Freiheit für Böhmermann?

Muß Jan Böhmermann jetzt doch nicht in den Knast?

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat angekündigt, alle laufenden Verfahren wegen Präsidentenbeleidigung einstellen zu lassen.

berichten Tagesschau.de und andere Medien.

Ich übersetze das mal ins Juristische.

Erdogan, der Präsident, ein ausländisches Staatsoberhaupt, fühlte sich von Jan Böhmermann beleidigt. Wenn dieses Gefühl von einem Strafrichter bestätigt würde, müßte er sich eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe ausdenken. So ungefähr formuliert es § 103 StGB.

Nun haben wir gehört (und vielleicht auch in § 104a StGB gelesen), daß vor der Strafverfolgung der liebe Gesetzgeber ein Strafverlangen der ausländischen Regierung gesetzt hat.

Das Strafverlangen lag vor, die Bundesregierung hat die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt. Und damit begann der Ritt der Kavallerie der Justiz.

Man kann also festhalten.
Erdogan, der Präsident, hat es geschafft, daß ein höchst seltenes Ermittlungsverfahren wegen „Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“ eingeleitet wurde.

Und was macht er jetzt?
Will R.T.E. schon wieder leitend in die deutsche Strafverfolgung eingreifen? Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen?

Darf der das?
Yup! Funktioniert.

JBvsRTEWenn das Böhmermanngedicht nur auf Strafverlangen als Majestätsbeleidigung verfolgbar ist, das präsidiale Verlangen dann aber zurückgenommen wurde, bevor es zum rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens gekommen ist, hat eben dieses Verfahren ein sofortige Ende zur Folge. Und zwar endgültig. Nachzulesen in § 77d StGB, der nach § 77e StGB hier anwendbar ist.

Alles klar soweit?

Einmal losgelöst von den juristischen Hintergründen und aus einer anderen Perspektive geschaut: Ist es nicht herrlich, wie es unsere Rechtsnormen einem türkischen Präsidenten möglich machen, die Pferde der deutsche Staatsanwaltschaft erst mal ins Rennen zu schicken, um ein paar Tage später die schwarze Fahne zu schwenken und das Rennen abzubrechen?

Dürfen die Reiter eigentlich trotzdem weiter reiten?
Nein! Das Beleidigungsdelikt ist ein absolutes Antragsdelikt. Ohne Strafantrag läuft da gar nichts; da hilft auch ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nicht weiter (wie z.B. bei den relativen Antragsdelikten, vgl. § 230 StGB). Fehlt der Strafantrag, dann fehlt eine wesentliche Prozessvoraussetzung. Und dann ist das Verfahren einzustellen. Aus die Maus.

Trotzdem ist der oben zitierte Satz aus den Medien unter der Lupe betrachtet falsch. Erdogan, der Präsident, hat nicht die Macht, ein deutsches Strafverfahren einstellen zu lassen. Er kann – wie jeder andere Prolet in unserem Lande auch – nur sein Strafverlangen stornieren. Mehr aber nicht. Und das ist auch gut so.

Ach, noch ein PS:
Falls das dem einen oder anderen Strafrechtsspezialisten nicht bekannt sein sollte: Zivilrechtliche Ansprüche können unabhängig von einer strafrechtlichen Verfolgung geltend gemacht werden. Deswegen verliert kein Marken- und Medienrechtler ein Mandat.

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Bild: © Peter Smola / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Politisches, Strafrecht veröffentlicht.

5 Antworten auf Freiheit für Böhmermann?

  1. 1

    Sofern es erlaubt ist, Herrn Böhmermann Vollblutprofessionalität konstruktiv zu unterstellen, kann ich nur anmerken, dass dessen Marktwert in den letzten Monaten erheblich gestiegen ist.

    Sofern an ihn zivilrechtliche Pekuniargelüste herangetragen werden sollten – so deute ich aus dem juristischen Laiensystem heraus primär Ihr, sehr geehrter Herr Hoenig. Postskript, bräuchte Herr Böhmermann sich lediglich auf TV-mediale Welttournee begeben. Dies sollte seine private Verteidigungskasse erheblich füllen können, um eben diese o.g. Pekuniargelüste zu Lebzeiten erfüllen zu können, sofern diese Situation sich als unausweichlich herausstellen sollte.
    Dies sehe ich allerdings ohne Strafverfahren im Vorfeld als deutlich schwieriger an.
    Mit Widerklage mauern wäre sicherlich der Auftakt zu einem Großereignis, welche mit einer Wider-Widerklage in ungeahnte Höhen geliftet werden könnte (kleiner Streich unter Genies).

    Vielleicht dreht Herr Böhmermann den Spieß jetzt aber noch einmal um gegen den Herrn Erdohahn, gell.

    Postskriptional möchte ich der guten Ordnung halber noch ergänzend exakzerieren, dass in dem Namen Böhmermann der Buchstabe „ö“ implementiert ist. Im Türkischen wurde u.a. dieser Buchstabe durch Herrn Mustafa Kemal Pascha (Atatürk – dieser Nachname wurde ihm erst 1934 vom Parlament verliehen – „Vater der Türken“) 1928 dem türkischen Alphabet linguokulturell adjungiert. Dies dürfte Herrn Erdohahn wie eine Speerspitze im eigenen Misthaufen steckend wehtun.

  2. 2
    Steffen says:

    Womöglich hat Herr E. gar nicht das Verfahren gegen Böhmermann gemeint, sondern nur die, auf die er tatsächlich direkten Einfluss hat?!
    http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-07/recep-tayyip-erdogan-praesidentenbeleidigung-klagen-erhalt-ausland

  3. 3
    Geier says:

    Könnte RTE denn den Antrag zurücknehmen (was die sofortige Einstellung zur Folge hätte) und den Antrag dann einige Wochen später erneut stellen? Oder ist dann endgültig Schluss, double jeopardy und so?

    • § 77d I 2 StGB:

      Ein zurückgenommener Antrag kann nicht nochmals gestellt werden.

      Endegelände. crh

  4. 4
    jj preston says:

    „Ein zurückgenommener Antrag kann nicht nochmals gestellt werden.“

    Ein Satz, der vielleicht so manche mit dem Strafrecht arbeitende Frau im Privaten in Zwickmühlen gebracht haben könnte.

  5. 5