Ein Schuhkarton für dicke Backen

525701_web_R_K_B_by_uschi dreiucker_pixelio.deEs gibt Menschen, denen es nicht gelingt, Ordnung zu halten. Das hat was mit frühkindlicher Erfahrung und Erziehung zu tun, habe ich mir sagen lassen.

Solche Menschen haben dann auch oft Probleme, oft solche, die mit Geld und Belegen zu tun haben. Daraus resultieren dann manchmal auch Strafverfahren, gern Vermögens- oder Steuerstrafsachen. Diese Menschen gehen dann – wenn sie gescheit (geworden) sind – zu einem Strafverteidiger und bitten den um Hilfe beim Aufräumen.

Unsere Kanzlei bietet eine solche Hilfe, die aber auch bezahlt werden will. Und wenn mir dann der Mandant einen Schuhkarton mit gesammelten Belegen aus dem unverjährten Zeitraum auf den Schreibtisch stellt, bekommt er erstmal dicke Backen. In aller Regel finden wir eine kostengünstige Lösung, denn er braucht keinen Strafverteidiger als Zettelsortierer, dazu reicht ein findiger Mitarbeiter, meist eine studentische Hilfkraft oder wenn’s komplizierter ist auch ein Steuerfachgehilfe, aus, die dem Mandanten für relativ kleines Geld Ordnung in sein Chaos bringt.

Apropos Chaos
Dazu und zum Zusammenhang mit dem Steuerrecht lese ich heute in der Zeit, daß das deutsche Steuerrecht eines der kompliziertesten der Welt sei und der Staat bei der Besteuerung von Finanzgeschäften einen Wust an Regeln geschaffen habe, der selbst den Fachmann nicht mehr durchblicken lässt. Chaos und Wust, zwei eng miteinander verwandte Begriffe.

Aber zurück zu unseren Zettelsammlern
Axel Hansen und Lukas Koschnitzke machen in der Zeit solchen chaotischen Wüstlingen, oder wüsten Chaoten, denen es nicht gelingt, Licht in die deutsche „Finanzgeschäfts-Steuern“ zu bringen, einen klassischen Vorschlag: Einfach mit dem Schuhkarton zurückschlagen, um einer Anklage wegen Steuerhinterziehung zu entgehen:

Den Finanzbeamten alle Belege einreichen, mit dem Hinweis, man sei selbst nicht in der Lage, die korrekten Summen abzuleiten.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß der arme Finanzbeamte, dem keine studentische Aushilfe zur Seite steht, aber sowas von dicken Backen machen wird.

Der subjektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung läßt sich nach so einer Aktion wohl eher nur mit einigem Begründungsaufwand herleiten. Eine Verteidigungsstrategie gegen den Wahnsinn im Steuerrecht, dem man nur noch mit solchem zivilen Ungehorsam begegnen kann. Oder mit Steuerhinterziehung, bei der man sich nicht erwischen lassen sollte.

__
Bild: uschi dreiucker / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Behörden, Steuerstrafrecht, Strafverteidiger veröffentlicht.

13 Antworten auf Ein Schuhkarton für dicke Backen

  1. 1
    RA Schmidt says:

    Steuerrecht ist eigentlich ganz einfach. Kann man schon einem Erstklässler beibringen. In den 70er Jahren nannte man das Mengenlehre.

    Jedes Mal wenn ein „+“ auf dem Kontoauszug steht, verbucht man das als Einnahme, jedes Mal, wenn ein „-“ vor der Zahl steht und keine private Ausgabe ist, verbucht man es als Ausgabe. Am Schluß einfach alles addieren und voneinander subtrahieren: schon hat man als Geschäftsmann seinen Gewinn ermittelt.

    Nur weil man keinen Bock darauf hat und ein Schlamper ist, ist Steuerrecht noch lange nicht kompliziert. Gier und Neid verursachen nur, daß die Menschen dem Finanzamt zu wenig „+“ und zu viel „-“ melden wollen. Die nicht auf dem Kontoauszug erscheinende Barzahlung des Kunden wird gerne „vergessen“, ein privates „-“ (UHD-Fernseher) dafür als dringende geschäftliche Ausgabe verbucht.

    • Der Gier und dem Neid bei den „Menschen“ könnten ein entsprechendes Äquivalent auf der anderen Seite gegenüberstehen, das gern mal aus einem „-“ ein „+“ macht.

      Deswegen kommt eine Alternative in Betracht, die auch die Autoren des ZEIT-Artikels formulieren:

      Die dritte Möglichkeit hingegen ist simpel: Einfach die Finger von solchen Geschäften lassen.

      Wobei unter „Geschäfte“ nahezu jede selbständige Beschäftigung subsumierbar wäre. Oder? crh

  2. 2
    Mirco says:

    @RA Schmidt
    So einfach ist das auch nicht. Da ist gestern einer zu 3,5 Jahren verurteilt worden, trotz dickem „-“ auf dem Kontoauszug.

  3. 3
    roflcopter says:

    @Mirco
    Wichtig ist aber nicht, was nach vielen Jahren am Ende auf dem Kontoauszug steht.

    Zeitweilig war da nen „+“ in Arial Bold Fettschrift Größe 40 und das eben auch zu einem steuerrelevanten Zeitpunkt

  4. 4
    Bilbo Beutlin says:

    @ RA Schmidt: Ihr Beitrag diskreditiert Sie entweder als extrem unwissend oder als fies polemisch.

    Es reicht keinesfalls Einnahmen und Ausgaben zu addieren. Ich will gar nicht ins Detail gehen, aber es gibt ein ganzes Bündel an Vorschriften, was das anders sieht. Das fängt damit an, daß angeschaffte Sachen keinesfalls einfach als minus anzusetzen sind, sondern nur ein kleiner Teil davon (nennt man Abschreibung). Es geht weiter mit der Aktivierung von Einnahmen in der Bilanz, die noch gar nicht da sind. Bei den Kapitaleinkünften müssen Einnahmen vollständig versteuert werden, jedoch dürfen Ausgaben generell nicht geltend gemacht werden (da gibt es nur eine winzige Pauschale).

    Das waren nur ein paar Beispiele von sicher hunderten, die man anführen könnte. Alle diese Beispiele führen zu einer Steuerlast auf nicht vorhandenes Geld und sind zum Nachteil des Bürgers.

    Wenn also jemand tatsächlich die Einnahmen und Ausgaben verrechnet und das so beim FA erklärt, weil er meint das sei steuerehrlich, dann hat er MIT SICHERHEIT demnächst das Bedürfnis die Dienste des Herrn Hönig (oder einem seiner Kollegen) in Anspruch zu nehmen,

  5. 5
    IANAL says:

    Zumindest was Hoeness betrifft, ist der Fall ja gerade kein Beweis dafür, dass das deutsche Steuerrecht für Unternehmer zu kompliziert sei.

    Bei Hoeness‘ Würstchenfabrik ist ja offenbar in Sachen Steuern und Buchhaltung alles in Ordnung, trotz so gemeiner Dinge wie Abschreibungsregeln etc. Probleme gab es nur mit seinen privaten Derivatbörsenzockereien – und ob der Gesetzgeber derlei Dinge auch noch durch entsprechende Maßnahmen im Steuerrecht begünstigen sollte, möchte ich doch arg bezweifeln.

  6. 6

    Die dahinterliegende Frage ist doch, wie umfangreich und „kompliziert“ die dem Steuerpflichtigen aufzuerlegenden Pflichten sein dürfen.

    Je komplexer das Geschäft und je geschäftskundiger der Steuerpflichtige, um so größer dürfen auch die „Zumutigen“ des Steuerrechts werden.

    Im Übrigen ist das Thema „Vereinfachung des Steuerrechts“ jedenfalls so alt wie die Bundesrepublik und ich könnte wetten, im Kaiserreich war das auch schon auf der Agenda.
    http://tryffel.de/aktuelles.html?&no_cache=1

  7. 7
    ko says:

    Apropos Gier:
    Wilfried Schmickler am 22.03.2011 in ‚Neues aus der Anstalt‘ (ZDF)

  8. 8
    Bilbo Beutlin says:

    @ Schnee-Gronauer: Ihre Auffassung teile ich nicht. Sicher haben Unternehmer im Regelfall mehr Ahnung von Steuern als Hartz4-Bezieher; aber nur deswegen weil sie Steuern zahlen.

    Nur weil jemand (erfolgreicher) Unternehmer ist, muss er sich mit Steuern lange noch nicht auskennen. Es gibt viele Unternehmer, die wirtschaftlich sehr gut wissen, was sie machen und den Rest an den Steuerberater abgeben. Diese Leute kennen sich mit Steuern und deren Vorschriften gerade NICHT aus.

    Es ist schlicht falsch (verkürzt) zu sagen: weil er erfolgreich ist, muß er sich mit Steuern auskennen.

    Sie als Unternehmensberater (Pispers sagte mal satirisch die seien wie Eunuchen: „sie wissen wie es geht“) sollten doch wissen wieviele Unternehmen aus steuerlichen Gründen in Schieflage geraten, obwohl sie wirtschaftlich gesund sind. Das liegt dann sicher nicht an den überbordenden steuerlichen Kenntnissen der Inhaber.

    Nach meiner Erfahrung ist es für Unternehmer und Unternehmen inzwischen nahezu unmöglich eine vollständig korrekte Steuererklärung abzugeben.

    Was mich auch sehr stört: überlässt ein Unternehmer die Sache seinem Steuerberater und es geht schief, dann wird er mit den Worten „sie haben die Steuererklärung unterschrieben“ gnadenlos zur Verantwortung gezogen, obwohl er keine Ahnung hatte ob alles richtig war. Wenn aber Politiker einen Auftrag für die Hamburger Oper oder den Flughafen Berlin unterschreiben und alles gerät außer Kontrolle, dann sind sie nicht verantwortlich. Wie kann das nur sein?

  9. 9
    Anno Nüm says:

    Ich hatte mal einen Mandanten, dessen Buchführung aus Bananenkartons bestand. War einer voll, wurde der nächste genommen. Dann: Steuerprüfung. Der Prüfer mühte sich fast drei Tage ab, ohne jedoch so richtig weiterzukommen. Daher sein Vorschlag: „Wir verbrennen jetzt den ganzen Kram, ich schreibe, ich hätte keine Unterlagen gefunden und dann schätze ich den Betrieb“. Als eine Einigung zustandekam, wurde es ein fröhlicher Nachmittag mit wärmendem Feuer. So geht’s doch auch!

  10. 10
    Blbo Beutlin says:

    @Anno Nüm: Sie hatten da einen besonders glücklichen Mandanten. Und einen – von der Norm abweichend – durchaus pragmatischen Prüfer.

    Das hätte ich auch gern mal erlebt.

  11. 11
    Hans says:

    @RA Schmidt: Nein, so leicht ist es leider noch nicht mal bei ganz normalen Steuererklärungen von Angestellten. Als ich meine erste gemacht habe, war da eine Frage, die ich aus der Erinnerung ungefähr so wiedergeben würde: „Einkünfte aus unselbständiger Arbeit, die unter § 4711 Abs. 13 Nr. 3, 8 oder 24 UNfuG fallen.“

    Die Formulare sagen einem ja noch nicht mal, welche Eintragungen die Steuer eher erhöhen oder eher reduzieren. Selbst wenn es nur um eine Steuersparmöglichkeit für einen winzigen Bruchteil der Steuerzahler geht, müssen theoretisch alle (auch die, die wie ich ihre Steuer gar nicht optimieren wollen) in diesem Gesetz nachschlagen, um herauszufinden, worum es geht. Denn es könnte ja auch sein, dass man selber darunter fällt und dass eine Nichteintragung die Steuer fälschlich verkürzt.

    Ich hab schon in Spanien, England und Österreich gearbeitet. Überall waren meine Steuererklärungen viel einfacher als in Deutschland, da überflüssig. Kein Wunder, dass es nur hier die Steuerberater als einen eigenen großen Berufsstand gibt. Als ich dann aber mal wissen wollte, ob ich anlässlich meines Umzugs von Spanien nach England eine spanische Steuererklärung machen muss, und wenn ja, wie das geht, haben die mir auch nix genützt. Für so eine Auskunft hätte ich bei den Experten ca. 5% meines Jahreseinkommens als Unimitarbeiter zahlen dürfen.

  12. 12
    RA Schmidt says:

    Wollte sagen: wenn man einfach alles angibt, was man eingenommen und ausgegeben hat, kann man nichts falsch machen. So mache ich das jedenfalls immer. Ob die Einnahmen und Ausgaben dann steuerbegründend bzw. steuermindernd sind, sagt mir dann mein freundlicher Finanzbeamter.

    Mir ist schon klar, daß die Formulare für die Steuererklärungen etwas komplizierter sind. Aber wenn ich nicht weiß, ob ich da etwas eintragen muß/darf oder nicht, trage ich es einfach ein und füge eine Erläuterung bei („In Anlage NÖX habe ich in Zeile 33 auch eine Plattreifenversicherung für das Kanzlei-Dreirad eingerechnet. Ich gehe davon aus, daß das absetzbar ist. Falls nicht, bitte streicheln.“). Oder: „Ein Mandant hat mir aus lauter Dankbarkeit eine angebrochene Flasche ALDI-Whisky geschenkt, geschätzter Restwert: 2,94 Euro. Falls steuerrelevant, bitte unsere Gewinn hinzurechnen.“

    Eine Steuererklärung muß nicht in dem Sinne richtig sein, daß man alles kapiert hat, was man da einträgt. Man darf sie nach bestem Wissen und Gewissen abgeben und auf Zweifelsfälle, bei denen man trotz intensiver Google-Suche nicht weiß, ob sie steuerrelevante Einnahmen oder Ausgaben darstellen, in einer Anmerkungen hinweisen.

    Ich schreibe zu unseren Steuererklärungen immer 1-2 Seiten, damit der Sachbearbeiter beim Finanzamt weiß, was ich mir dabei gedacht habe. Wenn’s falsch ist, kann er es ja korrigieren. Das gilt auch für nicht unkomplizierte Dinge wie Abschreibungen. Das mache ich grundsätzlich falsch und der Sachbearbeiter schickt mir dann eine korrigierte AfA-Tabelle.

    Im übrigen: Falls einem später noch etwas einfällt, z.B. nach Abgabe der Steuererklärung noch eine Quittung über eine Barzahlung von 1.000,- Euro in die Hand fällt, die sich irgendwo ungebucht in einer Akte versteckt hatte, kann man das immer noch nachmelden.

    Zuviel hat bei der Steuerklärung noch keiner gesagt, meistens fühlt sich das Finanzamt nicht hinreichend informiert. Und das ist doch verständlich und nicht so schwer zu kapieren. Wesentlich ist, mit offenen Karten zu spielen. Statt irgendwelche Kfz-Kosten einfach selbst abzusetzen, sollte man vielleicht einfach dazuschreiben, daß man sie abgesetzt hat und davon ausgeht, daß das so richtig war. Falls nicht, erhält man schon die passende Antwort.

  13. 13

    @Bilbo Beutlin
    Sie haben leider meinen Punkt komplett mißverstanden.

    Ich habe nicht gesagt, dass sich Unternehmer besser mit Steuern auskennen (müssen) als Nichtunternehmer. Es ging darum, dass das was der Steuerpflichtige machen muss, umso aufwändiger sein darf, je umfangreicher und „komplizierter“ seine steuerlich relevante Betätigung ist.

    Ob der Pflichtige seine steuerlichen Aufgaben eigenhändig oder durch Dritter erfüllt hat damit nichts zu tun. Ggf. muss der unternehmerisch tätige externe Dienstleister in Anspruch nehmen.

    Für mich liegt es auf der Hand: ein „normaler“ Arbeitnehmer muss seinen Steuerkram alleine erledigen können, ein Unternehmer nicht; ihm ist zuzumuten, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen.