Kopftuchanwältinnen vor Gericht

Kleine Anfrage zu Kopftuchanwältinnen Im Abgeordnetenhaus von Berlin ging am 18. September 2013 die Kleine Anfrage von Herrn Dirk Behrendt (GRÜNE) ein. Er wollte wissen:

Ist dem Senat bekannt, dass es in Berliner Gerichtsesälen zu Zurückweisungen von Anwältinnen mit Kopftuch kam? Seit wann besteht die Kenntnis?

Herr Thomas Heilmann (CDU), der Berliner Justizsenator, antwortete ihm im Namen des Senats:

Dem Senat sind vier Fälle bekannt, in denen es in der beschriebenen Konstellation zu einem Konflikt gekommen ist. Vom ersten Fall erhielt die für Justiz zuständige Senatsverwaltung Kenntnis im Februar 2011, vom zweiten Fall im Oktober 2012, vom dritten Fall und vierten Fall im April 2013.

Quelle: Text der Kleinen Anfrage

Ich erinnere mich an einen Haftprüfungstermin vor dem Amtsgericht Köln. Die (mutmaßlich katholische) Richterin trug ein etwa 5 cm großes Holzkreuz deutlich sichtbar um den Hals. Das Schöffengericht, das über das Ablehnungssgesuch entschieden hatte, fand das völlig in Ordnung.

Schließlich stellt auch das von der Richterin getragene Kreuz keinen Ablehnungsgrund dar. […] Anhaltspunkte dafür, dass die Richterin dem Beschuldigten oder seinem Verteidiger gegenüber ihre religiöse Überzeugung bekunden wollte, sind nicht ersichtlich.

Quelle: AG Köln Schöffengericht, Beschluss vom 15.12.2009, 612 AR 411/09.

Die Haftrichterin hatte in ihrer dienstlichen Stellungnahme seinerzeit geäußert:

Auf die Tatsache, dass ich ein Kreuz bei der HP getragen habe, möchte ich lediglich sagen, Köln ist nicht Berlin.“

Da hatte sie Recht: Quod licet Richterin, non licet Rechtsanwältin.

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11 Antworten auf Kopftuchanwältinnen vor Gericht

  1. 1

    Fast nicht ernst gemeinte Gegenrede:

    Bisher hast Du Deinen Hut in den Verhandlungen aber immer abgesetzt.

    duw

  2. 2
    Bert Grönheim says:

    Hat die Anfrage „Der Grünen“ dann irgendwelche Konsequenzen gehabt? Ist das Thema auch ausserhalb von Berlin aufgekommen? Ich bin für komplette religiöse Neutralität im Gerichtssaal.

  3. 3
    Caron says:

    In unserer Kultur ist es fast ausnahmslos nicht üblich und mit Schamgefühlen verbunden, nackt durch die Gegend zu laufen. Natürlich ist das auch nicht, wie man an vielen anderen Kulturen – z.B. Altgriechen oder indigenen Völkern – sieht.
    Wanderte ich nun nach Sparta aus und wollte Sportlehrer werden … würde ich dann darauf beharren meine Jogginghose im Gymnasion anzubehalten? Würde ich mich wundern, wenn die Leute Vorbehalte hätten, weil ich meine merkwürdige Körperfeindlichkeit in die Öffentlichkeit trage? Ich denke nicht.
    Der Gerichtssaal ist nun gewöhnlich weitgehend gefüllt mit mehr oder weniger gefestigten Persönlichkeiten und man kann sich darüber streiten, ob dort das Kopftuch schaden anrichtet. In der Schule finde ich die Antwort aber recht klar.

  4. 4
    T.H., RiAG says:

    Wenn sie in Bayern die Kreuze hängen lassen, kann man anderswo auch Kopftücher zulassen. Konsequenter wäre es allerdings, religiöse Symbole generell aus den doch recht weltlichen Gerichten zu verbannen. Realistisch scheint mir das aber nicht zu sein…

  5. 5
    Caron says:

    @T.H., RiAG

    Solange der Humanistische Verband nur ein paar zehntausend Mitglieder hat (mich eingeschlossen), muss man sich nicht wundern, dass es aus der Richtung keine Stimmen mit demografischem Druck gibt.

  6. 6
    Staatsanwalt says:

    @ T.H. RiAG

    Volle Zustimmung meinerseits!

  7. 7
    asta says:

    Ein Ablehnungsgesuch wg. Holzkreuz, weil der Beschuldigte eine andere Religion hat? Christen verfolgen schon seit geraumer Zeit keine Andersgläubigen mehr. Andersrum wird schon eher ein Schuh draus… Von wegen objektive Anhaltspunkte und so…

  8. 8
    alter Jakob says:

    @asta: Und an Ihrem Post sieht man schön, dass mutmaßliche Christen auch gar keine Vorurteile gegenüber Andersgläubigen haben, gell?

  9. 9
    T.H.,RiAG says:

    Vielleicht war damals ja Kardinal Meisner der Geschädigte…. ;-)

  10. 10

    Eine gute Zeit, um ein frisch kopiertes Zitat anzubringen:

    Um stets zu wissen, mit wem er es zu tun hat, erteilte der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. im Jahr 1726 folgende Anweisung:

    „Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, dass die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man die Spitzbuben schon von weitem erkennt.“

    Keiner rebellierte oder revoltierte. Bis heute.

  11. 11
    AF says:

    @Arne – das ist ein vielfach missverstandenes Zitat. Die Kleidung soll zur Unterscheidung der vor Gericht auftretenden Gruppen führen … Advokaten und Spitzbuben. Die Juristen sollen „Uniform“ tragen, damit man die Spitzbuben – das nicht tun – schon von weitem erkennt.
    Ich kann das Missverständnis gut nachvollziehen … wie war das mit dem Juristen auf dem Grund des Meeres als guter Anfang?
    ;-)