Jahresarchive: 2012

Der Strafverteidiger empfiehlt – 27

Heute:

Let‘ talk about drugs. 8-)

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Novemberwetter

Der Landwehrkanal. Kurz vor der November-Depression.

Landwehrkanal / Kottbusser Brücke

Bei diesem Wetter sehen sogar die Weiden traurig aus.

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Hells Bandido gepflückt

Ein Member der Bandidos MC Midtown stand im Verdacht, vor vier Monaten an der Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags auf ehemalige Bandidos beteiligt gewesen zu sein. Diese hatten das Colour gewechselt und tragen seitdem nun den rot-weißen Dead Head; und das wiederum stellte (damals jedenfalls noch) einen Verstoß gegen die gesellschaftlichen Konventionen der MC dar, der mittels Sprengstoff geahndet werden sollte.

Deswegen – also wegen des Sprengstoffs, der gefunden wurde, bevor er explodierte, nicht wegen des „Patch over“ – erstattete die Polizei ihm heute einen Hausbesuch.

Dieser Fat Mexican ist aber schon gar keiner mehr, sondern hat zwischenzeitlich ebenfalls die Farben gewechselt und ist nun auch Mitglied der Big Red Machine.

Außerdem war er nicht zu Hause, als das SEK bei ihm eintrudelte. Deswegen hat man bei ihm angeklopft, allerdings in der ureigenen Art und Weise, wie so ein Sondereinsatzkommando eben eine stahlbewehrte Tür üblicherweise beamtshandelt.

Irgendwann, gerade als die Beamten es sich in der Wohnung des ehemaligen Bandidos und aktuellen Hells Angel gemütlich gemacht hatten, kam dieser in den Flur und wurde quasi en passant gepflückt.

Da der Rocker nun auch ein paar Gegenstände bei sich trug, die das Waffen- und das Arzneimittelgesetz näher beschreibt, hatte der Haftrichter noch ein paar weitere Vorwürfe, die er in den Haftbefehl hinein formulieren konnte.

Ganz schön kompliziert, die Geschichte(n) der Rocker hier in Berlin. Ich bin auf die Beweisaufnahme in dem Gerichtsverfahren gespannt. Die wird auch nicht einfacher.

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Taxi statt Porsche

Für die Reparaturdauer von sechs Tagen mietete eine Firma nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall mit dem Firmenporsche ein entsprechendes Ersatzfahrzeug an, einen 911er Carrera in der Cabrioausführung. Die Mietgebühr inklusive 241 gefahrener Kilometer betrug insgesamt rund 1.800 Euro, wovon die Versicherung des Unfallgegners nur gut die Hälfte zahlte.

Nachdem das Amtsgericht Remscheid die Klage abgewiesen hatte, musste man sich dann auch noch vom Landgericht Wuppertal sagen lassen, dass die Anmietung „grob unwirtschaftlich“ gewesen sei. Grundsätzlich darf ein Geschädigter sich auf Kosten des Schädigers bzw. dessen Versicherung einen Mietwagen nehmen, aber doch bitte keinen so teuren. Da gäbe es schließlich andere Alternativen.

Bei einem Taxi-Tarif von 1,60 € pro Kilometer …, wäre es möglich gewesen, die Fahrtstrecken für geschätzte maximal 500 € zurück zu legen. Die geltend gemachten Mietwagenkosten sind mehr als dreimal so hoch. Berufliche, repräsentative, gesundheitliche oder sonstige Gründe, die der Inanspruchnahme eines Taxis entgegengestanden hätten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann das Mietfahrzeug nicht für Werbezwecke genutzt worden sein, da es eine auf die Geschädigte hinweisende Beschriftung nicht aufwies. Bei der Nutzung eines Taxis wären der Geschädigten sogar noch weitere Vorteile zugeflossen, nämlich einerseits die Ersparnis von Benzinkosten und andererseits der Vorteil, nicht selbst am Steuer sitzen zu müssen. Das im Mietfahrzeug vorhandene Telefon hätte im Taxi ohne weiteres durch ein (vermutlich ohnehin vorhandenes) Mobiltelefon ersetzt werden können. (LG Wuppertal, Urteil vom 24.04.2012, Az: 16 S 69/11)

Da hat es das Landgericht mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot aber sehr ernst genommen. Wir halten fest, ein Porsche ohne Beschriftung, dient weder Werbe- noch repräsentativen Zwecken. Statt mit dem teuer bezahlten Porsche Cabrio kann man als Chef auch schlicht und ergreifend mit einem Taxi zu Kundenbesuchen vorfahren, das ist bequem und macht sicher ganz großen Eindruck.

Einen Porsche mit sehr spezieller Beschriftung gibt es hier zu sehen.

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Eine erhaltungswürdige Kunst

Aus der Swisslawlist, einer Mailingliste aus der Oase:

Heute Morgen waren während etwa einer Stunde meine beiden PC unzugänglich (vor dem ein hockte der PC-Troubleshooter, vom anderen war das Passwort vergessen). Leichte Panik, weil heute eine noch unfertige Beschwerde abgehen muss.

Nichts blieb übrig als der Zugriff zu Textverarbeitungsinstrumenten und – techniken aus alten Zeiten: Kugelschreiber, Schere, Papier, Klebstreifen um den vorhandenen Text zu korrigieren und zu ergänzen, dann das Ganze zur Reinschrift an meine nette und effiziente Assistentin. Funktioniert auch so. Sich mit einfachen und oligotechnologischen Mitteln zu behelfen, ist eine erhaltungswürdige Kunst.

Con cordiali saluti

schreibt stilvollendet und zutreffend der von mir sehr geschätzte Kollege Avv. Roberto HAAB aus Lugano.

Es ist allein der Sprache wegen – aber auch wegen der anderen Rechtskultur – stets eine wohltuende Freude, den Austausch der Kollegen auf der Swisslawlist zu verfolgen.

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Der Alko-Tester

Ich bin mir sicher, daß der Beschuldigte auch die Belehrung nicht verstanden hat.

Na, wenigsten hatten die Jungs richtig Spaß dabei.

Video gefunden bei Martin Lang auf Facebook

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Nach einem Verkehrsunfall darf der Anwalt ran

Auch wenn nach einem Unfall klar ist, dass der Gegner komplett haftet und Schwierigkeiten bei der Regulierung eigentlich nicht zu erwarten sind, muss man sich nicht selbst mit der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung herumplagen.

Das in Berlin für Unfallstreitigkeiten zuständige Amtsgericht Mitte meint daher zu Recht, dass so eine Regulierung eines Unfallschaden keinesfalls eine „einfache Sache“ ist. Oder wissen Sie auf Anhieb, dass Sie sich einen Kfz-Sachverständigen aussuchen können und nicht den von der Versicherung vorgeschlagenen nehmen müssen, wann ein Totalschaden wirklich ein Totalschaden und was ein merkantiler Minderwert ist oder ob und in welcher Höhe Sie Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung haben?

„In Anbetracht der Vielzahl zu beachtender Rechtsfragen scheint auch bei einem Verkehrsunfall, wo die Haftungsfrage eindeutig ist, inzwischen ein einfach gelagerter Schadensfall kaum noch denkbar, da die Geltendmachung des Schadens als solche mit einer Vielzahl von Rechtsfragen verknüpft ist und damit keineswegs einfach ist. Dies gilt insbesondere, als die Versicherer auf dem Gebiet der Schadensabrechnung spezialisierte Mitarbeiter beschäftigen, so dass ein Geschädigter ohne rechtsanwaltliche Inanspruchnahme nicht einschätzen kann, ob er seinen Schaden zutreffend berechnet und geltend gemacht hat.“ (AG Mitte, Urteil vom 17.02.2009, Az: 3 C 3385/08)

Nach einem Verkehrsunfall darf und sollte man anwaltliche Hilfe gleich in Anspruch nehmen und nicht erst selbst „herum regulieren“, die Kosten hierfür hat im Rahmen der Haftung die Versicherung des Unfallgegners zu tragen.

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OLG Düsseldorf entspannt Verteidiger

Auch in Bußgeldsachen höhlen stete Tropfen die Steine, die den Verkehrsteilnehmern in die Wege gelegt werden.

Es hat ein paar Jahre gedauert, aber es ist nun kein Thema mehr: Der Betroffene kann nicht zum Erscheinen in der Verhandlung „gezwungen“ werden, wenn er sich gegen einen Bußgeldbescheid vor dem Gericht verteidigen will. Den Termin kann der Verteidiger im Alleingang für ihn erledigen.

Denn wenn die Fahrereigenschaft klar ist und wenn kein Beitrag zur Sachaufklärung zu erwarten ist, muss der Betroffene von seiner Pflicht zum Erscheinen entbunden werden. Das ärgert den einen oder anderen Richter, der glaubt, dass es (für ihn) von Vorteil ist, wenn er direkt auf den Betroffenen einwirken kann.

Problematisch konnte es bisher aber noch werden, wenn der Betroffene kommen wollte, es aber nicht schafft oder den Termin schlicht vergisst. Das trieb dem Verteidiger, der dann einsam vor dem Saal wartet, manchmal Tränen in die Augen.

Nun hat das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 2.2.2012, 2 RBs 13/12) klar gestellt, dass auch einem Antrag auf Entbindung von der „Erscheinenspflicht“ stattgegeben werden muss, wenn dieser erst nach Aufruf der Sache gestellt wurde.

So lassen sich einige Fälle elegant retten und der Vorwurf kann in der Sache verhandelt werden.

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Verbrauchende Beleidigung

Der klassische Freispruch ergeht, wenn dem Angeklagten die ihm zur Last gelegte Tat nicht nachgewiesen werden kann. Zum Beispiel, wenn er ein Alibi hat.

Es gibt weitere Möglichkeiten, die zu einer freundlichen Beendigung des Verfahrens vor dem Strafrichter führen müssen. Eine Variante ist der Strafklageverbrauch. Damit hatte sich das Oberlandesgericht Düsseldorf (Beschluss v. 20.03.2012 – III-3 RVs 28/12) beschäftigen müssen.

Gegenstand der rechtsrheinischen Entscheidung war ein Standardfall. Der Betroffene, also Wilhelm Brause, wurde von einem Polizeibeamten, Bulli Bullmann, gebührenpflichtig verwarnt, weil er – Brause – zu schnell gefahren war. Bullmann gab Brause einen entsprechenden Zettel.

Das gefiel Brause nun gar nicht, er belegte Bullmann mit ehrkränkenden (hier nicht zitierfähigen) Titeln und schmiss dabei den Zettel in die Gegend. Bullmann schrieb weitere Zettel, die Brause dann mit der Post bekam: Eine Strafanzeige wegen Beleidigung, die von einer Verunreinigung der Straße begleitete wurde – eine Straftat und eine Ordnungswidrigkeit.

Allerdings wurden daraus zwei Verfahren gemacht – wohl wegen der unterschiedlichen Zuständigkeiten. Das Verfahren wegen der Straßenverunreinigung lief zügiger und wurde vom Amtsgericht in der Hauptverhandlung eingestellt.

Mit dieser Verfahrenseinstellung war dann aber auch die Beleidigung erledigt, es war Strafklageverbrauch eingetreten.

Die bösen Worte und die Knolle fielen in einem Rutsch. Es handelt sich dabei um eine einzige Tat im prozessualen Sinn. Das Wegwerfen des Köllchens ist untrennbar mit der Beleidigung verbunden, sozusagen ein homogener Lebenssachverhalt.

Hat nun ein Richter abschließend über diese (eine) Tat entschieden, kann ein anderer Richter diese (selbe) Tat nicht noch einmal be- oder verurteilen, nur weil er sie jetzt aus einer anderen Richtung betrachtet. Das hat nun kein Strafverteidiger erfunden, sondern das steht im Gesetz: § 84 II OWiG.

Der Verteidiger muß in solchen Konstallationen nur darauf achten, daß das „billigere“ Verfahren schneller durch einen Richter beendet wird. Das heißt im vorliegenden Fall: Gas geben vor der Bußgeldbehörde wegen der Verunreinigung und gleichzeitig Bremsem bei der Staatsanwaltschaft wegen der Beleidigung.

In der Düsseldorfer Entscheidung ist Brause trotz begangener „Umweltverschmutzung“ und „Beamten-Beleidigung“ ohne gekrümmte Haare aus dem Verfahren gekommen. Clever gemacht !

Ausführlicher über diesen Fall berichtet Carsten Krumm im Beck-Blog.

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Staubige Schwerpunktabteilungen

Aus einer Ermittlungsakte:

Der Tatzeitraum im dortigen Verfahren umfasst den 9.01.2012 bis zum 12.02.2012. Im hiesigen Verfahren soll der Beschuldigte die Tat nach § 303b StGB im Zeitraum ab Mitte November 2009 begangen haben.

In zeitnaher Vollstreckung des hier am 01.09.2010 erwirkten Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts konnten mehrere Datenträger, darunter Festplatten, sichergestellt werden.

Die Auswertung der Datenträger scheiterte zunächst an fehlenden polizeilichen Kapazitäten.

Externe Sachverständige konnten nicht gefunden werden.

Selbst die IT-Schwerpunktabteilung konnte mir keinen externen Sachverständigen empfehlen.

Nunmehr liegen die Akten und Datenträger zur Auswertung dem Landeskriminalamt vor. Gegenwärtig ist nicht bekannt, wann mit einer Gutachtenerstattung zu rechnen ist.

Der Vermerk trägt ein Datum aus dem Sommer 2012.

Dem Beschuldigten wurde vorgeworfen, gegen den Geschädigten einen DDoS-Angriff veranlaßt zu haben. Als Grundlage diente der Staatsanwaltschaft, die den Antrag auf Erlaß des Durchsuchungsbeschlusses gestellt hat, der Kaffeesatz des Geschädigten. In diesem Kaffeesatz war zu lesen, daß die Kristallkugel des Providers angezeigt habe, es könnte (vielleicht?) der Beschuldigte gewesen sein, der (unter Umständen?) „in Rußland, der Ukraine oder in China“ (oder sonstwo?) ein Botnetz gemietet haben könnte …

Nun verstauben die Datenträger in irgendeinem dunklen Keller Ostdeutschlands. Und zwar bei einer „Schwerpunktabteilung zur Bekämpfung der Kriminalität im Bereich der Informationstechnologie (IT-Schwerpunktabteilung)„.

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