Bayerische Umgangsformen

Ich verteidige den Mandanten bereits seit Herbst vergangenen Jahres. Dazu habe ich mich bei der zuständigen bayerischen Staatsanwaltschaft gemeldet. Der Staatsanwalt hat mir einen Teil der Ermittlungsakte übersandt, aus der ich zwei-und-zwei zusammenzählend gesehen habe, daß es einen Haftbefehl gegen meinen Mandanten gibt.

Nach entsprechender Beratung des Mandanten habe ich dann mit dem Staatanwalt telefoniert, der nach anfänglicher Reserviertheit – Bayern vs. Berlin, Sie wissen schon … – dann doch recht aufgeschlossen erschien; es war ein freundliches Telefonat, in dem wir auch über die verschiedenen Möglichkeiten einer (nunja, freiwilligen) Selbststellung gesprochen haben. Der Mandant lebt nämlich nicht in Deutschland und ein Auslieferungsverfahren aus dem nicht-europäischen Ausland ist für keinen der Beteiligten eine angenehme oder bequeme Sache.

Vor ein paar Tagen habe ich – durch eine mir namentlich nicht bekannte Person aus dem Umfeld meines Mandanten – eine Nachricht aus dem Ausland erhalten, daß die dortige Polizei den Mandanten verhaftet habe; er werde nun in Richtung Bayern auf den Weg gebracht.

Bis heute weiß ich nichts Genaues. Ich ärgere mich darüber, daß die Staatsanwaltschaft es nicht für nötig hält, mir als Verteidiger eine kurze Nachricht zukommen zu lassen, daß es nun losgeht …

Vielleicht ist es in Bayern immer noch nicht angekommen, daß die Verteidigung eines Beschuldigten zu den Basics eines fairen, prozeßordnungsgemäßen und rechtsstaatlichen Verfahrens gehört. Es kann aber auch sein, daß sich dieses nicht-europäische Ausland und Bayern nur hinsichtlich des Wetters unterscheiden. Ich weiß es nicht.

Jetzt bin ich nur gespannt, wie die Bayern mit dem § 118 V StPO umgehen werden. Entsprechende Anträge habe ich jedenfalls mal gestellt.

Dieser Beitrag wurde unter Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

5 Antworten auf Bayerische Umgangsformen

  1. 1
    Anonymus says:

    Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass der zuständige Dezernent vielleicht noch gar nichts von der Verhaftung weiß? Der Meldeweg – Polizei Ausland – LKA Bayern – StA dauert u.U. doch etwas längern, als der Telefonanruf eines Bekannten des Mandanten.

    • Ja, habe ich: Zwischen der Verhaftung und dem Anruf lagen mehrere lange Tage. Und haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie lang ein Tag in einem – sagen wir mal – südamerikanischen Gefängnis ist? Für den Gefangenen, meine ich. Nicht für den bayerischen Staatsanwalt. crh
  2. 2
    Stefan says:

    Wenn schon das Kammergericht meint: „Die Nichteinhaltung der Höchstfrist des § 118 Abs. 5 StPO führt grundsätzlich nicht zu einer Aufhebung des Haftbefehls oder der Freilassung des Angeklagten.“, dann sehe ich für bayerische Gerichte wenig Chancen. :)

  3. 3
    schneidermeister says:

    Dass man mit dem Verteidiger mal telefonisch die Möglichkeit einer Selbststellung erörtert, dürfte jetzt nicht gleich dazu führen, dass die Fahndung eingestellt wird. Zumal sich gerüchteweise ja auch manch ein Mandant nicht unbedingt dem anwaltlichen Rat anschließt.

    • Es geht nicht um die Aufhebung/Außervollzugsetzung des Haftbefehls, sondern um die Information des Verteidigers, das der (internationale)Haftbefehl vollstreckt wurde. crh

    Mit der Fairness-Frage hat das weniger zu tun, abgesehen davon, dass der Mandant ja einer vereinfachten Auslieferung zustimmen kann.

    • Eben! Darum (und um anderes) geht es doch. Der Mandant muß doch die Möglichkeit haben, sich auch darüber von einem Verteidiger beraten zu lassen. Jederzeit, § 137 I 1 StPO. crh

    Weil es gerade um Bayern geht: gestern war in der Süddeutschen Zeitung zu lesen, dass der Erpresser von Ottfried Fischer fast 3 Jahre lang in Auslieferungshaft in der Türkei saß, was dann nach dem Urteil hier gleich mal zu einer Haftentlassung führte, weil durch die harte Haft in der Türkei die Strafe mehr als abgesessen war. Offenbar sind aber die Knäste im Ausland nicht immer so hart, dass man eine Auslieferung nicht durch Rechtsmittel verhindern möchte.

  4. 4
    Ein Fragender says:

    Und wie genau soll eine mündliche Haftprüfung faktisch durchgeführt werden, wenn der Beschuldigte noch im Ausland in Auslieferungshaft sitzt (und ihm der Haftbefehl damit auch noch überhaupt nicht eröffnet wurde)?

    Im Übrigen: Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass in solchen Fällen der Verteidiger fast immer früher von der Festnahme erfährt als der Staatsanwalt. Nicht immer haben es die ausländischen Behörden es so brennend eilig, den Haftbefehlsvollzug auch mitzuteilen.

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    schneidermeister says:

    @Ein Fragender.
    Nachdem § 118 StPO voraussetzt , dass sich jemand in (deutscher) Untersuchungshaft (siehe § 117 Abs. 1 StPO) und nicht in Auslieferungshaft im Ausland befindet, ist das mit der Haftprüfung kein Problem. StPO-Haftprüfung und 2-Wochen-Frist werden erst ab Aufschlagen im Bundesgebiet relevant.