Monatsarchive: September 2015

635.000 Euro teure Persönlichkeitsverletzung

376546_web_R_by_Hartmut910_pixelio.deDas Landgericht Köln hat dem „Medienhaus Axel Springer“ attestiert, rücksichtslos mit den Persönlichkeitsrechten anderen umgegangen zu sein. Die penetranten Schreihälse aus dem Springer-Hochhaus wurden heute verurteilt, an Herrn Jörg Kachelmann 635.000 Euro zu zahlen – der symbolische Ausgleich für rechtswidriges publizistisches Mißverhalten.

Die Meinungs- und Pressefreiheit des Art. 5 GG ist kein rechtsfreier Schutzraum für die Meister der Tiefschlagzeilen. Die Journaloiden aus dem Hause Springer leisten dem für unsere Demokratie schlechthin konstituierenden Grundrecht immer wieder Bärendienste und versuchen die Entleerung ihrer verbalen Kathederbeutel mit der Freiheit der Berichterstattung zu rechtfertigen. Das Landgericht Köln hat mit dem „Schmerzensgeld“ in dieser Rekordhöhe eindrucksvoll gezeigt, daß die Würde eines Menschen nicht nur ein Konjunktiv ist.

Die 635.000 Euro tun dem Springer-Konzern sicherlich nicht sonderlich weh. Die damit verbundene Mißbilligung dieser wiederholten Rechtsbrüche hingegen wird die #FieseFriede aber sicherlich spüren.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Trotzdem schon mal meinen Glückwunsch an Herrn Jörg Kachelmann und seinen Prozeßbevollmächtigten, Herrn Rechtsanwalt Ralf Höcker, für diesen Etappensieg.

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Bild: © Hartmut910 / pixelio.de

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Der geeignete Zahlungsnachweis

Die Rechnung stammt aus Dezember 2014 und harrt seitdem auf ihren Ausgleich. Und obwohl ich trotzdem fleißig für den Mandanten tätig war, konnte ich es nicht verhindern: Den Erlaß eines Haftbefehls nach § 230 StPO, nachdem er unentschuldigt nicht zum Gerichtstermin erschienen war.

Ich hatte ihn selbstverständlich informiert, daß jetzt eine Verhaftung unmittelbar bevorsteht. Er hat mich aber nicht ernst genommen, sondern mir unterstellt, ich würde diese abenteuerliche Geschichte nur deswegen erzählen, weil die Rechnung noch nicht bezahlt sei.

Gestern morgen rief die Partnerin des Mandanten in unserer Kanzlei an: Man habe ihn soeben gepflückt und eingetütet. Aber kurz vorher soll das noch offene Honorar überwiesen worden sein. Zum „Nachweis“ schickte mir die Partnerin diesen ScreenShot:

Zahlungsnachweis

Ich habe nicht gezählt, wie oft ich gelesen habe:

  • „Ihr Honorar überweise ich morgen/nächste Woche/am Donnerstag/sofort.“

Dann auch noch die Klassiker:

  • „… habe ich letzte Woche überwiesen, aber da war leider einen Zahlendreher in der IBAN.“

und

  • „… da hat die Bank was falsch gemacht. Ich gehe gleich am Montag in die Filiale.“

Seit Anfang des Jahres habe ich mir das alles geduldig angehört. Und trotzdem weiter gemacht. Nun warte ich erst einmal, bis die beiden Überweisungen hier eingegangen sind. Mir reicht’s.

Achso?!
Hatte ich erwähnt, was man dem Mandanten vorwirft? Nein? Muß ich das? Was vermutet der geneigte Leser?

Was wird ihm vorgeworfen?


     

 

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Gefährlicher Hinweis vor Blatt 1

Der Mandant hatte mich mit der Verteidigung in einer scheinbar kleinen Sache beauftragt. Es ging um ein paar Schwarzfahrten mit und in der Berliner U-Bahn – also um das Erschleichen von Leistungen, § 265a StGB.

Was mich bei der Mandatserteilung stutzig machte, war die sofortige Akzeptanz meines Vergütungsvorschlags. Denn: Die Höhe meines Honorars überstieg die Geldstrafe, die per Strafbefehl verhängt wurde. Den Grund dafür fand ich in der Ermittlungsakte, noch vor Blatt 1; nämlich diesen gefährlichen Hinweis:

Gefährlicher Hinweis

Der junge Mann hatte also noch einen offenen Deckel. Es ging ihm also weniger darum, die recht moderate Geldstrafe noch weiter zu reduzieren. Sondern zu verhindern, daß die offene Bewährung widerrufen wird.

Vielleicht hatte der Mandant keinen ernst zu nehmenden Ratgeber nach seiner letzten Verurteilung. Meine Mandanten bekommen in den geeigneten Fällen von mir folgenden Abwägungsvorschlag mit in die Bewährungszeit gegeben:

Überlegen Sie es sich gut, bevor Sie ohne Ticket in die U-Bahn steigen. Sie riskieren eine Freiheitsstrafe, um den Betrag in Höhe von 2,70 Euro zu sparen. Das lohnt sich einfach nicht, das ist es nicht wert.

Bisher hat dieser Rat stets weitergeholfen.

Wenn – wie hier – dann doch mal der Ernstfall eingetreten ist, wird die Vorlage einer abonnierten Monatsmarke im Gerichtstermin zum entscheidenden Verteidigungsmittel.

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Karriere machen mit Anwaltsblogs

Im aktuellen „Magazin für Referendare und Berufseinsteiger: Karriere im Recht“ hat der Stuttgarter Rechtsanwalt Florian Wörtz einen Artikel mit dem Titel „Trend: Internet Blogs von Anwälten“ veröffentlicht.

Kollege Wörtz arbeitet die Chancen, Risiken und Nebenwirkungen des Bloggens anhand zweier Beispiele ab: Zum einen schreibt er über rechtzweinull.de, das Blog von Dr. Carsten Ulbricht, Rechtsanwalt und Partner bei der Kanzlei BARTSCH Rechtsanwälte in Stuttgart. Und dann noch über ein belangloses Weblog eines unbedeutenden Strafverteidigers aus Kreuzberg.

Jedenfalls ist der Artikel eine gute Einführung in das anwaltliche Bloggen und wird ergänzt durch ein Interview mit Ralf Zosel, der über sich selbst schreibt: „Wenn Sie als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt über das Internet Mandanten gewinnen möchten, dann seien Sie bei ihm richtig.“ Na, denn.

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TOP-Anwalt, auch in 2015

Ich freue mich, als einer der beiden Berliner Top-Anwälte im Fachbereich Strafrecht gelistet zu werden. Der Focus hat auch im Jahr 2015

Deutschlands
Top-Anwälte
Die führenden Juristen und Wirtschaftskanzleien

gekürt. Einer davon betreibt neben seiner Kanzlei in Kreuzberg auch ein Weblog. 8-)

Focus2015

Liebe Kollegen, die Ihr nach 2013 und 2014 auch in diesem Jahr an mich gedacht habt, als Ihr nach einem empfehlenswerten Strafverteidiger gefragt wurdet: Vielen und herzlichen Dank. Offenbar scheine ich nicht allzu oft für Enttäuschungen gesorgt zu haben. Ich werde mir alle Mühe geben, auch künftig dieses Vertrauen in unsere Kanzlei zu verdienen.

Mein herzlicher Glückwunsch geht an die vielen anderen Kollegen, insbesondere Verteidiger, die ebenfalls Erwähnung in dieser Auswahl gefunden haben. Applaus-Applaus-Applaus!

Bemerken möchte ich aber, daß es noch reichlich andere und sicherlich auch bessere Verteidiger gibt, die eher im Verborgenen arbeiten, höchste Qualität abliefern und für ihre Mandanten stets das Optimum herausholen!


Im FOCUS-SPEZIAL – Anwälte 2015 kann man aus 800 Experten den richtigen Anwalt in der Nähe finden.

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Überfordert? Oder was sonst?

AktenstapelMeinem Mandanten wurde vorgeworfen, an einem umfangreichen Kapitalanlagebetrug beteiligt gewesen zu sein. Weil die Staatsanwaltschaft seinerzeit schon etwas knapp war, was die Substanz des Vorwurfs angeht, suchte man – publikumswirksam und zur Unterhaltung der interessierten Nachbarschaft – in der Wohnung meines Mandanten nach weiteren Beweismitteln.

Mit „Erfolg“: So ziemlich alles, was an der Rückwand einen Kabel mit Stecker hatte, wurde mitgenommen: PC, Laptop, Monitor, Maus (das Mauspad haben sie übersehen, ha!) …

Das war vor gut fünf Jahren, anno 2010 (also zu einer Zeit, in unsere Referendare noch mit auf Papier ausgedruckten Gesetzestexten gearbeitet haben). Unzählige Sachstandsanfragen und Herausgabeanträge später bekam ich dann diese erlösende Nachricht:

Einstellungnachricht

Das ist ja erst einmal erfreulich. Aber der Mandant (und ich) wollten natürlich auch wissen, warum die Einstellung erfolgte. Das wird aber nur auf ausdrücklichen Antrag verraten. Deswegen gibt es bei uns diesen Textbaustein:

ich nehme Bezug auf die Einstellungsnachricht vom [DATUM] und beantrage unter Hinweis auf Ziffer 88 RiStBV, der Verteidigung ausführlich und im gebotenen Umfange die Gründe der Einstellung mitzuteilen.

Darauf reagierte der schwerst beschäftigte Staatsanwalt mit diesen dürren Worten:

Einstellungsbegründung

So sind’se. Erst wie ein Tiger zum Sprung ansetzen und dann als Bettvorleger landen. Daß sich ein bis dahin unbescholtener Mittelstandsbürger zu Tode erschreckt, interessiert die prädikatsexaminierten Apparatschiks offenbar wenig bis gar nicht, solange ihre Fall- und Erledigungszahlen den aufsteigenden Karriereweg in die Pensionierung ebnen. Das allein ist aber keine Rechtfertigung für den einen, einzigen hingerotzten Satz, mit dem der Staatsanwalt pauschal und inhaltsleer die Einstellung zu begründen versucht.

Das geht natürlich gar nicht, meint auch der Mandant, dem nun die in 5 Jahren völlig verrottete Technik quasi vor die Füße gekippt werden soll.

Ich bin gespannt, wie die Ermittler mit der Dienst-/Fachaufsichtsbeschwerde umgehen werden.

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Vom wilden Watz gebissen

Dem Mandanten wird in einer Anklage zum Strafrichter vorgeworfen,

entgegen § 6a Abs. 2a AMG Arzeimittel in nicht geringer Menge zu Dopingzwecken im Sport besessen zu haben.

Vier kleine Fläschen mit Testosteron, gefunden bei einer Durchsuchung in der Schublade eines Schranks, der in einem Probenraum stand, in denen ein paar grimmige Rapper Musik machen.

Das Argument der Verteidigung, der Mandant (gebürtiger Neuköllner) sei kein Sportler, deswegen sei das Tatbestandsmerkmal „zu Dopingzwecken im Sport“ nicht erfüllt, wollte die Staatsanwaltschaft nicht gelten lassen. Der tapfere Staatsanwalt (vermutlich gebürtiger Südwestdeutscher) trug ein Gegenargument vor, das einen Beißreflex in Richtung Tischkante in mir auslöste:

Jogginganzug und -schuhe

Nun kann man von einem in Grunewald hospitalisierten Schwaben nicht erwarten, daß er die lebhafte traditionelle Neuköllner Straßenkleidung kennt. Ich habe mich deswegen für die Berufungsinstanz bereits auf einen Beweisantrag vorbereitet: Inaugenscheinnahme der Besucher der Neukölln-Arcaden an einem beliebigen Nachmittag.

Die Akteneinsicht kurz vor der Berufungshauptverhandlung zeigte mir, daß der Vorsitzende wohl auch ein paar Probleme mit seiner Tischkante gehabt haben könnte:

Kein Sportler

Es ist wirklich nicht zu fassen, was manche Staatsanwälte für Ansichten vertreten, wenn sie sich einmal festgebissen haben.

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Haha, sehr lustig

Ich habe eine eMail erhalten. Von einem (vorübergehend) gut gelaunten Spammer. Mit meinem bewährten Minutenbaustein habe ich ihm geantwortet.

Das hat auf der anderen Seite zunächst einmal für Erheiterung gesorgt.

Hahasehrlustig

Dann zu einem Antrag auf Erlaß einer Einstweiligen Verfügung beim Landgericht Berlin, das lustigerweise und gut gelaunt die nachfolgend abgebildete Entscheidung getroffen hat:

Einstweilige Verfügung LG Berlin 52 O 250_15

Ich kann mir gut gelaunt vorstellen, daß der Spammer-Michael die Zustellung dieser Einstweiligen Verfügung genauso wenig lustig findet, wie den Kostenfestsetzungsbeschluß: Runde 500 Euro hat der Scherzbold nun auf der Soll-Seite seiner Buchhaltung stehen.

Hihi.

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Bitte wenden

Der Mandant bittet um Rückruf. Er habe soeben ein Fax geschickt und möchte gern wissen, ob es angekommen ist.

Fax

Ja. Irgendwie schon. Nur verkehrt rum. Gut, daß er der Sicherheit halber angerufen hat.

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Ping-Pong-Plädoyers

Die Schlußvorträge nach der Beweisaufnahme werden oft überbewertet. In vielen Fällen werden Plädoyers als Reden für die Galerie oder zum Fenster hinaus betrachtet. Ich bin auch der Ansicht: Wenn man es in der Beweisaufnahme nicht geschafft hat, die Argumente für seinen Standpunkt in’s Gehör des Gerichts zu implementieren, gelingt das im Schlußvortag eher selten.

Dennoch, es gibt Fälle, da sollte der Verteidiger der Zusammenfassung des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch den Staatsanwalt etwas entgegen halten. Gerade nach zahlreichen Verhandlungstagen wird schon einmal gern das eine oder andere Detail vergessen. Das gilt ganz besonders dann, wenn Schöffen an der Entscheidung des Gerichts mitwirken.

Grundsätzlich plädiert der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft zuerst. Im Nachgang dann hat der Verteidiger die Chance, auf diese Rede zu reagieren und die Perspektive der Verteidigung darzustellen (Ganz am Ende darf dann noch der Angeklagte reden.) Die Reihenfolge – zuletzt die Verteidigung – hat auch ihren Aufhänger in dem Prinzip des fairen Verfahrens – das was zuletzt gehört wird, bleibt eher haften.

Dieses Prinzip gilt allerdings in der Praxis nicht, wenn in der Berufung plädiert werden soll. Dort ist der Berufungsführer zuerst an der Reihe. Das heißt: Wenn nur die Verteidigung ins Rechtsmittel gegangen ist, darf der Staatsanwalt seinen Schlußvortrag nach dem Verteidiger halten.

Dagegen gibt es aber ein Mittelchen – die Replik des Verteidigers. Ich spare mir in diesen Fällen dann einen Teil meines Vortrags für diese Replik auf und suche in dem Plädoyer des Staatsanwalts einen Aufhänger, an dem ich diesen Teil festmachen kann. Um eben diesen Haftungs-Effekt zu erhalten.

In einem Fall hatte mich der Sitzungsvertreter – ein altes erfahrenes Schlachtroß (als das er sich selbst bezeichnete) – aber durchschaut. Im Sitzungsprotokoll sieht das dann so aus:

PingPongPlädoyer

Die Stimmung wurde durch dieses Ping-Pong-Spielchen aber entscheidend verbessert, was sich dann am Ende in der Entscheidung der Berufungskammer bemerkbar gemacht hat.

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