwalt Roman Reusch

  1. 1
    Waschi says:

    Die Beförderung als solche finde ich völlig daneben. Allerdings würde ich sagen, dass der Rechtshilfeverkehr ein zwar wichtiger Bereich ist, in der Sache aber wohl vor allem mit dem Abarbeiten komplizierter Formalien zu tun hat (Und abgesehen davon auch damit, dass er nicht nur Ausländer abschieben muss, sondern auch ständig mit Ausländern zusammenarbeiten! Auch mit muselmanischen!). Ich glaube nicht, dass der neue Job viel Raum für politisch motivierten Gestaltungsspielraum lässt.

    Von daher finde ich einen AfDler als Leiter der Abteilung Rechtshilfe beim Generalstaatsanwalt weniger schlimm als als Leiter der Abteilung Intensivtäter bei der StA Berlin.

  2. 2
    Waschi says:

    Pardon – ich meine natürlich, er muss Ausländer *ausliefern*, nicht abschieben.

  3. 3
    Markus Kompa says:

    Ich bin mal so frei und bediene mich für einen eigenen Beitrag aus deinem Posting! ;)

  4. 4
    OG says:

    @Waschi

    „vor allem mit dem Abarbeiten komplizierter Formalien zu tun hat“ – das ist ein Irrtum. Die Staatsanwaltschaft hat – vor allem bei der Bewilligungsentscheidung, aber nicht nur dort – einen großen Gestaltungsspielraum. Außerdem ist sie an vorderster Front, was den Schutz der Grundrechte der Betroffenen angeht, zum Beispiel hinsichtlich der Haftbedingungen und des Rechtsschutzes im Land des Auslieferungsersuchens.

  5. 5
    Catweazle says:

    Au ja, das war doch super damals, in den 1970er und 1980er Jahren, so mit Radikalenerlass, Gesinnungsschnüffelei und so, das brauchen wir unbedingt wieder. OK, mittelfristig könnte das ziemlich vielen Linken in diesem Land ziemlich übel auf die Füße fallen, aber so viel politischen Weitblick kann man von der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. nun wirklich nicht verlangen.

  6. 6
    Mitleser says:

    Spannend, dass Die, die zum Bruch von Art. 3 GG aufrufen, dies damit begründen, dass der zu mobbende Mensch nicht verfassungskonform denke.
    BTW: Ein Urteil von 1960? Wow! Wir sollten unbedingt auch die damaligen Ansichten zu Abtreibung, Sex in der Ehe, Homosexuellen, etc. pp. wieder aufleben lassen. Apropos: Wirft man Solches nicht gerade der AfD immer wieder vor? Dann sind Sie doch gar nicht so weit auseinander, wie Sie denken… :D

  7. 7
    Franz says:

    Tut mir leid, auch wenn Anhänger und Mitglieder von Parteien wie der AfD, LINKE und NPD sicherlich eine gewisse Dummheit zumindest in politischen Fragen offenbaren, dürfen diese solange die Parteien nicht verboten sind nicht staatlich wegen ihrer Ansichten benachteiligt werden.

    Wenn Sie das Urteil von 1960 zitieren sollten Sie den Sachverhalt auch erfassen: Der dortige Beamte war Mitglied der KPD die seit 1956 als verfassungsfeindlich verboten war. Die Entscheidung als Beleg anführen zu wollen ist damit unhaltbar.

  8. 8
    Dieter says:

    @Franz: In Ihrer geschätzten Aufzählung ist Ihnen leider ein Fehler unterlaufen. Sie meinten sicherlich: AfD, Der Dritte Weg, NPD. Bitte sehr, nichts zu danken.

  9. 9
    Der wahre T1000 says:

    Man kann dem Staatsanwalt wohl sein Interview von damals vorwerfen. Ob das allein zu einer beruflichen Benachteiligung/Beschränkung reichen soll?

    Was man ihm jedoch nicht vorwerfen kann – das finde ich von der gesammelten Truppe der Strafverteidiger einfach nur schäbig – ist die Mitgliedschaft in einer Partei.

    Man muß die AFD nicht mögen. Aber manche Leute finden auch die LINKE zum kotzen. Und viele Leute sind von der FDP angeekelt. Das sind alles Parteien, die Mindermeinungen vertreten. Dennoch: sie sind nicht verboten und reden in der poltischen Diskussion mit. Das nennt man Demokratie.

    Es ist immer die Freiheit der Anderen, die man verteidigen muß, wenn man Freiheit haben will.

    Offenkundig gibt es viele Menschen, die AFD wählen. Wenn Sie was dagegen haben, dann steht es Ihnen frei woanders hinzuziehen. Oder eine besser wählbare Partei zu gründen. Nicht jedoch gegen die politische Einstellung Anderer zu agitieren. Diskussion ja, Diskrimineriung nein.

    Angesichts der zum Fremdschämen geeigneten Argumentation kann man nur froh sein, dass der Protest der Strafverteiger wohl die Wirkung des berühmten Sack Reis in China haben wird.

    (Ich mag die AFD auch nicht.)

  10. 10
    Der wahre T1000 says:

    Nachtrag: ich möchte in keinem Land leben, wo die (Nicht-) Zugehörigkeit zu einer Partei die berufliche Laufbahn bestimmt. Allein das persönliche Verhalten (!), also das was jemand macht und kann, sollte darüber bestimmen.

  11. 11
    Der wahre T1000 says:

    Man stelle sich einmal vor:

    Ein Mandant wird erwischt bei Graffitti. Er hat Anarchie-Zeichen gesprüht. Und Sprüche wie „Haut den Glatzen auf die Fratzen“. Bei der Gerichtsverhandlung stellt sich raus, dass der Mandant seit 5 Jahren Mitglied der LINKE ist. Das Gericht will ihn deswegen härter bestrafen. Was würden Sie dem Richter wohl sagen?

    Oder: zwei junge Männer geraten aneinander. Eine Schlägerei, die beim Unterlegenen ins Krankenhaus führt. Der Mandant ist Deutsch, der Verlierer ein Türke/Araber. Bei der Gerichtsverhandlung stellt sich raus, dass der Mandant in der AFD Mitgleid ist. Jetzt soll er nicht mehr wegen einer einfachen Körperverletzung verurteilt werden, sondern extra Strafe bekommen. Er sei ja schliesslich ausländerfeindlich, deswegen die Straftat wohl absichtlich und besonders verwerflich. Was würden Sie dem Richter erzählen?

    Würden Sie es legitim finden, dass die Mitgliedschaft in einer Partei auf die Höhe der Strafe Einfluss hat, obwohl es keinen Zusammenhang mit dem konkreten Anlass gibt?

  12. 12
    Mitleser says:

    @Dieter, #8
    Nein, nein. LINKE (und Grüne! – eigentlich alle Mitglieder der No-Borders-Fraktion) lassen eine geradezu naive Dummheit und Verlogenheit erkennen.

    Verlogenheit???: Ja, wir handeln zutiefst inhuman, indem wir genau die Falschen unterstützen: Nicht die Armen und Schwachen, sondern die (verhältnismässig) Wohlhabenden und Starken. Die Rücksichtslosen (siehe Gewalt in GR) und die Glücksritter – die wir zudem zu waghalsigen bis selbstmörderischen Aktionen geradezu ermutigen. Wir geben damit geradezu die Karikatur einer humanistischen Gesellschaft!

    Daneben wären jene Armen und Schwachen eben auch integrationswilliger, als die Rücksichtslosen und Glücksritter – würden uns also innenpolitisch gestatten, *mehr* Menschen aufzunehmen, ohne die Gesellschaft zu sehr zu belasten (Finanzen hier aussen vor – das Einzig finanziell humane ist die massive Unterstützung von Flüchtlingslagern vor Ort!).
    Ausserdem gilt noch immer der gute alte Paracelsus. „Die Menge macht das Gift.“. Vielleicht verstehen Sie es so besser: 1-2 Glas Rotwein am Abend machen einen gemütlichen Abend. 1-2 Flaschen Rotwein am Abend machen Kopfweh am nächsten Tag. 1-2 Kisten Rotwein am Abend können schon tödlich sein.

  13. 13
    CramersV says:

    Jetzt soll er nicht mehr wegen einer einfachen Körperverletzung verurteilt werden, sondern extra Strafe bekommen. Er sei ja schliesslich ausländerfeindlich, deswegen die Straftat wohl absichtlich und besonders verwerflich. Was würden Sie dem Richter erzählen?

    Ich würde ihn fragen, ob er selbst nochmal in Anfängerlehrbüchern nachschlagen will, ob Merkmale des gesetzlichen Tatbestands strafschärfend doppelverwertet werden dürfen und ob „wohl“ einen hinreichenden Grad der Überzeugung im Rahmen der Beweiswürdigung beschreibt oder ob er sich die entsprechenden Fundstellen vom Revisionsgericht liefern lassen mag.

  14. 14
    Roland B. says:

    Off Topic:
    @Mitleser (#12): Sie sollten bei der Auswahl Ihrer Rotweine auf etwas mehr Qualität achten. Dann gibt es auch kein Kopfweh bei etwas größeren Mengen.
    Allerdings sollte man trotzdem frühmorgens nicht gleich Auto fahren.

  15. 15
    Dieter says:

    @Mitleser: Hm, haben Sie Ihre werten Aussagen mit Franz abgestimmt, oder ist das Konvolut ausschliesslich Ihre Meinung und Franz läßt mir noch eine Antwort zukommen?

  16. 16
    Mitleser says:

    @Roland B., #14
    Sie meinen, es genüge gar nicht, auf Tisch- oder ‚bag-in-a-box‘-Weine zu verzichten? ;)

    @Dieter, #15
    Ein impliziter Vorwurf der ‚Socketpuppies‘ wäre stilistisch/rhetorisch unter der Gürtellinie, korrespondierte aber hervorragend mit der (selbstredend nur versehentlich) falschen Verwendung des Begriffes „Konvolut“.
    Grundsätzlich geben meine Äusserungen immer nur meine Meinung wieder – Dieselbe wird sich aber nicht selten mit Derselben Dritter überschneiden oder gar decken (so, wie die Ihre mit Meinungen Vierter).

  17. 17
    Mitleser says:

    @Roland B., #14

    Ich entschuldige mich, dass es mir erst jetzt auffällt, aber Ihr Kommentar unterlegt meine Meinung/Aussage geradezu: Sie sagen, dass man von reinerem Wein mehr konsumieren könne, ohne unangenehme Neben- oder Nachwirkungen zu verspüren. Wenn wir das auf die Asylanten/Migranten/Neubürger übertragen: Wir können weit mehr friedfertige, hilfsbedürftige Menschen aufnehmen, ohne Schaden zu nehmen, als Glücksritter und Brückenköpfe (hergesandt, um Familiennachzug zu ermöglichen). Weit mehr Christen oder Heim-Moslems (im Sinne unserer Sontags-Christen), als Salafisten oder andere Islamisten.

    Das mit dem Humanen erläuterte ich ja schon vor ein paar Wochen (jeder einzelne Asylant/Migrant/Neubürger ohne Arbeit (laut Nahles: >90%) verbraucht die Ressourcen, die in Lagern vor Ort 10 echte Flüchtlinge „luxuriös“ versorgten!). Aber wenn wir denn ums Verrecken Leute hier versorgen wollen, dann wählen wir sie doch vor Ort aus (nach Bedürftigkeit, nicht potentiellem „Nutzen“! (das ist der Unterschied zwischen Flüchtlingshilfe und Migrationspolitik)) und bringen sie selbst her – bequem und gefahrlos.

    Noch’n fun fact? Das Bugdet des UNHCR für 2014, 15, 16 waren jeweils ca 6 Mia $. Aber in 2014 kappten die Westler die Zahlungen, das UNHCR bekam gesamthaft nur noch etwas über 3 Mia $. In den vom UNHCR betriebenen Lagern setzte der Hunger ein (von allen Experten prognostiziert!). Pushfaktor #1!
    Aber: Nun vergleichen Sie das mal mit den 6 Mia p.a. an die Türkei, nur um *diese* Fluchtroute zu versperren. Wenn wir (Deutschland/EU) also helfen wollten, müssten wir Gelder zielorientiert einsetzen: Wir (EU) alleine könnten *nur* mit den Zahlungen an die Türkei den UNHCR *vollfinanzieren* (zum Nutzen der wahrhaft Hilfsbedürftigen). Frage: Wer in der BuReg/EU hat daran warum kein Interesse?

  18. 18

    […] Ernennung des Vorstandsmitgliedes des Landesverbandes der AfD in Brandenburg Roman Reusch zum Leitenden Oberstaatsanwalt, der bei der GStA Berlin die Abteilung „Auslieferung ausländischer Straftäter, Internationale […]