Monatsarchive: November 2014

Freundlicher älterer Herr

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Unbekannter Street Artist – Kottbusser Damm 6, Kreuzberg SO36.

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Tupperparty beim Bundesgerichtshof

dosWenn die Ermittlungsbehörden morgens früh in der Wohnung stehen, um nach Beweismitteln zu suchen, haben die Wohnungsinhaber in vielen Fällen wieder Platz in den Regalen.

Die Ermittler nehmen nämlich gern alles mit, was irgendwie danach aussehen könnte, daß es vielleicht unter Umständen irgendwann einmal nützlich sein könnte.

Und wenn dann das Verfahren nach langen Jahren rechtskräftig abgeschlossen ist, vergammelt das mitunter recht wertvolle Zeug in den Asservatenkammern. Eben weil es vergessen wurde. Von der Staatsanwaltschaft, vom Gericht und manchmal auch von den (ehemaligen) Besitzern.

In einem fränkischen Fall hat sich die Ehefrau noch recht gut daran erinnert, daß es da mal eine Tupperdose gegeben hat, die einen verhältnismäßig interessanten Inhalt hatte. Auf diesen Inhalt kam es ihr an. Der Justiz aber auch. Deswegen stritt man darum. Und über diesen Streit berichtet die Pressestelle des Bundesgerichtshofs in der Mitteilung Nr. 167/14 vom 14.11.2014:

Rückgabe von Beweismitteln nach Ende des Strafverfahrens

Der V. Zivilsenat [Hört! Hört! crh] des Bundesgerichtshofs hat sich heute mit der Frage befasst, an wen die Rückgabe von Beweismitteln zu erfolgen hat, die im Rahmen eines gegen einen Ehegatten gerichteten Strafverfahrens in der gemeinsamen Wohnung der Eheleute beschlagnahmt wurden.

Im Januar 2007 ließ die Staatsanwaltschaft im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den Ehemann der Klägerin wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz die Wohnung der Eheleute durchsuchen. Dabei wurden in der Küche – versteckt in einer Kunststoffdose – 42.300 € in bar gefunden. Das Geld wurde als Beweismittel sichergestellt, beschlagnahmt und auf ein Konto der Landesjustizkasse eingezahlt. Der Ehemann wurde zu einer Haftstrafe von dreizehn Jahren verurteilt. Dabei wurde der sogenannte Wertersatzverfall in Höhe von 30.500 € angeordnet. Die Staatsanwaltschaft erklärte hinsichtlich des sichergestellten Betrags die Aufrechnung mit den Verfahrenskosten des Strafverfahrens und dem Wertersatzverfall. Die Klägerin behauptet jedoch, nicht ihr Mann, sondern sie sei Eigentümerin des Geldes gewesen. Es habe sich um Arbeitslohn gehandelt, den sie in der Ehewohnung versteckt habe, weil sie aufgrund ihrer Lebensgeschichte kein Vertrauen zu Banken habe. Die Hälfte des Geldes hat die Klägerin zurückerhalten. Ihre Klage auf Zahlung der verbleibenden 21.150 € hat das Landgericht abgewiesen; die Berufung zum Oberlandesgericht war erfolglos. Das Oberlandesgericht hat nicht feststellen können, ob das Geld dem Ehemann oder der Ehefrau gehörte, war aber der Meinung, der Zahlungsanspruch gegen die Staatskasse könne aufgeteilt werden und die Klägerin habe den ihr zustehenden hälftigen Anteil bereits erhalten.

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil auf die Revision der Klägerin hin aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Dabei hat er sich von den folgenden Erwägungen leiten lassen:

Die Beschlagnahme endete mit Abschluss des Strafverfahrens. Das Geld muss zurückgegeben bzw. Wertersatz geleistet werden, weil es (nur) als mögliches Beweismittel beschlagnahmt wurde; weder ist in dem Strafurteil der Verfall angeordnet worden – was den Nachweis vorausgesetzt hätte, dass das Geld aus den Straftaten herrührte – noch ist eine Pfändung des Geldes aufgrund eines dinglichen Arrests nach der Strafprozessordnung erfolgt. Die Rückgabe nach dem Ende einer förmlichen Beschlagnahme zu Beweiszwecken stellt eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden dar. Nach dem Restitutionsgedanken muss der Zustand wiederhergestellt werden, der vor der Beschlagnahme bestand; daher muss der Gegenstand grundsätzlich an den letzten Gewahrsamsinhaber zurückgegeben werden. Zwar wird bei der gegen einen Ehegatten gerichteten Zwangsvollstreckung gemäß § 1362 BGB* zugunsten der Gläubiger vermutet, dass die im Besitz eines Ehegatten oder beider Ehegatten befindlichen beweglichen Sachen dem Schuldner gehören. Diese Bestimmung bezieht sich aber nicht auf eine strafprozessuale Beschlagnahme zu Beweiszwecken, weil es insoweit unerheblich ist, in wessen Eigentum das Beweismittel steht. Im Grundsatz ist es nicht die Aufgabe des Strafverfahrens, die Eigentums- und Besitzverhältnisse an Sachen, die für die Zwecke des Verfahrens vorübergehend in amtlichen Gewahrsam gebracht worden sind, unter den Beteiligten zu regeln. Danach wäre den Eheleuten der Mitgewahrsam – der im Zeitpunkt der Beschlagnahme bestand – wieder einzuräumen, wenn die Geldscheine noch vorhanden wären. Da das beschlagnahmte Bargeld auf ein Konto eingezahlt worden ist, haben sie nunmehr einen entsprechenden Zahlungsanspruch.

Weil der im Zeitpunkt der Beschlagnahme bestehende Zustand wiederherzustellen ist, kann der Schuldner nicht nach seinem Belieben an einen der Gläubiger leisten oder die Leistung aufteilen. Vielmehr kann auch die Zahlung nur an die Eheleute gemeinsam erfolgen. Die Aufteilung im Innenverhältnis ist allein deren Sache. Infolgedessen ist die Aufrechnung der Staatsanwaltschaft mit den nur von dem Ehemann geschuldeten Verfahrenskosten des Strafverfahrens und dem Wertersatzverfall erfolglos, weil es an der erforderlichen Gegenseitigkeit der Ansprüche fehlt.

Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden, weil die Klägerin bislang Zahlung an sich verlangt hat. Sie muss daher noch Gelegenheit erhalten, entweder Zahlung an sich und ihren Ehemann zu beantragen oder eine Erklärung ihres Ehemannes beizubringen, wonach dieser keine Ansprüche an dem Geld erhebt.

Eine schönes Urteil des 5. Zivilsenats (V ZR 90/13), das für die Verteidigung nach rechtskräftigem Abschluß vieler Strafverfahrens von nicht unerheblicher Bedeutung sein kann. In der Regel tatsächlich erst nach Rechtskraft; nicht, daß die Staatsanwaltschaft dann doch noch auf die Idee kommt, in ihrem Schlußvortrag die Anordnung des Verfalls zu beantragen. Diese recht komplizierten Maßnahmen mit ihrem intensiven Geruch nach Zivilrecht werden nämlich gern auch mal schlicht vergessen; aber hoffentlich nicht vom Verteidiger.

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Eine Alternative zu Silk Road und Görli

SchweizerKifferDas Schweizer Newsportal watson beschreibt, wie Drogenkonsumenten ihren Bedarf decken können, ohne sich den Gefahren im Görlitzer Park aussetzen oder in die tiefen des Darknet’s eintauchen zu müssen.

So genannte „Freche Drogenhändler“ aus der Schweiz bieten dem Bericht zufolge «sauberes Crystal Meth» und «reinstes kolumbianisches» Kokain auf einer frei zugänglichen Website an.

Produkte aus der Oase hatten schon immer einen guten Ruf, wie die drei gut gekleideten Kiffer, die ihren Namen lieber nicht im Weblog eines Strafverteidigers lesen möchten, bestätigten.

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… runter wie Öl

Nach extrem anstrengenden anderhalb Tagen mit frustierenden Erlebnissen und sehr schwierigen Gesprächspartnern traf hier soeben die eMail eines anderen Mandanten ein:

HERZLICHEN DANK AN DIESER STELLE FÜR IHREN PROFESSIONELLEN EINSATZ UND VOR ALLEM DER DAMIT VERBUNDENEN MENSCHLICHEN UND SYMPHATISCHEN ART !!!!!

Jetzt mache ich mir erstmal einen Caffè und genieße den Augenblick. Vielen Dank, lieber Mandant!

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Huch, ein Haftbefehl! Und jetzt?

Die Hauptverhandlung mußte nach ein paar Terminen ausgesetzt werden, woran d. Angeklagte nicht ganz „unschuldig“ war.

Zur Vorbereitung des zweiten Durchgangs hatte ich (ergänzende) Akteneinsicht beantragt, die mir auch relativ kurzfristig gewährt wurde. In der Akte, die mir das Gericht zur Verfügung gestellt hat, fand sich ein häßlicher roter Zettel, der dort eigentlich nicht reingehört:

Haftbefehl

Das ist in den fast zwei Jahrzehnten, in denen ich als Strafverteidiger unterwegs bin, erst das zweite Mal, daß ich einen Haftbefehl in der Akte vorfinde, bevor dieser vollstreckt wurde. In der Regel werden die Rotzettel (mit einem z!) ausgeheftet, bevor die Akte dem Verteidiger zur Einsicht gegeben wird. Wenn er sie vor der Vollstreckung überhaupt bekommt.

Tja, und jetzt? Was macht der Strafverteidiger – als Organ der Rechtspflege (!) – mit dieser versehentlich übermittelten, höchst unfreundlichen Information?

Der Haftbefehl als Zufallsfund - Und jetzt?


     

 

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Es kann geraten und kommentiert werden.

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Morgenstund …

Das Bild wäre ziemlich genau um 5:30 Uhr das erste Mal auf dem Display zu lesen gewesen:

2014-10-13 06.37.38

… wenn da jemand schon wach gewesen wäre.

Ich bleib dann mal liegen; der Uhrmacher öffnet erst um 10 Uhr. Morgen klingelt ein Analogwecker mit mechanischem Antrieb und Glocke. #Dreckselektronik

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eAkten in Potsdam – doch schon in 2024 ?

Die Bundesrechtsanwaltskammer proudly presents:

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat Ende September den neuen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen (PDF) an die Verbände zur Stellungnahme übersandt. […]

In der geplanten Neuregelung ist vorgesehen, dass Straf- und Ermittlungsakten künftig elektronisch angelegt und geführt werden.

Na, das sind doch mal gute Nachrichten. Sogar an die Brandenburger Staatsanwaltschaften haben die Bundesjustizministeriellen gedacht:

Allerdings ist ebenfalls eine Öffnungsklausel vorgesehen, die den Ländern bis 2024 eine schrittweise Einführung gestattet.

Nach den hier vorliegenden und gesicherten Erkenntnissen rechnet das BMJV allerdings bereits jetzt schon mit Fristverlängerungsanträgen seitens der Potsdamer Staatsanwaltschaft.

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Digitale Aktensicht in 1.360 Jahren

Ich habe eine ganze Menge zu meckern, in dem Verfahren, das die Staatsanwaltschaft Augsburg gegen meinen Mandanten führt. Aber die Rechte der Verteidigung werden dort nicht nur respektiert, sondern – in gewissen Grenzen – auch erheblich gefördert.

Gegen einen Haftbefehl habe ich Beschwerde eingelegt, die ich nur rudimentär begründen konnte. Für die weitere Begründung habe ich am 20.11.2014 per Fax um ergänzende Akteneinsicht gebeten. Keine 24 Stunden später erhalte ich dieses Fax aus der Fuggerstadt:

StA Augsburg

Das nenne ich mal flotte Installationsvoraussetzung für die Gewährung rechtlichen Gehörs. Besten Dank insoweit nach Bayerisch-Schwaben.

Diese Geschwindigkeit dürfte wohl an dem Alter (und die Erfahrung) von Augusta Vindelicorum liegen. Das bedeutet aber dann sicher auch, daß andere Städte, die erst im Mittelalter gegründet wurden, noch einen langen Weg vor sich haben. Wenn meine Vermutung zutrifft, dann dürfte es noch 1.360 Jahre(*) dauern, bis die Potsdamer Staatsanwaltschaft Akteneinsichten binnen Tagesfrist auf CD gewähren kann.


(*) Gründungsjahr Augsburgs: 15 v. Chr; 1345 n.Chr. erhielt Potsdam das Stadtrecht

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Akteneinsicht – die Hoffnung stirbt zuletzt

297450_web_R_K_B_by_Jerzy_pixelio.deDas Gericht hat mir die Anklageschrift im Juli 2014 zugestellt. Damit begann für meinen Mandanten das Zwischenverfahren, in dem nicht mehr die Staatsanwaltschaft auf den Akten sitzt, sondern die Strafkammer.

Vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen mit der Aktenführung der Staatsanwaltschaft und dem Unvermögen, die Verteidigung mit den notwenigen Informationen zu versorgen, hatte ich die Hoffung: Es kann nur besser werden.

Diese Hoffnung habe ich am 4. September 2014 in einen Akteneinsichtsantrag gegossen, den ich an das Landgericht geschickt habe. Seitdem habe ich noch ein paar Mal an diesen Antrag erinnert. Nun steht der Start des Verfahrens fest: Am 5. Dezember 2014 soll es losgehen. Akteneinsicht hat mir das Gericht bisher noch nicht gewährt.

Jetzt aber hat es geklappt. Jedenfalls teilweise. Auf meine Bitte: „Ich will alles!“ bekam ich ebenso knapp die Antwort: „Sie kriegen aber nicht alles!“. Nun, diese Diskussion haben auch schon andere Verteidiger mit anderen Gerichten geführt, das sieht nun jedoch nach einer Fortsetzung beim 5. Senat aus.

Aber quasi als Vorschuß auf den § 147 StPO gewährt man mir Einsicht in 34 Bände der aus mehr als 100 Bänden (die genaue Anzahl werde ich hiermit ermitteln können) der Akte. Und weil das Gericht es sehr eilig hat – schließlich beginnt das Verfahren ja in 2 Wochen – müssen die geschätzt 14.000 Blatt auch schnell – binnen dreier Tage – wieder zurück zum Gericht:

Akteneinsicht für 3 Tage

Das sieht irgendwie nicht danach aus, als wenn das Gericht darauf aus ist, einen konfliktfreien Start in eine entspannte und umfangreiche Beweisaufnahme zu planen.

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Bild: Jerzy / pixelio.de

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