Die GroKo und der Angelschein

AngelnverbotenNun ist die Große Koalition ja vorläufig fertig mit ihrem großen Werk. Jedenfalls ist es dieser #GroKo gelungen, einen Vertragsentwurf ziemlich einigermaßen fertig zu stellen. Und der enthält einige für das Law-und-Order-Volk ganz toll klingende Regelungen. So zum Beispiel die Verhängung von Fahrverboten auch bei Delikten, die keinerlei Bezug zum Straßenverkehr haben.

Das ist eine uralte (populistische) Forderung, die aus guten Gründen jedes Mal, wenn sie erhoben wurde, auch stillschweigend und zügig wieder beerdigt wurde.

Dieses Fahrverbot, das eigenständig neben Geld- und Freiheitsstrafe bestehen soll, möge nach dem Willen dieser Populisten auf solche Menschen einwirken, die eine „Geldstrafe nicht spüren“. Was immer das auch heißen mag.

Spürbar ist das meiner Meinung nach aber nur für den ganz empfindlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Strafrechtliche Sanktionen müssen von ihrer Art her geeignet sein, jeden Bürger in gleicher Weise zu treffen. Ob jemand eine Fahrerlaubnis hat oder nicht, ist sein Privatvergnügen. Unsere Rechtsordnung kennt es einfach nicht, dass dem Verurteilten eine bestimmte Form des beruflichen oder privaten Zeitvertreibs begrenzt wird. Sanktionen, die nur in Abhängigkeit vom Lebensstil des Beschuldigten verhängt werden können, gibt es nicht. Zumindest dann nicht, wenn zwischen Tat und Zeitvertreib keinerlei Zusammenhang besteht.

Was käme denn sonst als nächstes? Kinoverbote? Kein Schwimmbad für drei Monate? Facebook-Verbot (oder noch besser: Zwangspostings wie: „Ich habe gestohlen“)? Was ist eigentlich mit dem Angelschein?

Die Idee der personalisierten Strafe ist allenfalls unter dem Erziehungsgedanken im Jugendstrafrecht denkbar. Für Erwachsene ist das einfach überflüssig. Das Strafmaß hat sich an der Schuld des Beschuldigten zu orientieren. Welchen Einfluss hat die Frage, ob eine Fahrerlaubnis vorhanden ist, auf das Maß der Schuld?

Für diese Populisten, die uns irgendwann – wenn sie sich dann endlich mal geeinigt haben – regieren wollen, scheinen die Hintergedanken des Strafrechts völlig fremd zu sein: Die Resozialisierung tritt zugunsten eines Rachegedankens völlig in den Hintergrund. Offenbar haben die Alttestamentarier, die sich künftig auf der Regierungsbank herumlümmeln, es nicht verstanden, worum es mittlerweile im modernen Strafrecht geht. Ich bin sicher, dass diesem unsinnigen Treiben von denjenigen, die etwas davon verstehen, Einhalt geboten wird.

Bildquellenangabe: nimkenja / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Kanzlei Hoenig Info, Politisches, Strafrecht, Verkehrs-Strafrecht veröffentlicht.

8 Antworten auf Die GroKo und der Angelschein

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    ATler says:

    Sehr geehrte Herr Glienke,

    ich bitte um eine Einstellung der Diffamierung des Alten Testamentes: Es ist mitnichten ein Buch der Rache, wie sie es andeuten. Sondern es geht im Alten Testament vielmehr um einen konstruktiven Ausgleich zwischen den Parteien. Das Sprichwort „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ wird besser in der Richtung verstanden, dass es darum geht, nicht durch einen Rechtsbruch einen (wirtschaftlichen) Vorteil zu bekommen. Hat ein Bauer einem anderen ein Auge ausgeschlagen (etc.), steht das Opfer vor wirtschaftlichen und damit existentiellen Problemen. Durch das Urteil soll vermieden werden, dass der Täter durch seine Tat einen Vorteil (er ist noch voll arbeitsfähig) erlangen kann. Nicht die Rache ist der treibende Gedanken! Überhaupt ist es spannend, dort zu sehen, wie versucht wird, in Konfliktfällen auf diesen Ausgleich der Ungleichheiten (hervorgerufen durch bestimmte Taten) geachtet wird. Soviel als Wort zum Freitag :-)

  2. 2

    […] Passus mit dem Führerscheinentzug bei Straftaten, die nicht mit dem Verkehr in Verbindung stehen, macht sich Tobias Glienke aus der Kanzlei Hoenig. Und ich schließe mich seiner Meinung an: es ist schon eine ziemliche Frechheit, Leuten eine […]

  3. 3

    Ich vermute ja, daß das Fahrverbot in Deutschland agierende NSA-Agenten abschrecken soll. Damit wird die Grundlage geschaffen, daß Deutschland mit den USA das No-Spy-Abkommen nun auf Augenhöhe verhandeln kann.

    Auch ansonsten finde ich diesen Koalitionsvertrag kaum gelungen: http://mosereien.wordpress.com/2013/11/29/koalitionsvertrag/

  4. 4
    Caron says:

    @ATler
    Stimmt, ausgleich zwischen Parteien … homosexuellen Paaren oder Leuten, am Sabbath einen Finger rühren, und dem Dorf, das sie hinrichten soll, z.B. Sklaven aus benachbarten Nationen und ihren Herren. Und natürlich zwischen dem Vater, der seine Tochter zu Tode vergewaltigen ließ, um einen Gast zu schützen und den12 Stämmen.
    Das kann man alles historisch sehen. Dann muss man aber 1. völlig Abstand davon nehmen, dass irgendeine höhere Wahrheit dahinter steckt und 2. einsehen, dass es selbst für die Zeit noch nicht besonders fortschrittlich ist verglichen mit anderen Hochkulturen, beginnend mit dem Codex Hammurapi.
    Diffamieren kann man diesen Text angesichts der Tatsache, dass sich heute noch Leute darauf berufen, jedenfalls gar nicht genug.

    Zum Thema: Ich sehe da keinen Rachegedanken. Ich kann mir niemanden vorstellen, dem Unricht geschieht und der seine Genugtuung unbedingt darüber erfahren will, dass jemand anderes zu Fuß geht. Dass die Intention hier Abschreckung ist, daran zweifle ich nicht besonders.
    Man kann für die Abwägung zwischen Abschreckung und Resozialisierung unterschiedlicher Meinung sein (ich bin Verfechter der persönlichen Verantwortung: Der Täter hätte es lassen können und mir ist es lieber, wenn etwas gar nicht passiert, als dass danach dem Täter besser „geholfen“ wird) – aber ein niederer Beweggrund ist es sicher nicht.

  5. 5
    Non Nomen says:

    Die beabsichtigte Einschränkung der persönlichen Mobilität hat natürlich auch einen politischen Hintergrund. Die politische Justiz hätte es mit diesem Mittesl in der Hand, in vergleichbaren Fällen wie den Blockadesitzern von Mutlangen und den Schotterern des Wendlandes die Teilnahme an politischen Kundgebungen erheblich zu erschweren. Der Hamburger Kessel in anderem Gewande! Und unsere politische Justiz ist zu allem fähig.

  6. 6
    ct says:

    „Welchen Einfluss hat die Frage, ob eine Fahrerlaubnis vorhanden ist, auf das Maß der Schuld?“

    Welchen Einfluss hat die Frage, wie hoch das monatliche Einkommen ist, auf das Maß der Schuld?

    Und dennoch ist an der Verhängung von Geldstrafen nach Tagessätzen, die anhand der persönlichen Einkommensverhältnisse bestimmt werden, nicht zu beanstanden.

    Schon zu oft habe ich jugendliche Straftäter erlebt, die direkt nach ihrer Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe noch auf dem Flur des Gerichtsgebäudes mit einem „Freispruch“ angegeben haben. Das dürfte so einiges mit fehlender Spürbarkeit zu tun haben…

    Ob das Fahrverbot da jetzt der richtige Weg ist, sei mal dahingestellt. Das Allheilmittel ist es sicherlich nicht.

    Verfassungsrechtich halte ich das allerdings für völlig unbedenklich, wenn eine taugliche gesetzliche Grundlage geschaffen wird. Die „Ungleichbehandlung“ zwischen Inhabern und Nicht-Inhabern von Führerscheinen müsste dabei durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt werden, der aber gerade in der Geeignetheit der Maßnahme für den konkreten Fall bestehen könnte.

  7. 7

    Komisch, daß das alt-testamentarische lex talionis immer nur bei Körperverletzung oder Tötungsdelikten bemüht wird, aber nicht bei Vergewaltigung, Brandstiftung oder Spionage.

  8. 8
    ATler says:

    Nur ein nachträglicher Kommentar,

    ausdrücklich off-Topic!

    @Caron: „Das kann man alles historisch sehen.“
    Das ist mir zuwenig, denn m.E. muss man dies historisch und kontextuell sehen. Es bedeutet, dass man sich damit auseinandersetzen muss. Dies ist aber ein allzeit gültiges hermeneutisches Prinzip, und nicht nur auf biblische, religiöse oder wie auch immer geartete Text (zwingend?) anwendbar. Die spannende Frage, die hinter jeder Auslegung steckt, ist die in Wort gegossene Intenion. Bin zwar kein Jurist, aber ich nehme an, dies ist auch in der Rechtspflege ein wichtiger und immer aktueller Vorgang (wovon ich Abstand nehme, ist ein wortwörtliches Verständnis). Der Wikipediaartikel über das Thema ist zurecht ein ausgezeichneter Artikel (und vergleicht bzw. sieht den CH als einen Vorläufer des biblischen Gesetzes).
    „Diffamieren kann man diesen Text angesichts der Tatsache, dass sich heute noch Leute darauf berufen, jedenfalls gar nicht genug.“ Wie gesagt, nicht der Text ist das Problem, sondern die Frage der (fundamentalistischen) Auslegung und dem Weltverständnis einiger Menschen. Der Begriff „Diffamierung“ zeigt aber auch an, dass es anscheinend nicht um eine richtige Auseinandersetzung mit den Texten geht, sondern um die Verfestigung einer Meinung.
    @Moser: ist so nicht 100% korrekt, aber natürlcih stimmt es, wenn versucht wird, es auf das gesamte AT anzuwenden. Aber es ist nicht komisch, sondern gehört zu dem komplexen und langwierigen Entstehungsprozess des ATs dazu. Es gibt vieles, auch äußerst wiedersprüchliches in der Bibel.
    Ich finde es nur schade, wenn die Diffamierung der Texte der hebräischen Bibel zur Untermauerung von Klischees dienen – anstatt darauf zu schauen, ob es wirklich der Wahrheit entspricht. Da ist es mit einem kurzen Verweis nicht getan – aber wenn es der Sache dient – ach nee, eigentlich ja nicht.