Jahresarchive: 2014

Umfangstrafsache mit Streisand-Effekt

Bekanntlich sind Wirtschaftsstrafsache nichts für Verteidger, die eine Akten-Allergie haben. Nur in wenigen – glücklichen – Fällen besteht die Ermittlungsakte aus nur einem Band; beispielsweise die üblichen eBay-Sachen sind meist in nur filmdünnen Bändchen zusammen gefaßt. Ein ausgewachsenes Strafverfahren vor der Wirtschaftsstrafkammer, in dem es um’s große Geld geht, sieht dann in der Regel eher so aus.

Aber auch für alltäglichen Kleinigkeiten, in denen es noch nicht einmal um’s kleine Geld, sondern um das gesellschaftliche Miteinander geht, reicht manchmal der Platz zwischen zwei Aktendeckeln nicht aus.

uebel

Diese Aktendeckel beinhalten das Material, welches sich in konzentrierter Form in dem erstinstanzlichen, achtseitigen Urteils wiederfindet:

uebel

Ein Ehrkränkungsdelikt, das im vorliegenden Fall nach Ansicht des Amtsgerichts auch die hohe Hürde des § 192 StGB genommen haben soll. Ein interessanter Fall, mit dem sich nun das Landgericht in der Berufungsinstanz noch einmal beschäftigen muß.

Auch ohne bereits an dieser Stelle schon tiefer in die Akten geschaut zu haben: Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß d. angeblich Geschädigte der angeklagten Üblen Nachrede nicht begeistert sein wird, wenn die Frage nach dem Wahrheitsbeweis nun noch einmal in einer öffentlichen Hauptverhandlung diskutiert wird. Es wird sich dann auch ein weiteres Mal die Frage stellen, ob die Verbreitung der Wahrheit einen Beleidigungs-Charakter haben kann. Und ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, wegen der gekränken Ehre auf andere Weise Satisfaktion zu verlangen.

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Chaos bei der Staatsanwaltschaft

Wenn Verteidiger über die Staatsanwaltschaft als Chaosladen schimpfen, ist das eigentlich normal. Richtig ernst wird es aber, wenn schon ein Oberstaatsanwalt in seiner Funktion als Amtsleiter deutliche Worte in eine Akte schreibt. Einen solchen Vermerk habe ich beim Aufräumen gefunden:

Chaotische Personallage

Es ging um die Vollstreckung eines vier Jahre alten Strafbefehls.

Warum gut ausgebildete und grundsätzlich intelligente Menschen mit Spitzenergebnissen bei ihren Prüfungen freiwillig in den Justizdienst gehen, kann ich nicht nachvollziehen. In so einem Chaosladen möchte ich noch nicht einmal tot an einem Garderobeständer hängen.

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Freundlicher Empfang in Brandenburg

Auf dem Weg zum Fluchhafen Schönefeld kommt man mal mal raus aus der Stadt. Nach Brandenburg. Dort wird man dann ca. 100 m nach der Mauer Stadtgrenze freundlich empfangen.

Empfang in BRB

Die Blitzer-Säule „PoliScan speed“ verbreitet allerdings auch oft nicht mehr als heiße Luft, was meinem Verteidiger und mir (in verjährter Zeit ;-) ) mal mitgeteilt wurde.

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THC: Ende der Rotlichtphase gefordert

Ein Verlosung von Rotwein, bayerisches Bier im Gericht, Cannabis am Brandenburger Tor und „einschlägig geschmückte“ grün-weiße Gruppenkraftwagen. Das sind die Themen dieses samstäglichen Blogbeitrags.

AbendmahlIch werde den Gedanken nicht los: Wenn diese Jungs hier links seinerzeit statt sich mit Wein zu betrinken einen Joint herumgereicht hätten, müßten sich heute die Oktober- und Winzerfestbesucher vor gnadenloser Strafverfolgung fürchten und zu Silvester würde man mit Bongs und Wasserpfeifen anstoßen.

Vor einigen Jahren hatte ich eine Strafverteidigung in einer niedlichen bayerischen Kleinstadt. Ich war am Vorabend der Verhandlung angereist und übernachtete in einem „typischen“ bayerischen Gasthof. Am Stammtisch saß eine heitere Gesellschaft lokaler Honoratioren, die ihr Abendbrot in der landestypischen flüssigen Form zu sich nahmen.

Am nächsten Morgen trug einer jener rotgesichtigen Biertrinker eine schwarze Robe und saß über meinen Mandanten, bei dem man 12 Gramm Marihuana gefunden hatte, mit gar nicht heiteren Worten zu Gericht. Dem Richter war das nicht peinlich.

Nun gibt es seit 17 Jahren bereits eine jährliche Veranstaltung in Berlin (nicht in Bayern). Die Teilnehmer setzen sich dafür ein, daß nicht nur eingemaischter, vergorener Trauben- und Gerstensaft ohne Strafverfolgungsgefahr konsumiert werden kann. Die Hanfparade will …

… all jenen ein Forum bieten, die das Hanfverbot als historischen Fehler erkannt haben. Wir wollen Realität werden lassen, was schon im vergangenen Jahrhundert auf unseren Fahnen stand. Wir wollen mit Hanf in die Zukunft.

Das Motto der diesjährigen Veranstaltung am heutigen Samstag lautet:

„Grünes Licht für die Legalisierung!“

Web-Banner der Hanfparade

Die Hanfparade startet um 13 Uhr am Hauptbahnhof und endet ab ca. 17 Uhr bis 22 Uhr am – na klar – Brandenburger Tor.

Es werden mehr als 10.000 Kiffer erwartet. Und damit die nicht alle laufen müssen, gibt es reichlich Paradewagen.

Sie unterstützen die bunte Menge bei ihrem Umzug, ziehen viele interessierte Blicke auf sich, denn sie sind einschlägig geschmückt und tragen unser Anliegen deutlich nach außen – Paradewagen sind auf einer Demo nicht wegzudenken und machen sie erst so richtig aussagekräftig.

Achtung: Verlosung
Gern veröffentliche ich in der kommende Woche hier Fotos von den schönsten Hanfparadewagen: Also immer her mit den Pics. Unter den Einsendern verlosen(*) wir eine Tüte Gras Flasche Wein.

(*): Die Auslosung findet unter strenger anwaltlicher Aufsicht statt. ;-)


 

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Freundliches Gericht

Einige unserer Mandanten sind gesundheitlich nicht immer auf der Höhe. Deswegen werden sie auch in der Regel betreut. Eine Folge dieser – oft psychischen – Erkrankungen ist manchmal die – so nennen es die Mediziner – fehlende Impulskontrolle oder erhöhter Suchtdruck. Das führt dann zu kleinen Ladendiebstählen, Schwarzfahrten, auch schon mal zu kurzweiligen Rangeleien oder zum brüderlichen Teilen von verbotenen Kräutern und Pulvern.

Unsere Staatsgewalt nimmt sich – unter strenger Beachtung des Legalitätsprinzips – auch dieser kranken Menschen an und überzieht sie mit gewaltigen Strafverfahren, weil sie mal wieder eine Dose Haarspray bei Kaisers geklaut haben oder ohne Fahrschein vom Hermannplatz zum Kotti mit der U-Bahn gefahren sind.

Nun ist es ja mit der Gesundheit dieser Leute nicht unproblematisch. Die zusätzliche Angst vor einem möglicherweise Weggesperrtwerden ist auch eher nicht förderlich, was die Verhandlungsfähigkeit angeht. Das ist absehbar und kann auch von medizinischen Laien recht einfach nachvollzogen werden.

Das scheint sich nun auch in der Provinz herumgesprochen zu haben. Dort ist man jedoch – anders als im harten Berlin – eher freundlich im Umgang mit diesen Menschen. Die mir als sehr höflich bekannte Richterin schreibt den ihr als gesundheitlich sehr labil bekannten Angeklagten an (der sich dann mit diesem Schreiben über seinen Betreuer an unsere Kanzlei wandte):

verhandlungsunfähig

… ist doch schön, daß das Gericht die Verhandlngsfähigkeit abwartet, um dann erst den Termin festzulegen. [X] Gefällt mir.

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Schokoladenanklagenpreisrätselauflösungsblogbeitrag

Die Anzahl der Kommentare unter dem Beitrag zum Umfang der Anklage in dem Verfahren vor dem Potsdamer Landgericht läßt nur einen Schluß zu: Das Land leidet unter einem massiven Schokoladen-Turkey. Nun habe ich endlich die Zeit gefunden, des Rätsels Lösung und die (sic!) Gewinner zu präsentieren.

Die Frage, nach der Anzahl der Seiten, die die Anklage umfaßt, ist nicht so eindeutig zu beantworten, wie es scheint. Wenn man es so macht – wie ich – bei solchen Paketen und die letzte Seite aufschlägt, kommt man zunächst auf die Zahl 409. Hier (aus Anonymisierungsgründen) die vorletzte Seite:

Anklage408

Zwischen der Seite 49 und 50 befinden sich jedoch 123 Blatt mit Tabellen-Ausdrucken. Demnach hat das abgebildete Paket (jpg) insgesamt 532 Seiten.

Wegen der epidemieartigen Entzugserscheinungen in weiten Kreisen der Bevölkerung Blogleser werfe ich nun gleich diese drei Beruhigungstafeletten unters Volk.

Rätselschokolade

Die Kommentatoren Nr. 16 (GaGaF) und Nr. 62 (Lucy) liegen ungefähr gleich auf und mit 404 bzw. 414 plus-minus-fünf neben der vom Staatsanwalt notierten Seitenzahl 409.

Kommentator Nr. 31 (Daniel Burek) liegt mit seiner Schätzung von 534 nur ganz knapp neben der tatsächlichen Blattzahl 532.

Wenn die drei genannten Gewinner mir per eMail ihre Anschrift mitteilen, dann gebe ich die Leckerli zur Post. In der eMail muß die in den Kommentaren jeweils angegebene eMail-Adresse (hilfsweise die IP-Adresse ;-) )genannt werden. Sonst könnte ja jeder kommen … 8-)

Nebenbei: Die Kommentatorin, deren Antwort unendlich unwahrscheinlich richtig war, bekommt einen Trostpreis, wenn sie wie die drei Gewinner verfährt.

Vielen Dank an alle Mitmacher; mir hat’s Spaß gemacht.

(Und besten Dank auch an die Schokoladentafeleinkäuferin.)

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Verbundenes Trennungschaos

Weiteres zum Dauer-Thema: „Keine Digitalen Aktenkopien in Brandenburg.“ Der Herr hat’s getrennt, der Herr hat’s verbunden. Aktendeckel zu Aktendeckeln, Papierberge zu Papierbergen.

Welche finanziellen Konsequenzen für die Landeskassen die beharrliche Weigerung der Potsdamer Staatsanwaltschaft hat, die Ermittlungsakten zu digitalisieren, habe ich bereits mehrfach dargestellt. In den Kommentaren zu diesem Blogbeitrag findet man die Vergleichsrechnungen, die einem auf Kostenvermeidung bedachten Haushälter Federn wachsen lassen.

Die Notwendigkeit, mühsam kopierte Siebt- oder Zwölftakten herstellen zu müssen, um anschließend den Hin- und Zurück-Versand der Akten an und duch die Verteidiger zu bewerkstelligen, bindet zudem völlig ohne Not Ressourcen, die an anderer Stelle wesentlich sinnvoller eingesetzt werden könnten.

Soweit erzähle ich bis hier nichts Neues.

Es gibt aber noch reichlich andere Folgen dieser vorsintflutlichen Brandenburger Methoden der Aktenführung. Deutlich wird das anhand dieses episch langen Schreibens, mit dem sich der – sicherlich völlig unausgelastete – Staatsanwalt seine Langeweile und die der Geschäftsstellenmitarbeiterinnen von Staatsanwaltschaft und Gericht vertreibt (bitte auf’s Bild klicken, Popcorn bereitstellen und lesen):

Trennungschaos

Hat das jemand auf Anhieb verstanden, was der Ermittler uns bzw. dem bedauernswerten Strafkammervorsitzenden da mitteilt?

Ich hoffe nur, die Staatsanwaltschaft verliert nicht selbst mal den Überblick. Bisher noch habe ich nur anerkennende Äußerungen über den Staatsanwalt gehört, der seit 5 Jahren nichts anders zu machen scheint, als seine Papierakten mit hoher Kompetenz perfekt zu organisieren.

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Fleißarbeit, Preisfrage und Stimmungsaufheller

Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat vorgesorgt. Die Beschäftigung über die langen Wintertage scheint gesichert zu sein:

Anklage

Die Anklageschrift wurde vor ein paar Tagen zugestellt. Erheiternd ist der Hinweis des Gerichts:

Anklagezustellung

Mal eben in drei Wochen einen Pack Altpapier durcharbeiten, um eine profunde Stellungnahme abgeben zu können. Na klar, machen wir. Selbstverständlich.

Nun die Preisfrage:

  • Wieviel Seiten umfaßt die Anklage?

Wer bis heute Abend 24:00 Uhr am nächsten dran ist, dem schicke ich eine Tafel Schokolade.

Mitverteidiger und Angeklagte sowie Staatsanwälte und Richter aus Potsdam sind von dem Spielchen ausgeschlossen; denen bringe ich die Schokolade zur Verhandlung mit. Das beruhigt die Nerven:

Ungesüßtes Kakaopulver enthält 1 bis 3 Prozent Theobromin, das chemisch dem Koffein ähnlich ist. Es wirkt auf den Organismus mild und dauerhaft anregend und leicht stimmungsaufhellend. […] Weitere Inhaltsstoffe, die in Zusammenhang mit der stimmungsaufhellenden Wirkung von Schokolade gebracht werden, sind unter anderem das molekulare Grundskelett des Amphetamins Phenylethylamin, die Serotonin-Vorstufe Tryptophan, ein natürliches Antidepressivum, und das Cannabinoid Anandamid.

sagt Wikipedia. Ich kann mir gut vorstellen, daß Schokolade in größeren Mengen bei dem einen oder anderen Prozeßbeteiligten noch notwendig werden wird. 8-)

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Wirksame wüste Beschimpfungen

Offenbar ist meine stets überaus sachlich und zurückhaltend formulierte Kritik (zuletzt hier und hier) an den Arbeitsmethoden der Potsdamer Staatsanwaltschaft – zumindest teilweise – auf offene Ohren gestoßen.

StA Potsdam 4

Es ist erfreulich, daß die Cybercrime-Ermittler aus Potsdam allmählich beginnen, sich um eine zeitgemäße Bearbeitung von Sachverhalten bemühen, die sich nahezu ausschließlich auf elektronischer Ebene zugetragen haben. Kritiklos anzuerkennen ist aber das ehrliche Bemühen der Staatsanwaltschaft, …

… jeden Anschein der Erschwerung der Arbeit der Verteidigung zu vermeiden.

Na bitte, geht doch. Alles wird gut, auch in Potsdam. Auch wenn’s (seit 2011) dauert …

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Nazis verfolgen Strafverteidiger

Man kann sich diejenigen nicht aussuchen, die einen verfolgen. Jedenfalls nicht auf Twitter.

Seit gestern laufen mir ein paar von diesen Herrschaften hinterher, die sich im Wesentlichen von einem Orang Utan nur dadurch unterscheiden, daß sie festgenommen würden, wenn sie öffentlich ihren nackten Hintern zeigten (§ 183a StGB).

JN Heilbronn

JN Heilbronn 2

Ich frage mich, wie masochistisch muß dieser Heilbronner Haufen (sic!) sein, um sich meinen Texten (z.B. diesem) und Hinweisen auf anderer Leuts Blogbeiträge wie diesen hier: „Nazis sind doof“ auszusetzen.

BTW: Wir freuen uns über alle Follower, die keine Dumpfbacken sind.

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