Legale Hasen und Igel

756679_web_R_B_by_Rudolpho Duba_pixelio.deDas Bundeskabinett hat am 4. Mai 2016 einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe (pdf) beschlossen.

Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz, oder noch kürzer NpSG, wird die Antidroge heißen, wenn es gelingt, den Entwurf durch die Gesetzgebungsmühle zu bringen.

Alles verboten
Aufgabe diese NpSG ist das Verbot des Erwerbs, des Besitzes, des Handels und der sonstigen Weitergabe von und mit neuen psychoaktiven Stoffen zu installieren. Unter den Pastorentöchtern kennt man die Stöffchen als Legal Highs, Herbal Highs, Research Chemicals oder als Badesalzdroge.

Wettlauf
Damit möchte der Hase in Gestalt des Bundesministers für Gesundheit den Wettlauf mit den Igeln, aka Chemikern, endlich gewinnen. Denn bisher war es so, daß stets neue chemische Varianten bekannter Stoffe auftauchten, die dann erst einmal nicht in den Anhängen zum BtmG gelistet waren. Bis die Verbotsregelungen im Betäubungsmittelrecht angepaßt werden konnten, vergingen Monate und manchmal Jahre, in denen die Spice-Mischungen munter im Internet, in Smartshops, in Headshops oder verdeckt auf Darknet-Märkten erhältlich waren.

Jetzt ist Schluß
Damit soll – wenn es nach dem Willen des Bundeskabinetts geht – jetzt Schluß sein. Konkret sieht der Entwurf ein großflächiges Erwerbs-, Besitz- und Handelsverbot vor. Vor allem soll die Weitergabe von neuen psychoaktiven Stoffen (NPS) unter Strafe gestellt werden.

Gruppenbildung
Und in diesem Zusammenhang hatten die Frauen und Herren Ministerialjuristen eine tolle Idee: Jetzt werden nicht nur konkrete Stoffe verboten, sondern das Verbot bezieht sich auf ganze Stoffgruppen.

56519_original_R_K_B_by_Dieter_pixelio.deWenn also ein Chemielaborant eine neue Variante bekannter Betäubungsmittel oder psychoaktiver Stoffe entwickelt hat, reicht es für das Verbot aus, wenn das neue Badesalz zu einer verbotenen Stoffgruppe gehört. Und das war’s dann mit dem Freihandel.

Der Europäische Gerichtshof erlaubte die Badesalze
Hintergrund dieser Idee bzw. das Motiv für den Verbotsentwurf war das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. Juli 2014 (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2014 – C-358/13 und C-181/14, C-358/13, C-181/14), der festgestellt hat, daß Research Chemicals keine Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG) sind.

Ein Stoff, der bereits unter das Betäubungsmittelgesetz (BtmG) fiel, wurde in seiner chemischen Struktur gezielt so verändert, daß der neue Stoff nicht mehr dessen Verbots- und Strafvorschriften unterliegt. BtMG ging dann nicht mehr.

Also haben sich die Strafbarkeitslücken-Phobiker gedacht, dann gilt das AMG. Und das geht nach dem EuGH (pdf) aber auch nicht, weil „Explosion“ keine Medizin ist.

Und dann war sie da, die Lücke. Und die soll jetzt das NpSG (pdf) schließen.

Conclusio?
Keine Frage, das Zeug ist gefährlich und tut dem Körper nicht gut. Aber warum gibt es die Plastikdrogen denn überhaupt? Darüber können man ja auch mal nachdenken. Wären die NpS auch auf dem Markt, wenn das andere, teilweise ganz bestimmt weniger gefährliche Betäubungsmittel kontrolliert (und – nagut-nagut – versteuert) zur Berauschung ans erwachsene Volk abgeben würden?

Ich bin mir sehr sicher, daß es bald eine neue Igel-Spezies geben wird.

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Bild Igel: © Dieter / Bild Hase: © Rudolpho Duba pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Betäubungsmittelrecht, Kanzlei Hoenig Info, Strafrecht veröffentlicht.

3 Antworten auf Legale Hasen und Igel

  1. 1
    Der wahre T1000 says:

    Gebt den Hanf frei!

    *Kicher*

  2. 2
    Draalo says:

    „(und – nagut-nagut – versteuert)“

    Von mir aus auch das. Dieses Kraut zu züchten ist technisch nicht anspruchsvoller als die berühmten Gewächshaustomaten aus Holland. Deshalb verlange ich dann auch das Recht mir meinen Eigenbedarf selbst anzubauen.

    Der Gesetzgeber müsste klare Rahmenbedingungen z.B. für das Führen von Kraftfahrzeugen geben.

    Da heisst es immer das sei zu schwierig – ich sage da sind einige zu faul (oder ungebildet) [und/oder unwillig]

  3. 3
    mxb says:

    Mein pharmazeutisch/chemisch Halbwissen bemühend sehe ich ungewollte Konsequenzen dieses Gesetz: In gängigen Gewürzen finden wir mit psychoaktiven Stoffen zumindest verwandte Stoffe – in Waldmeister und Muskatnuss e.d. direkt psychoaktive. Der geneigte Chemielaborant kann für das Verbot von Geschmacksrichtungen sorgen: „einfach“ Substanz X aus Gewürz Y abwandeln, bis es wirksam ist und auf das Stoffgruppenverbot warten…