Centnerweise Zahlungen

Irgendwie hatten sich der Rechtsanwalt Rudolf Redlich und sein Mandant Wilhelm Brause nicht mehr so richtig lieb. Die beiden hatten unterschiedliche Vorstellungen über die Höhe der von Brause an Redlich zu zahlenden Vergütung.

Runde 1: Gericht
Da man sich nicht einigen konnte, nahm der Rechtsanwalt Redlich erst die Hilfe seines Kollegen, Rechtsanwalt Pius Postulationis, und der dann die eines Richters in Anspruch. Am Ende entschied der Richter, der Brause müsse noch 150 Euro an den Redlich zahlen.

Runde 2: Trotzphase
Zornig teilte Brause dem Redlich mit, er habe keinen Anspruch auf Überweisung des Betrages, sondern nur auf Barzahlung. Und er werde die Zahlung nicht an ihn – SIE WILL ICH NIE WIEDER SEHEN! – sondern nur an Rechtsanwalt Pius Postulationis zahlen. Das war dem Redlich Wurscht, Hauptsache, Brause zahlt jetzt überhaupt.

Runde 3: Münztransporter
Ein paar Tage später erschien Brause bei Postulationis mit einer schweren, klappernden Blechbüchse. Die 150 Euro waren da drin; in Münzen. Die beiden größten Münzen waren 2 Euro-Stücke, ein paarmal 1 Euro am Stück, die meisten aus Kupfer. Pius Postulationis konnte dem Wilhelm noch schnell mitteilen, daß er das Metall nicht haben wollte. Brause reagierte nicht, verließ die Kanzlei und die Büchse blieb auf dem Counter stehen.

Runde 4: Pfänder
Der Zirkus ging dann also in die vierte Runde – die Zwangsvollstreckung. Brause jaulte auf, als ihm Gottfried Gluffke, sein Arbeitgeber, mitteilte, daß er soeben über eine unmittelbar bevorstehende Lohn- und Gehaltspfändung informiert wurde.

Die Zahlung mit dem Blech war nämlich nicht geeignet, die Forderung des Redlich auszugleichen. Gluffke, der alte Fuchs, kannte nämlich eine Dunkelnorm, die er dem Brause auf seinen Arbeitsplatz legte: Die

VERORDNUNG (EG) Nr. 974/98 DES RATES vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro

EG-Verordnung

So ähnlich formuliert hat das auch unser freundlicher Gesetzgeber in Nationales Recht gegossen: § 3 Münzgesetz.

Runde 5: Dauergenerve
Brause muß die Büchse also wieder abholen und entweder „vernünftiges“ Bargeld mitbringen oder überweisen. Brause entschied sich erst einmal fürs Abholen. Und da er nun auch diesen Rechtsanwalt Pius Postulationis nicht mehr lieb hatte, wollte er ihm noch eins mitgeben: Er richtete einen Dauerauftrag über 1 Euro ein, zahlbar über 150 Monate, jeweils am Ersten.

Runde 6: Gehobene Rechnung
Bereits nach der ersten Teil-Zahlung erhielt Brause von Postulationis eine Rechnung, über die angefallene „Hebegebühr“.

Hebegebühren gem. RVG VV Nr.1009
Hebegebühren fallen an, wenn der Rechtsanwalt Zahlungen für den Mandanten entgegennimmt und diese dann an den Mandanten auskehrt. Mit den Hebegebühren sollen die Kosten abgedeckt werden, die der Rechtsanwalt durch Tätigung der Überweisungen und für zusätzliche Sorgfaltspflichten hat. Für jeden Auszahlungsbetrag fallen die Kosten gesondert an.

Quelle: Rechtsanwaltsgebühren.de

Die Rechnung von Rechtsanwalt Postulationis an Brause lautete also:

(Mindest-)Hebegebühr für die Zahlung von 1 Euro: 1,00 Euro, zuzüglich Umsatzsteuer 19 Cent, macht insgesamt 1,19 Euro.

Runde 7: Schnappatmung
Es hat noch ein, zwei Tage gedauert, bis der Adrenalinspiegel von Brause wieder soweit gesunken war, daß er imstande war, den nun noch offenen Gesamt-Betrag von 150,19 Euro zur Anweisung direkt an Rechtsanwalt Redlich zu bringen.

Endrunde
Bei einem leckeren Abendessen, gemeinsam mit den jeweiligen Gattinen, entschieden sich die Kollegen Redlich und Postulationis nach dem dritten mit gutem Wein begleiteten Gang, auf die Geltendmachung von Verzugszinsen zu verzichten.

Besten Dank an den Rechtsanwalt Malte Dedden, Kehl, für die Anregung zu diesem Beitrag und die Aufdeckung dieser Dunkelnomen.

Dieser Beitrag wurde unter Mandanten, Rechtsanwälte veröffentlicht.

19 Antworten auf Centnerweise Zahlungen

  1. 1
    tobias says:

    Grosses Kino. Vielen Dank dafür am frühen Morgen.

  2. 2

    Ganz großes Kino, aber hallo!

  3. 3
    tapirat@web.de says:

    Das ist ziemlich lustig.
    Ich hoffe aber für die betroffenen Anwälte, dass ein derartiges Verhalten von Mandantenseite eine Ausnahme darstellt. Ansonsten könnten erstere mit Sicherheit nicht mehr so herzlich darüber lachen wie ich.

  4. 4
    Wolfgang says:

    In dem §3 Münzgesetz geht es aber um Euro-Gedenkmünzen. Die 50 Stück Grenze gilt doch nur wenn Euromünzen und Gedenkmünzen gemischt sind, oder?

  5. 5
    RB says:

    Können denn die Hebegebühren auf den Schuldner umgelegt werden? Ich meine mich zu erinnern, dass diese stets vom Mandanten zu tragen sind.

  6. 6
    Regina.W says:

    @Wolfgang und @RB: Nicht weitersagen!
    Wunderbare Geschichte zum Wochenbeginn! Danke!!!

  7. 7
    Johannes says:

    Überaus unsouveräne Reaktion der beteiligten Anwälte. Azubi bringt Kleingeld zur Bank, da wird es in den Münzzähler geschmissen, und gut is.

    • Ich vertrete nicht die Ansicht, daß „Blechbüchsen durch die Gegend tragen“ nicht Gegenstand einer qualifizierten Ausbildung sein sollte. Von der Respektlosigkeit gegenüber einem Azubi mal abgesehen. Finden Sie nicht? crh
  8. 8
    RA Ullrich says:

    @ RB: Normalerweise ist die Hebegebühr vom eigenen Mandanten zu zahlen, da die Einschaltung des Anwalts als Zahlungsempfänger regelmäßig nicht zu den erforderlichen Kosten der Rechtsverfolgung gehört (der Anwalt könnte ja auch auffordern, direkt an den Gläubiger zu überweisen). Wenn jedoch wie hier der Schuldner selbst darauf besteht, ausschließlich an den Anwalt des Gläubigers leisten zu wollen, dann muss er das auch bezahlen.

  9. 9
    ct says:

    Allerdings hat der Schuldner ja kein Recht darauf, an den Rechtsanwalt zu leisten. Dieser könnte jegliche Zahlung schlicht mit dem Verweis darauf, dass er nicht zahlungsempfangsbevollmächtigt ist, zurückweisen. In diesem Fall müsste sich der Schuldner wohl ober übel an seinen Titelgläubiger halten.

  10. 10
    BV says:

    Das mit der Hebegebühr ist ein netter Gag, den ich mir aber, glaube ich, gespart hätte. Einfach die Lohnpfändung weiterlaufen lassen. Aufgedrängte Ratenzahlungen muss der Gläubiger natürlich nicht akzeptieren.

  11. 11
    Ericson says:

    Spitze.

  12. 12

    […] Ansonsten ein toller Post auf dem Blog eines Strafverteidigers. Da hat wohl jemand (vermutlich ein Lehrer) zu sehr an den Hoax geglaubt, dass X an Y (meist Samsung an Apple) ihre Millionenschuld per Cent-Münzen gezahlt hat: http://www.kanzlei-hoenig.de/2013/centnerweise-zahlungen/ […]

  13. 13
    John Doe says:

    @Wolfgang

    @ Regina.W

    Die Regelung des deutschen MünzG ist insofern schnuppe, als die VO (EG) 974/98 noch immer in Kraft ist und deren Art. 11 S. 3 die Annahmepflicht auf 50 Münzen begrenzt, egal, ob Sammelmünze oder nicht.

  14. 14
    Ingo says:

    @Johannes:

    Bei weitem nicht jede Bank hat aber Münzzähler. Teilweise (insbesondere wenn man auf dem Land wohnt) muss man erst einmal eine halbe Stunde fahren, bevor man eine Bank (und noch dazu keine Fremdbank, sonst werden weitere Gebühren fällig) gefunden hat, die einen solchen Automaten vorhält.

    Im Übrigen stimme ich zu, soweit das Zitat von § 3 MünzG kritisiert wurde. Die Norm ist für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Vielmehr richtig wäre in der Tat die Anwendung der EG-VO, die unmittelbar anwendbar ist.

    Und wer die nicht gefunden hätte, hätte sich auch mit § 242 BGB helfen können, da Zahlungen mit nicht handelsüblichen Münzmengen gegen Treu und Glauben verstoßen.

  15. 15
    RA Gerold says:

    Unter älteren Kollegen wird gerne die Geschichte erzählt, man habe schon einmal eine hohe Geldschuld eines Mandanten in 5-Euro (bzw. DM-)-Scheinen getilgt, indem man mit einem Koffer voller Kleinscheine beim Prozeßbevollmächtigten des Gegners aufgetaucht sei, und Freitag-Nachmittag Erfüllung angeboten habe.

    Ich halte diese Anekdote ja für eine Variante der Vogelspinne in der Yucca-Palme. Aber die dahinterstehende Frage ist natürlich: kann man die Annahme einer so als Erfüllung angebotenen Leistung ohne Rechtsnachteile verweigern?

  16. 16
    le D says:

    Ich habe die von RA Gerold erwähnte Variante fast einmal mitgemacht: Gegen den Mdt war durch ~20 Titel eine fast 6stellige Summe tituliert und in der Zwangsvollstreckung.

    Ich habe von ihm an einem Donnerstag Mittag eine Tasche mit 6 stelligem Inhalt erhalten (in 50ern.. :-/). Ich habe mich dann mit dem zuständigen Gerichtsvollzieher verabredet und wir haben – beginnend um 19:00 Uhr – beinahe vier Stunden lang Geld gezählt, Quittungen ausgestellt und die Titel der Reihe nach abgearbeitet. Mit dem Großteil des Geldes ist der Gerichtsvollzieher dann abgezogen und ich mit dem kleinen Restbetrag. Die kleine Überzahlung kam dann per Überweisung vom GV zurück…

  17. 17
    Pascal says:

    Siehe auch:

    Über eine Milliarde Dollar Schadenersatz soll Samsung wegen Patentverletzungen an Apple zahlen. Hinnehmen wollen das die Südkoreaner nicht. Im Netz machen sich schon Websites Gedanken, wie sie sich rächen könnten.

    Quelle: Focus

  18. 18
    Oliver says:

    Warum war in Runde 4 Gluffke der Fuchs? Von crh ist dort sicher der Postulationis gemeint ;)

  19. 19

    […] DIe Frage, ob man denn beispielsweise in einem Laden mit gaaaaanz viel Kleingeld bezahlen kann, wird ja immer wieder mal gestellt. Die einen sagen/denken, klar, das ist doch gesetzliches Zahlungsmittel. Wäre ja noch schöner, wenn der andere das nicht annehmen müsste. Andere sagen anderes, können es aber nicht belegen. Was nun stimmt? Nun, schaut euch die Geschichte drüben bei RA Hoenig an und schmunzelt ein wenig: “Centerweise Zahlungen“. […]