Ein Mordaufruf und der Staatsanwalt Uhlemann

Ist es zulässig, von der Entscheidung, ein Strafverfahren nicht einzuleiten bzw. einzustellen, Rückschlüsse auf die Geisteshaltung eines Staatsanwalts zu ziehen? Ich meine: Ja.

In der taz vom 22.07.2016 berichtet Inlandskorrespondent Michael Bartsch über eine Entscheidung des Dresdener Staatsanwalts Tobias Uhlemann.

Es ging einmal mehr um einen Facebook-Aufruf der Kategorie „Hate Speech“.

Ein User fordert die Erschießung von zwei Rumänen, die des Diebstahls verdächtigt werden.

Ein Facebooker soll geschrieben haben:

„gleich erschießen dieses dreckspack“

Ist so ein Aufruf strafbar?

Dem taz-Artikel zufolge soll der zuständige Staatsanwalt Tobias Uhlemann die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Autoren dieses Mordaufrufs verfügt haben, weil nach seiner Ansicht der Aufruf keinen Straftatbestand erfülle.

Man könnte zunächst einmal an § 130 StGB denken – Volksverhetzung. Dafür reicht es vielleicht nicht. Denn – so wird Uhlemann zitiert:

Der Schreiber habe den Tod der beiden Rumänen nicht „wegen ihres Andersseins bzw. ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, sondern wegen ihrer vermeintlich begangenen Straftaten“ gefordert.

Naja, auch das kann man anders sehen. Aber ist das auch keine öffentliche Aufforderung zu einer Straftat nach § 111 StGB?

Nein, findet der Dezernent der Staatsanwaltschaft Dresden, die in der Vergangenheit eher mit ihrem Verfolgungseifer gegenüber Anti-Nazi-Demonstranten aufgefallen ist. Uhlemann behauptet laut Michael Bartsch:

Für eine Strafbarkeit hätten beabsichtigter Tatort, Tatzeit und die Namen der Opfer genannt werden müssen.

Ich bin da anderer Ansicht. Staatsanwalt Tobias Uhlemann argumentiert interesse- und zielorientiert, wenn er diese Merkmale für § 111 StGB fordert.

Der Standard-Kommentar(*) aller Jura-Erstsemester sieht es auch ganz anders:

Im Übrigen jedoch braucht die angesonnene Tat nicht unbedingt nach Ort und Zeit bestimmt zu sein, und auch hinsichtlich des Opfers genügt eine Kennzeichnung in allgemeinen Wendungen, wie zB Aufforderung zur Lynchjustiz.

Wir (Straf-)Juristen haben gelernt, für jedes Ziel, das wir vorfolgen, ein passendes Argument zu finden. Wenn Uhlemann die Aufforderung „gleich erschießen dieses dreckspack“ als nicht verwerflich, nicht strafbar bewertet und entsprechend argumentiert, muß er sich nicht wundern, wenn man ihm eine gewisse Sympathie mit solchen (seinen?) Facebook-Freunden und deren widerwärtigen Gedanken unterstellt.

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(*) Schönke/Schröder/Eser StGB § 111 Rn. 11-15a
Das ursprüngliche Bild (Bücherrücken) war von © Tim Reckmann via pixelio.de. Er verschickt aber auch Rechnungen für die Veröffentlichungen seiner Photos, deswegen habe das Bild vom Server genommen und entsprechend ersetzt.

Dieser Beitrag wurde unter Politisches, Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

12 Antworten auf Ein Mordaufruf und der Staatsanwalt Uhlemann

  1. 1
    Grundgesetz says:

    Das der Staatsanwalt die Äußerung nicht als verwerflich ansieht, ist eine Unterstellung ihrerseits.

    Jeder der nicht idiologisch völlig verblendet ist, weiß doch, das so etwas nicht ernst gemeint ist. Meine Güte, es kann doch nicht sein, wenn man mal seinem Zorn verbal Ausdruck verleiht, das man dann gleich mit einem Fuß im Knast steht.

    Und ja, meine liberale Ansicht sagt auch was über mich aus.

  2. 2
    moep says:

    Facebook ist für mich keine verbaler Ausdruck von Zorn mehr, wie wenn so eine Äußerung im geschlossenen sozialen Umfeld getätigt wird. Hier wird potentiell an die gesamte Öffentlichkeit eine Nachricht verbreitet. Mit Leuten, die darauf anspringen und tatsächlich handeln kann man durchaus rechnen.
    Das unterscheidet einen zornigen Kommentar an Freunde vom Auffordern zu Straftaten.

  3. 3
    rajede says:

    Lieber Carsten, immer wenn auf Deinem Blog Themen mit politischen Bezügen zum rechten Rand behandelt werden, entgleitet Dir die Selbstkontrolle.

    Laß es! Ich bin begeisterter Leser Deiner Beiträge. Aber das ist Deiner nicht würdig.

    Die Entscheidung gefällt Dir nicht. Über Deine „rechtliche“ Argumentation kann man streiten (mit guten Gründen).

    Hast Du die Nomenklatur der Tötungsdelikte nicht mehr im Griff? Ein Aufruf zum Mord?

    Und Du stellst den Staatsanwalt namentlich an den Pranger. Wohl wissend, was für ein Pack draußen rumläuft? Über das Pack am rechten Rand regst Du Dich auf.

    Über das Pack, das vor dem Wohnhaus des Berliner Rechtsanwaltes Weichei, der den Eigentümer des Hauses in der Rigaer Str. vertritt, ein Auto anzündet und die Fassade mit Farbbeuteln verziert, habe ich hier bei Dir nichts gelesen.

    Warum nennst Du den Namen des Staatsanwaltes?

    Du bist im Unrecht und weißt es. Laß es!

    • Lieber Andreas.
       
      Danke für Deine freundliche Anregung zum Schreiben politisch korrekter Blogbeiträge. Ich denke mal drüber nach.
       
      Ich will Dir ja nun auch keine Vorschriften machen, wie und über welche Themen Du in Deinem Blog zu schreiben hast. Aber wenn Du den ersten polemischen Beitrag über Jäger und Waffenträger geschrieben hast, pöbel ich auch ein wenig gegen die Kinder aus der Rigaer.
       
      Deal? crh
  4. 4
    Arbeitsteilung says:

    Sehr geehrter Herr Jede, teilen Sie die politischen Artikel doch unter sich auf: Sie schreiben über die Freunde der Rigaer Str. Und Hoenig bloggt weiter über die Nazis.

    Zum Mord: Halten Sie das Erschießen aus rassistischen Gründen für ehrenhafte (statt für niedrige) Beweggründe?

    Zum Pranger: Der stand schon in der taz. Und das ist auch gut so. Wer solche Entscheidungen wie dieser Staatsanwalt fällt, soll sie auch mit seinem eigenen Namen vertreten und sich nicht feige hinter eine Behörde verstecken. (Damit man ihn als erstes an die Wand stellen kann, wenn die Revolution kommt. ;-) )

  5. 5
    rajede says:

    @CRH: Deal! Kannst schon mal anfangen.

    @Arbeitsteilung:

    Mein Artikel ist definitiv kein politischer Artikel. Noch nicht einmal berufspolitisch. Ich habe auch nicht über die Freunde (wessen?) der Rigaer Str. geschrieben. Ich beschrieb diverse Verstöße gegen das Berufsrecht.

    Ihre Diskriminierung zwischen ehrenhaftem Mord und Mord aus niedrigen Beweggründen meinen Sie aber nicht ernst …

    Wenn andere etwas falsch machen ist das für Sie eine Rechtfertigung oder eine Schuldausschließungsgrund, sich ebenfalls falsch zu verhalten?

    Arbeitsteilung mit Erschießungskommandos? Wer hat denn behauptet, daß sich der Staatsanwalt versteckt? Ich habe den Eindruck, Sie haben den Beitrag nicht gelesen – oder nicht verstanden.

    Beiträge wie der Ihre sind das Salz in der Suppe für den Intellektuellen. Nicht verstecken, jawoll! Ist Arbeitsteilung Ihr Vorname oder Ihr Name?

    Und nun antworten Sie bitte nicht, ich hätte mich als Intellektuellen verstanden. Wenn Sie Erläuterungsbedarf haben, fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.

  6. 6
    BV says:

    Zugegebenermaßen ohne mich bislang näher mit dieser Norm beschäftigt zu haben, hätte ich mir nicht vorstellen können, eine solche Spezifizierung zu fordern. Dafür gibt der Wortlaut des Gesetzes nichts her. Sinn und Zweck deuten meines Erachtens genau auf’s Gegenteil.

    Und so kommentiert beispielsweise auch Bosch (im Münchener Kommentar zum StGB, § 111, Rdnr. 13) was mir spontan in den Sinn kam:

    „Soll § 111 nicht seines Anwendungsbereichs beraubt werden, kann mangels Kenntnis des Auffordernden von der Person des Tatausführenden keine nähere Vorgabe von Zeit, Ort und speziellen Umständen der Tatausführung, sondern lediglich eine grobe Kennzeichnung des Deliktstypus gefordert werden.“

  7. 7
    Gadamer says:

    Ich finde das auch, dass dieser Artikel eigentlich nur negatives über den Kollegen Hoenig erschließen lässt. Auch wenn ich die Entscheidung des Staatsanwaltes für nicht richtig (aber vertretbar) erachte.

    Bei einem Grundmaß an Objekitivität hätte man auch berücksichtigten müssen, dass die StA ohnehin schon alles einstellt was möglich ist.

  8. 8
    Waschi says:

    Also die Idee, man hätte beabsichtigten Tatort und Tatzeit nennen müssen, um § 111 zu begehen, halte ich auch für ziemlichen Unsinn. Allerdings finde ich, an der Sache mit dem Namen ist was dran: Wenn die beiden Lynchopfer in spe für den Adressatenkreis (also die Leser des Postings) weder identifiziert noch identifizierbar waren, wurde auch nicht zu einer konkreten Tat aufgerufen. Es ging dem Typen nicht darum, dass diese beiden Tatverdächtigen erschossen werden sollte, sondern allgemein „solche Leute wie die“.

    Wobei mit „solchen Leuten“ vermutlich nicht einfach Einbrecher, sondern eben osteuropäische Einbrecher gemeint waren. Und damit wäre man wieder bei § 130 StGB, der hier einfach deutlich besser passt. Und den der StA möglicherweise nicht sorgfältig genug geprüft hat – aber das ist ohne nähere Kenntnisse des Falls schwer zu beurteilen, finde ich.

  9. 9
    RA Ullrich says:

    Ich bin etwas erstaunt, einen Strafverteidigerkollegen hier derart einseitig FÜR Strafverfolgung eines rechtsdoofen Kommentars auf derart dünner Basis argumentieren zu sehen. Wenn der Staatsanwalt verfolgt hätte und der „Täter“ zufällig Ihr Mandant wäre, würden wir hier wahrscheinlich einen Post lesen, wie bescheuert man denn sein muss, um so einen Unsinn unter § 111 II StGB subsumieren.

    • Diese Zufälligkeit kann ich ausschließen. Ich verteidige keine Nazis. crh

    Der Satz „Die bloße Kennzeichnung der Art einer Tat ohne Hinweis auf Zeit, Ort und Opfer reicht in der Regel nicht aus“ findet sich z.B. bei Fischer § 111 StGB Rn. 4 ff., auch mit Bezugnahme auf den BGH. Im Übrigen setzt § 111 II StGB im subjektiven Tatbestand mindestens den bedingten Vorsatz voraus, dass die Aufforderung von irgendjemandem ernst genommen wird (Fischer a.a.O. Rn. 6) , woran hier die Strafbarkeit wohl spätestens scheitern würde. Alles in allem: Einstellungsentscheidung völlig korrekt, soweit hier kein Strafantrag der Betroffenen wegen des zweifellos verwirklichen § 185 vorlag.

    Dass dieselbe Staatsanwaltschaft im Falle von linken Hassparolen, insbesondere solchen gegen die Polizei, teils in ähnlich fragwürdigen Konstellationen möglicherweise mehr Verfolgungseifer an den Tag legt, mag bezüglich der politischen Neigung der StA bedenklich stimmen, ändert aber nichts daran, dass die StA hier (ausnahmsweise?) mal alles richtig gemacht hat.

  10. 10
    Provinzverteidiger says:

    „Ich verteidige keine Nazis.“
    Das mag eine gute Werbung für einen Anwalt aus Kreuzberg sein. Aber keine gute für einen Strafverteidiger, der bekanntlich nicht die Tat und schon gar nicht eine Gesinnung vertritt.

  11. 11
    Miraculix says:

    Man muss keine Nazis mögen und man muss auch keine verteidigen. Linke übrigens auch nicht. Das mag jeder Anwalt halten wie er mag.
    Aber aus der dümmlichen Hetze einen Mordaufruf zu konstruieren geht dann doch zu weit.

  12. 12
    Frank says:

    Ein „Jura-Erstsemester“ würde vielleicht aber auch den Tatbestand zu Ende lesen und sich um das Merkmal „Aufforderung“ Gedanken machen.

    Der „Standard-Kommentar“ schreibt hierzu:

    „Doch kann weder eine nur allgemeine Befürwortung bestimmter Taten oder schädlicher Folgen noch die nur psychische Unterstützung eines fremden Tatentschlusses genügen. Verlangt wird vielmehr eine appellartige Einwirkung auf andere Personen mit dem Ziel, in ihnen den Entschluss hervorzurufen, strafbare Handlungen zu begehen“

    Naja. Man mag von rechten Dumpfbacken und deren Artikulation halten was man will, aber dass das wirklich eine solche Aufforderung sein soll …