Jahresarchive: 2014

Ein ungeprüfter Gedanke zum Frühstücks-Caffè

Was passiert eigentlich, wenn der eine oder andere auswärtige Beteiligte zum heutigen (und morgigen) Hauptverhandlungstermin nicht erscheint?

Weil er nicht nach – sagen wir mal – Potsdam anreisen kann. Wegen dieses obersten Lokomotivführers. Und die Unterbrechungsfrist des § 229 StPO dadurch überschritten wird. Und dann das Verfahren – zum dritten Mal – von vorn beginnen muß.

Wer trägt dann eigentlich die Kosten des Verfahrens?

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Digitales aus Potsdam

Kafka_Der_Prozess_1925Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt seit 2011, packt das Ergebnis der Ermittlungen in Papierform zwischen Pappendeckel und dekoriert damit die Wände von Abstellkammern. Ich habe darüber schon ein paarmal berichtet. Dabei bin ich davon ausgegangen, die Ermittler können es nicht besser, als mit mittelalterlichen Methoden ein Cybercrime Verfahren zu führen.

Jedenfalls ist es der Behörde auf diesem Wege schonmal gelungen, eine Anklage zu schreiben und die rund 500 Seiten ans Gericht zu schicken. Vorn dort haben wir dann – auf Altpapier kopiert – die Zustellung der Anklage und Gelegenheit zur Stellungnahme im Zwischenverfahren erhaten. Das war Mitte/Ende Juni 2014.

Die Zustellung der Anklage löst einen Textbaustein hier aus, der unter anderem den Antrag auf Akteneinsicht enthält. Da es sich um ein etwas – sagen wir mal höflich – ungewöhnlich geführtes Ermittlungsverfahren gehandelt hat, war dieser Akteneinsichtsantrag ebenso ungewöhnlich, nämlich recht ausführlich.

Ich habe dann noch das eine oder andere Mal an die Akteneinsicht erinnert, und nun ist es dem Gericht endlich gelungen, auf dieses Akteneinsichtsgesuch zumindest einmal zu reagieren:

LG Potsdam und die Akteneinsicht

Es sind insgesamt 31 Aktenbände, verteilt auf 36 Dateien, die laut Dateinamen insgesamt 13.520 Blatt umfassen sollen. Inhaltlich sind es noch ein paar Seiten mehr, gnadenlos jedes Blatt Papier wurde von vorn und hinten eingescannt; nur etwas weniger als die Hälfte der Seiten bildet ausschließlich die beiden Löcher ab, die zum Abheften ins Papier gestanzt wurden. Alles in schwarz/weiß. Soweit man von weiß sprechen kann, wenn man graues Altpapier durch einen alten Scanner mit verfusselter Optik zieht.

Aber nur die wesentlichen Teile der Ermittlungsakte; die unwesentlichen Teile habe ich bisher noch nicht einsehen können, wobei ich bisher nicht sicher bin, ob die „unwesentlichen“ Teile – aus wessen Sicht auch immer – sich dann doch als wesentlich herausstellen soll. Darüber reden wir noch …

Wobei das Gericht ja auch nur an die „wesentlichen“ Verteidiger (u.a. an den hier) die CD geschickt hat; die „unwesentlichen“ Verteidiger warten noch auf ihre beantragte Akteneinsicht.

1925 wurde bereits einmal über einen Prozess berichtet, der gewisse Ähnlichkeiten mit dieser Potsdamer Wirtschaftstrafsache aufweist. Entweder hatte der gute alte Franz K. hellseherische Fähigkeiten, oder die Potsdamer Justiz ist auf dem Stand jener Zeit.

Aber ich erkenne an, daß sich das Gericht nach Kräften zumindest bemüht hat. Insoweit schönen Dank auch. Und ich bin heilfroh, daß ich nicht Vorsitzender einer Wirtschaftskammer bin, der sich von einer überforderten Staatsanwaltschaft mit chaotischen Papierbergen zuschütten lassen muß.

Aber mit ein bisschen Glück hat der Vorsitzende heute Anlaß zur Freude, wenn er dieses Verfahren los wird (besser: … das Verfahren ihn los wird); ich drücke ihm jedenfalls die Daumen.

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Weniger zahlen?

Regelmäßig einmal monatlich stellt mir die Landesbank Berlin AG – Amazon.de KartenService die folgende dämliche Frage:

Kreditkartenabrechnung

Ich bin versucht zu antworten: Nein, ich möchte nicht weniger zahlen, sondern gar nichts. Aber ich fürchte, diese schlipsdekorierten Geldverleiher sind eher humorlos; sonst wären sie ja Strafverteidiger geworden.

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Privilegierte Webhoster

Das Telemediengesetz (TMG) schützt Webhoster vor Strafverfolgung. Darauf bzw. auf ein Urteil des Kammergericht (KG) Berlin v. 25.08.2014 – Az.: 4 Ws 71/14141 AR 363/14 – weist der Hamburger Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr auf seiner Website Webhosting & Recht hin.

Dr. Bahr formuliert unter der Überschrift

Für Webhosting-Unternehmen gelten Haftungsprivilegien des TMG auch im Strafrecht

folgende Leitsätze:

1. Für ein Webhosting-Unternehmen gelten die Haftungsprivilegien des TMG auch im Strafrecht.

2. Der Betreiber eines Webhosting-Hosting haftet für strafbare Inhalte auf Domains, die er hostet, somit nur dann, wenn er aktive positive Kenntnis hat. Ein fahrlässiges Nichtkennen reicht nicht aus.

In diesem Zusammenhang gilt der Grundsatz „Unwissenheit schützt also doch vor Strafe“, jedenfalls den Webhoster. Das muß der Verteidiger aber wissen und die rechtsgebietsübergreifende Anwendbarkeit des § 10 TMG auch im Strafrecht kennen.

Besten Dank an Rechtsanwalt Dr. Bahr für den Hinweis auf diese Entscheidung.

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GVU: Supporter-Club der GenStA?

kinoxBereits im Februar 2012 kündigte laut eines Berichts in der Netzwelt Matthias Leonardy von der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) an, einen Strafantrag gegen die Betreiber von KinoX.to (der link funktionierte am 25.10.14 um 22:05 Uhr noch) stellen zu wollen.

Die KinoX.to-Betreiber haben das Angebot von Kino.to nahezu vollständig kopiert, nachdem die GVU in bewußten und gewolltem Zusammenwirken mit der Generalstaatsanwaltschaft Dresden dem – vorübergehend – erfolgreichen Vorbild des Streaming-Portals den Garaus gemacht hatten.

Die Verfahren gegen die erste Riege der Betreiber von kino.to sind rechtskräftig abgeschlossen. Die Ermittlungsverfahren gegen zahlreiche weitere Beteiligte (Hoster, Webmaster, Advertiser, Affiliates …) laufen allerdings noch und fordern von den Dresdner Strafverfolgungsbehörden großes Engagement, dem sie – auch und gerade aus Sicht der Verteidiger dieser Verfolgten – auf recht hohem Niveau entsprechen.

Aber offenbar reichte es den Ermittlern noch nicht. Anders als die Staatsanwaltschaft im Lande Brandenburg saufen die Sachsen (noch?) nicht in ihren eigenen Ermittlungen ab. Sie werden aber auch handfest supportet von der GVU, die eigene Ermittlungen durchführen und – anders als staatliche Strafverfolgungsbehörden – dabei nicht an die strengen Vorschriften des Strafprozeßrechts gebunden sind, die die Beschuldigten vor Übergriffen der Ermittler schützen sollen.

Nun haben die Sachsen, d.h. die Generäle aus Dresden, einem Medienbericht zufolge in mehreren Bundesländern Razzien gegen die Betreiber von KinoX.to durchgeführt. Zwei Lübecker, denen die Ermittler unterstellen, sie seien die schlimmsten Finger von kinoX.to, haben es vorgezogen, den Wohnungs-Durchsuchungen besser nicht beizuwohnen, weil sie wohl befürchteten, daß die Beamten nicht nur den erforderlichen Durchsuchungsbeschluß, sondern auch noch einen Haftbefehl vorlegen konnten. „Nur“ zwei an- und maßgeblich Beteiligte vom Niederrhein konnten sich nicht schnell genug eine Fahrkarte aus dem Automaten ziehen; sie bekommen zur Zeit ihr Frühstück ans Bett gebracht.

Unbestätigten Berichten zufolge gibt es im Zuständigkeitsbereich der GenStA Dresden zur Zeit keine anderen Straftaten außer eben solche, die eine Verletzung der Rechte von Mitgliedern der GVU darstellen könnten.

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… steht zur Überzeugung des Gerichts fest

Das gegen Heidi K. geführte Verfahren, in dessen Verlauf ihr vorgeworfen wurde, den Lehrer Horst Arnold zu Unrecht einer Vergewaltigung zu ihren Lasten bezichtigt zu haben, ist nun rechtskräftig abgeschlossen.

Nach der Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs vom 22.10.2014 wurde die Verurteilung der Heidi K. wegen schwerer Freiheitsberaubung nach
Falschbelastung ihres ehemaligen Kollegen wegen Vergewaltigung mit Beschluss des BGH vom 22. Oktober 2014 – 2 StR 62/14 – rechtskräftig.

Das Landgericht Darmstadt hat die Angeklagte K., eine 50 Jahre alte Lehrerin, wegen schwerer Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts zeigte die Angeklagte, die als Lehrerin in einer Schule in R. tätig war, ihren Kollegen A. an und beschuldigte ihn wahrheitswidrig, sie am 28. August 2001 in einem Schulraum vergewaltigt zu haben. Das Landgericht Darmstadt verurteilte A. am 24. Juni 2002 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und ordnete seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an, nachdem die als Nebenklägerin auftretende Angeklagte auch in der Hauptverhandlung den Vorwurf aufrechterhalten hatte. Seine gegen das Urteil eingelegte Revision verwarf der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 13. Dezember 2002, weil ein Rechtsfehler des Urteils nicht erkennbar war. A. befand sich seit dem 2. Oktober 2001 in Untersuchungshaft sowie anschließend im Maßregelvollzug und in Strafhaft. Er wurde erst nach vollständiger Verbüßung der Freiheitsstrafe am 29. September 2006 entlassen. In der Folgezeit lebte er von Sozialleistungen und der Unterstützung seiner Mutter. Im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens sprach ihn das Landgericht Kassel am 5. Juli 2011 frei. A. verstarb am 29. Juni 2012.

Der 2. Strafsenat hat die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 13. September 2013 (15 KLs 331 Js 7379/08) als unbegründet verworfen. Das Urteil ist damit rechtskräftig.

In einem Beitrag auf SPON vom 13.9.2013 schreibt die Journalistin Julia Jüttner über die mündliche Urteilsbegründung des Instanzgerichts:

Die Zerstörung einer Existenz könne man nicht wiedergutmachen, die verlorenen Jahre nicht zurückgeben, sagt Richterin Bunk. „Deshalb kann dieses Urteil keine Wiedergutmachung sein.“ Auch nicht für Arnolds Angehörige, die unter den Vorwürfen sehr gelitten hätten. Dennoch würde sich „die Justiz gerne bei ihnen entschuldigen“.

Wie es zu diesem Fehlurteil kam, berichten Claus Peter Müller und Julia Schaaf in der FAZ vom 25.07.2011.

Diesen Verfahrenskomplex sollten alle, die in vergleichbaren Strukturen an einem Strafverfahren beteiligt sind, als mahnendes Beispiel stets in Erinnerung behalten.

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Genickbruch durch den kriminellen Haufen?

441780_web_R_K_by_sigrid rossmann_pixelio.deAm vergangenen Montag habe ich über einen Vorsitzenden Richter berichtet, der sein Urteil nicht nur mit ungewöhnlich deutlichen Worten begründet hat, sondern auch mit den Beweisaufnahmen zweier Verfahren ein wenig durcheinander gekommen ist.

Dieser Richter hatte den Plan „A“, nämlich den Start einer dritten Beweisaufnahme. Alles in der selben Sache, die (von der Staatsanwaltschaft?) auf drei Verfahren verteilt worden ist; siehe dazu den Montagsbericht, der mit den prognostischen Worten endete:

Es könnte sein, daß Plan „B“ eine gewisse Bedeutung bekommen könnte.

Am Donnerstag ging es erst einmal weiter mit der Beweisaufnahme in dem ersten Verfahren. Das heißt, es ging nicht weiter. Weil nämlich auch die dortigen Verteidiger die Zeitung (und das eine oder andere Weblog 8-) ) lesen oder sich auf anderen Kanälen für die Urteilsbegründung der zweiten, beendeten Beweisaufnahme interessiert haben.

Es kam, wie es kommen mußte: Gleich drei Ablehnungsgesuche lagen zu Beginn des Hauptverhandlungstermins auf dem Richtertisch. Im Wesentlichen hatten die drei Angeklagten den Eindruck, der Vorsitzende und ein Beisitzer seien voreingenommen, weil sie mit dem kriminellen Haufen vorbefaßt waren.

Wenn es läuft, dann läuft’s. Und es kommt erst einmal noch dicker.

Sobald ein oder mehrere Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, müssen andere Richter darüber entscheiden, ob dem Gesuch stattzugeben ist. Auf Antrag hat nun der Vorsitzende Richter die drei anderen Richter mitgeteilt (§ 24 III 2 StPO).

Nicht nur etwas ungeschickt war allerdings, eine Richterin zu bestimmen, die bereits Mitglied der Strafkammer war, die das Urteil in der zweiten Sache (das mit dem kriminellen Haufen und der Verwechslung der Beweisaufnahmen) erlassen hat. Über das Ablehnungsgesuch hinsichtlich dieser Richterin entscheiden dann im Laufe dieser Woche drei andere Richter.

Die Wahrscheinlichkeit der Notwendigkeit der Umsetzung des Plans „B“ (es lebe der Genitiv – yeah!) ist wohl nicht gesunken, sondern eher gestiegen: Am Ende der beiden Ablehnungsverfahren könnte unter dem dunklen Lichte des § 24 II StPO ein Genickbruch zu diagnostizieren sein.

Nebenbei – zur ergänzenden Information:
Der erste Prozeß ist bereits einmal geplatzt, weil eine Richterin krank wurde. Man hat also schon einmal bei Null anfangen müssen. Dann weiß man ja inzwischen, wie sich das anfühlt.

Und nein:
Das ist alles wahrlich kein Grund zum Frohlocken! Diejenigen, die seit 2011 in der Ungewißheit leben, was am Ende des Verfahrens aus ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Existenz wird, sind nur wenig begeistert – über die seltsamen Arbeitsmethoden der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren und die gewöhnungsbedürftige Verfahrensgestaltung durch diesen Strafkammervorsitzenden im Hauptverfahren.

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Bild: sigrid rossmann / pixelio.de

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Samsung und die Rechnung

Ich habe das Ladekabel für mein Samsung Smartphone im Hotel vergessen. Der Einfachheit halber habe ich ein neues gekauft. Und weil ich mir sicher sein wollte, ein Original-Teil zu bekommen, habe ich das Kabel bei Samsung im Online Shop bestellt.

Es hat ein paar (7 oder 8?) Tage gedauert, dann traf es auch ein. Allerdings fehlte die Rechnung. Ich habe handschriftlich auf dem Lieferschein per Briefpost eine solche angefordert. Danach waren dann noch 3 (drei!) weitere Telefonate (die mir meine Assistentin abgenommen hat) erforderlich, in denen ich mit empfindlichen Übeln (vulgo: Klage) drohen mußte, bevor der entnervte Mensch in dem Callcenter endlich aufgab. Zuvor hatte behauptet, die Versendung einer Rechnung sei weder per Post noch per eMail möglich. Ich müsse erst einen Nutzer-Account anlegen und hier und dort klicken und auswählen und was-weiß-ich-nicht-noch-für-welche Internet-Adressen in den „Internet-Explorer“ eingeben.

Nun traf dieses Prachtstück einer Rechnung mit Umsatzsteuer-Ausweis hier ein:

samsung rechnung

Ok, es ging mir nicht um die paar Cent Vorsteuer, die ich jetzt (vielleicht) vom Finanzamt zurück bekomme. Sondern um das Prinzip. Ja, nennt mich ruhig „Prinzipienreiter“. Ich hätte diesen „größten südkoreanischen Mischkonzern“ auch mit einer Klage überzogen.

Was ist das für eine Art mit Kunden umzugehen? Die Inhaberin des Edeka-Ladens bei uns zuhause um die Ecke, bei dem ich maximal zweistellige Umsätze mache, hat deutlich bessere Umgangsformen, als dieser asiatische Gemischtwarenhändler, an den ich bereits hohe vierstellige Beträge gezahlt habe. Wenn ich von Tante Emma eine Quittung brauche, dann schreibt sie mir eine und gut is. Aber das Samsungsgebahre hier ist doch wohl das Letzte!

Und das nächste Mal kaufe ich mein Zeug – zudem für die Hälfte des Preises – wieder auf dem grauen Markt, bevor ich mir sowas nochmal antue. Original-Saftladen, elender.

Vielen Dank an meine Assistentin, die ihre eigenen Nerven behalten und meine geschont hat!

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Schweigende Mordverdächtige und nichtssagende Meldungen

690905_web_R_by_Thorben Wengert_pixelio.deEine Agenturmeldung der dpa machte am Mittwochmorgen die Runde:

Thema jener Meldung waren „tödliche Schüsse“ auf einem „Neuköllner Parkplatz„. Besonders hervorgehoben war der Umstand, daß die „Mordverdächtigen schweigen“ (in der Überschrift) und daß die „beiden Mordverdächtigen vor dem Berliner Landgericht die Aussage verweigern“ (in der Meldung).

Richtig ist, daß die beiden Angeklagten schweigen. Falsch ist – jedenfalls die Formulierung, daß sie die Aussage verweigern. Sie verteidigen sich durch Schweigen und machen damit Gebrauch von einem Recht, das ihnen Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantiert.

Eine weitere Formulierung in der Meldung ist schief: Es gibt keinen „heimtückischen Mord“, sondern allenfalls einen „Mord aus Heimtücke“. Aber das sind Feinheiten, die immer wieder gern mal dem journalistischen Hobel einer Agenturmeldung zum Opfer fallen.

Die Staatsanwaltschaft und die Medien gehen also von einem Kapitalverbrechen aus. Das stimmt. Die Meldung ist aber insoweit unvollständig, weil nicht nur Heimtücke, sondern auch ein „niedriger Beweggrund“, ein weiteres Mordmerkmal, vorgelegen haben soll. Aber vielleicht verschweigt die Agentur diesen Teil der Anklagebehauptung auch deswegen, weil er auf ziemlich dünnenm Eis ruscht (nicht: steht!). Die späte Rache erscheint nach aktueller Sachlage wohl auch eher ein Blick in die Kristallkugel zu sein. Der unterstellte Beweggrund wirkt, wie dargestellt, mehr als nur konstruiert.

Es gibt zudem keine objektiven Beweise für die Täterschaft der Angeklagten. Nur ein paar äußerst vage Zeugenaussagen stützen die Theorie (sic!) der Anklagebehörde. Es gibt keine Identifizierung der Tatbeteiligten, etwa durch eine Wahllichtbildvorlage oder (DNA-)Spuren. Lediglich ein paar wenige Indizien liegen der Anklageschrift zugrunde, die – bei Lichte betrachtet – ein unrundes Bild abgeben, das voreingenommene Ermittler durch einen Tunnel erblickt haben wollen.

Um noch einmal auf die EMRK zurück zu kommen, die auch die Spielregeln des deutschen Strafprozeßrechts entscheidend bestimmt: Es ist Sache der Strafverfolgungsbehörde, den Tatnachweis zu führen und die Schuld des Verdächtigen zu beweisen. Ein Angeklagter ist nicht in der Position, in der er seine Unschuld beweisen muß, auch wenn es das wäre, was sich die Ermittler – und Teile der Medien – gern wünschen würden, wenn man sie denn ließe.

In dieser Situation ist es doch naheliegend, daß ein unschuldiger (Art. 6 Abs. 2 EMRK!) Angeklagter schlicht schweigt, um sich gegen den heftigen Vorwurf zu verteidigen, einen Mord begangen zu haben. Denn mehr als „Ich war es nicht!“ könnte er ohnehin nicht sagen, wenn er nicht am Tatort war. Dann ist es allemal sicherer, wenn der Angeklagte dem Rat seines Verteidigers folgt, und nichts sagt; das, was zu sagen wäre, läßt sich bequem und gefahrlos auf anderem Wege in die Beweisaufnahme einführen.

Aber die interessiert dann wieder die Presseagenten nicht. Leider.
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Bild: © Thorben Wengert / pixelio.de

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Update: Noch eine Konsequenz

Heute morgen habe ich einen Beitrag veröffentlicht über einen Mandanten, der – wie sich im Nachhinein herausgestellt hat – ein paar üble Organisations-Probleme hatte. Und das, obwohl er beruflich exakt in einem Bereich tätig ist, in dem Organisations-Know-How gefragt ist.

Aber vielleicht kann er gemeinsam mit seiner Bank nochmal üben, wie das geht, mit so einem komplexen Vorgang wie eine Inlandsüberweisung. Anlaß dafür gäbe es ja, wie diese eMail zeigt, die mich soeben erreicht hat:

Mehrfachüberweisung

Ich habe – als zuverlässiges Organ der Rechtspflege – natürlich sofort reagiert:

meerblick2

Wenn’s läuft, dann läuft’s. Muito Obrigado!

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