Meditationsempfehlung für den Staatsanwalt

702736_web_R_by_Uwe Wagschal_pixelio.deEine unterhaltsame und kurzweilige Beweisaufnahme stand auf dem Programm, an der ich als Zeugenbeistand teilnehmen durfte. Von Anfang an war eine elektrisierende Atmosphäre im Saal zu verspüren, die ihre beiden Pole auf den Verteidigerbänken einerseits und bei den beiden Staatsanwälten andererseits hatte.

Es begann damit, daß der Herr Staatsanwalt lauthals einen der Angeklagten rügte. Er hatte den Vorsitzenden nicht mit seinem Titel, sondern mit seinem Nachnamen angesprochen. In den Augen des Herrn Staatsanwalts wohl ein Sakrileg und aus seiner Sicht ein Fall der Nothilfe für den hilflos der Respektlosigkeit ausgesetzten, bedauernswerten Vorsitzenden.

Anschließend wurde ausführlich diskutiert, welche Rechte ein Herr Staatsanwalt hat, wenn er die Ansicht vertritt, daß es in der Hauptverhandlung drunter und drüber geht. Das Ergebnis: Ja, er darf – Ziffer 128 RiStBV. Ob die höfliche(!) Anrede eines Vorsitzenden mit seinem Namen allerdings ein Einschreiten des schneidigen Herrn von der Kavallerie bedarf, ist keine Geschmackssache.

Nun, die Spannung stieg, wechselseitige Rügen bei der Befragung, turbulente Stimmung und verbale, aber lautstarke Auseinandersetzungen. Ich saß mit meinem Mandanten zwischen den Fronten in der ersten Reihe; wir schauten mal nach links, mal nach rechts und hatten gute Unterhaltung (und schon wieder kein Popcorn dabei). Bis dem Vorsitzenden der Kragen platzte und, um die Streithähne durch eine Zwangspause wieder auf Normaltemperatur zu bringen, die Unterbrechung für 10 Minuten anordnete.

Von der Verteidigerbank kam der Vorschlag in Richtung des Herrn Staatsanwalts:

Mach Yoga!

Was sofort zu einem #Aufschrei führte – der Herr Staatsanwalt forderte den Vorsitzenden auf, diese Aufforderung zu protokollieren:

Der hat mich geduzt! Der hat „Mach Yoga!“ zu mir gesagt! Ich will, daß das protokolliert wird!

Protokolliert wurde nichts, weil sich irgendwie kein Zeuge gefunden hatte, der – außer dem Adressaten – diese Ungeheuerlichkeit gehört haben will. (Ich auch nicht, man hat mir nur davon berichtet.)

Ein jeder blamiert sich so gut er kann. Aber so sind manche Menschen eben: Im Schlußvortrag vor voll besetzter Galerie mit großer Selbstverständlichkeit einen Nazivergleich zu einer Verteidigungsstrategie ziehen, aber dann „Rabääh!“ schreien, wenn ein freundlicher und hilfsbereiter Verteidiger eine im Grunde nützliche Empfehlung ausspricht.

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Bild: © Uwe Wagschal / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Potsdam, Prozeßbericht (www.prozessbericht.de), Richter, Staatsanwaltschaft, Verteidigung veröffentlicht.

5 Antworten auf Meditationsempfehlung für den Staatsanwalt

  1. 1
    Verlobte von Wilhelm Brause says:

    Bei so viel Ärger spuckt man schon mal Gift und Galle.
    Aber Galerie im Sinne einer Gemäldesammlung oder einer Zwischenetage wird trotzdem mit einem L geschrieben.

    Macht Yoga!
    Geht spazieren!
    Sammelt Reisig für ein Osterfeuer!
    Es muss ein schöner Auftrag sein – Verteidiger für einen Zeugen. Wenig zu tun und viel Unterhaltung.

    Waren die richtigen Verbrecher wenigstens harte Jungs oder hatte wieder einer Kaffee vor die Straßenbahn geschüttet oder Klingelstreiche veranstaltet, oder…

    • Danke für den Hinweis auf das legasthenische Galloway-Rindsviech. crh
  2. 2
    jj preston says:

    Mich deucht’s, bei besagtem Herrn Staatsanwalt trägt nicht der Mann den Titel, sondern es dürfte eher umgekehrt sein.

    Ich neide ihm nichts.

  3. 3
    T.H., RiLG says:

    Hätte in diesem speziellen Verfahren nicht eher die Empfehlung gepasst, ein jeder möge seine Pillen nehmen? :-D

    Ordnungsgemäße Verschreibung natürlich vorausgesetzt.

  4. 4
    klausi says:

    ich war einmal zeuge vor/bei (?) gericht und habe den richter mit Herr <beliebiger name) angesprochen. weder staatsanwalt noch der richter hatten damit ein problem. es hat meiner meinung auch nichts mit mangeldem respekt oder sowas zu tun. er heißt halt max mustermann und ich habe gesiezt punkt fertig aus.

  5. 5
    Angelika says:

    Ich finde auch, dass das Justizpersonal einigermaßen souverän damit umgehen muss, wenn Verteidiger sich daneben benehmen – wer das, wie offenbar der Sitzungsvertreter der StA in diesem Fall, nicht kann, ist fehl am Platz. Als Angeklagter würde ich mir aber trotzdem lieber einen Verteidiger suchen, der sich benehmen kann und nicht auf meine Kosten die Atmosphäre ruiniert.