Nicht lustig: Kosten in unbekannter Höhe

717584_web_R_by_FotoHiero_pixelio.deIn meinem ersten Beitrag über den geplatzen Pillenprozeß vor dem Landgericht Potsdam habe ich ein Schlaglicht auf die Kosten geworfen, die dem Steuerzahler entstehen werden, weil das Gericht bei der Besetzung an Ersatz-Schöffen gespart hat. Weil ein Hauptschöffe verstorben war, muß nun die Reset-Taste gedrückt werden.

Das sei schrecklich bedauerlich, sagte Gerichtssprecherin Sabine Dießelhorst dem rbb. Also nicht das Sparen oder der Neustart, sondern der Tod des Schöffen. Selbstverständlich.

Die Einsparung sei der Schwierigkeit geschuldet, Schöffen zu finden, teilte Alexander Julian Kitterer, Sprecher des brandenburgischen Justizministeriums, dem rbb ergänzend mit. Man muß aber auch nicht alles glauben, was in der Zeitung steht.

Wie man für eine angemessene Anzahl von Schöffen sorgen könnte, wenn man wirklich wollte, soll nicht das Problem der Verteidigung sein. Ideen hätte ich schon, wenn ich mir mal das Gesetz anschaue. Das steht nämlich ziemlich detailliert da drin.

Das Problem ist die Kostenfolge für die Angeklagten. Die haben nämlich das Problem. Wer hat am Ende – also im Fall einer Verurteilung – denn für die Kosten des durch diese Mißwirtschaft notwendig gewordenen zweiten und dritten (usw. …) Durchgangs gerade zu stehen?

Die rbb-Journalistin Lisa Steeger hat mir diese Frage auch gestellt:

Unklar ist derzeit, wer die Verteidiger bezahlt. „Die Anwaltskosten werden explodieren“, prognostiziert Rechtsanwalt Carsten Hoenig, der in einem anderen Pillen-Prozess einen Angeklagten verteidigt. „So etwas kann auch im sechsstelligen Bereich liegen.“

Selbst wenn der zweite Satz des Richters bei der Urteilsverkündung lauten sollte …

Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Verurteilte, mit Ausnahme der Kosten und Auslagen, die durch die Aussetzung des Verfahrens entstanden sind.

… bleiben an dem Angeklagten, der sich durch einen Wahlverteidger mit einer Vergütungsvereinbarung verteidigen läßt, im Ernstfall immer noch immense Kosten hängen. Das sind dann nicht nur die Verteidigerkosten, sondern zusätzlich (!) solche Kleinigkeiten wie Verdienstausfall, Verlust des Arbeitsplatzes oder Insolvenz des eigenen Unternehmens. Das ist nicht lustig!

Und das alles nur, weil ein Vorsitzender Richter Rücksicht nimmt auf die prekäre Lage des Justizhaushalts und auf das Unvermögen der Justizverwaltung, für eine angemessene Ausstattung des Gerichts zu sorgen.

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5 Antworten auf Nicht lustig: Kosten in unbekannter Höhe

  1. 1
    Der wahre T1000 says:

    Die Hybris eines Strafverteidigers. Auf der einen Seite ist jeder geplatzte Prozess gut, da lange Verfahren die Strafe drücken. Ist ja auch nicht unüblich ein Verfahren nach Möglichkeit zu verschleppen. Auf der anderen Seite kostet das für den armen (?) Mandanten Geld.

    • Was überlange Verfahren sonst noch so mit und aus Menschen machen, wird gerade lebhaft von einem gewissen Herrn Nedopil in einer Umfangstrafsache vor dem OLG München diskutiert. crh

    Hat alles seine Vor- und Nachteile.

    Würde man keine Straftaten begehen, müsste man vermutlich weder die Strafe noch die Kosten für einen Strafverteidiger hinnehmen. :-)

    • Auge um Auge, nicht wahr? Wer Straftaten begeht, hat seine Ansprüche auf faire Behandlung verspielt. crh
  2. 2
    Kristian says:

    Würde man keine Straftaten begehen, müsste man vermutlich weder die Strafe noch die Kosten für einen Strafverteidiger hinnehmen.

    Und wie sieht die Argumentation aus, wenn man sich für unschuldig hält? Sachen wie „Verdienstausfall, Verlust des Arbeitsplatzes oder Insolvenz des eigenen Unternehmens“ dürften dann ja auch gegeben sein.

  3. 3
    Der wahre T1000 says:

    @CRH:
    Sarkasmus zu erkennen benötigt Aufmerksamkeit. Was ich von unserem „Rechts“staat so halte kann man in anderen Kommentaren hier nachlesen.

    Im Übrigen ist es nicht so, dass mit Straftaten der Anspruch auf faire Behandlung entfällt, vielmehr entsteht dadurch überhaupt erst der „Anspruch“ auf „Behandlung“.

    @Kristian:
    Deswegen hatte ich im letzten Satz extra ein „vermutlich“ eingefügt.

  4. 4
    Ich says:

    Auf die Kosten des ersten Prozesses (erkrankte Berufsrichterin) wurde im Januar-Urteil mal garnicht eingegangen. Da hiess es nur die Angeklagten tragen die Kosten. Welche das sind wird sich erst herausstellen, wenn eine Abrechnung kommt. Die Anwaltskosten sind aber schoneinmal angefallen, wenns auch nur 3 oder 4 Tage waren.

    Wie die Strafminderung aussieht ist ja inzwischen auch bekannt, es wird einfach erwähnt, dass in der am ersten Prozesstag genannten Strafdauer bereits all diese Umstände enthalten sind und diese wird dann auch verhängt, egal was in den letzten 30+ Prozesstagen passiert ist.
    Offenbar hat das Gericht eine deutlich bessere Glaskugel als die Verteidiger.

  5. 5
    Schöffe says:

    Dabei ist es in Brandenburg doch wirklich Vorteile Schöffe zu sein.

    http://bravors.brandenburg.de/de/gesetze-212792#110