Mutige Verteidigung: Flucht nach vorn

Der Berliner Strafverteidiger Ulrich Dost hat veröffentlicht eine

Presseerklärung zu dem am 19.04.2012 begonnenen Strafprozess vor der 39. großen Strafkammer des Landgerichts Berlin wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern

Die Erklärung besteht im wesentlichen aus dem Wortlaut des Geständnisses, das sein Mandant nach Verlesung der Anklageschrift vorgetragen hat. Kollege Dost beginnt seine Presseerklärung mit einem Satz, mit dem er die Linie der Verteidigung skizziert:

Der Mandant leidet unter Pädophilie. Sie ist naturgegeben und nicht heilbar.

Ich ziehe meinen Hut vor der enormen Courage, die der Mandant mit diesem Geständnis und dessen Veröffentlichung bewiesen hat. Für die Therapien, die auf dieser Erklärung aufbauen werden, sei dem Mandaten alles Gute gewünscht. Und für den Verteidiger hoffe ich, daß er den sechsten Titel des Strafgesetzbuchs fest im Blick hat.

Dieser Beitrag wurde unter Verteidigung veröffentlicht.

11 Antworten auf Mutige Verteidigung: Flucht nach vorn

  1. 1
    Michael Neufeld says:

    „Der Mandant leidet unter Pädophilie. Sie ist naturgegeben und nicht heilbar.“

    Tja, dann ist das wohl so. Dann müssen das die Opfer jetzt so hinnehmen, wie einen Gewitterregen oder wie darf man das verstehen?

    Ich finde es auch immer wieder erstaunlich, wie leichtfertig mit dem Begriff „Pädophilie“ umgegangen wird. Kinderliebe, Kindesfreundschaft? Liebe zu einem Kind? Liebe an und/oder mit einem Kind? Aus Opfersicht, dürfte es wohl etwas anders aussehen.

  2. 2
    RA SG says:

    Interessanter Ansatz. Allein fehlt noch immer eine Erklärung/Verteidigung, warum es denn zu einem Mißbrauch kam. Mit d i e s e r Strategie könnte sich auch ein „Hetero-Normalo“ verteidgen, der eine Frau mißbraucht, weil er ansonsten nicht so recht Glück hat bei der Damenwelt?

  3. 3
    IANAL says:

    @ Michael Neufeld: Pädophilie ist eine Neigung, für die der einzelne nichts kann. Sie ist tatsächlich nicht heilbar.

    Strafrechtlich relevant ist aber nur das Ausleben dieser Neigung. Das ist natürlich strafbar, aber besser ist es, es gar nicht so weit kommen zu lassen. Dafür gibt es auch (leider viel zu wenige) Therapieangebote.

    Aber solange Medie und Gesellschaft auf völlig irrationale Weise mit dem Problem umgehen, ist leider auch wenig Besserung in Sicht.

  4. 4
    Michael Neufeld says:

    @IANAL
    Vielleicht könnte man sich bei dieser „Neigung“ auf Pädosexualität einigen, denn mit Liebe oder Freundschaft hat das nichts zu tun. Das Ausleben dieser „Neigung“ ist für mich Pädokriminalität, da strafrechtlich relevant.
    Aber die Bgrifflichkeiten werden in diesem Bereich ja gerne etwas weit ausgelegt. Genauso kann man darüber nachdenken, was denn bitte schön der sexuelle „Missbrauch“ eines Kindes. Hier wird ein Kind „miss“-braucht. Kann man es auch „ge“-brauchen? Das Kind wird hier einfach zum Objekt degradiert, dass „ge“- oder „miss“-brauchen kann.

  5. 5
    Michael Neufeld says:

    Edit: ein paar Wörter vergessen
    @IANAL
    Vielleicht könnte man sich bei dieser „Neigung“ auf Pädosexualität einigen, denn mit Liebe oder Freundschaft hat das nichts zu tun. Das Ausleben dieser „Neigung“ ist für mich Pädokriminalität, da strafrechtlich relevant.
    Aber die Bgrifflichkeiten werden in diesem Bereich ja gerne etwas weit ausgelegt. Genauso kann man darüber nachdenken, was denn bitte schön der sexuelle „Missbrauch“ eines Kindes ist. Hier wird ein Kind „miss“-braucht. Kann man es auch „ge“-brauchen? Das Kind wird hier einfach zum Objekt degradiert, dass man „ge“- oder „miss“-brauchen kann.

  6. 6
    Thomas B. says:

    @Michael Neufeld

    Hängen Sie sich doch nicht an Worten auf.
    Das Wort meint hier die Neigung und eher nicht die Liebe.

    „Tja, dann ist das wohl so. Dann müssen das die Opfer jetzt so hinnehmen, wie einen Gewitterregen oder wie darf man das verstehen?“

    Nein – aber das StGB unterscheidet zwischen Strafe und Maßregel der Besserung und Sicherung.

    Eine Strafe kann nur verhängt werden, wer „schuldig“ ist. Dagegen ist die Maßregel der Besserung und Sicherung schuldunabhängig
    und wird verhängt, wenn der Täter schuldunfähig ist, um die Gesellschaft zu schützen und den Täter zu therapieren.

    Ich will hier gar nicht darüber urteilen, ob Pädophilie eine Schuldunfähigkeit begründet oder nicht. Das ist nämlich nicht so einfach wie man es sich vorstellt (wenn man ernsthaft abwägt), aber tatenlos zugesehen und alles hingenommen wird hier bestimmt nichts.

  7. 7
    Gerd Kraemer says:

    Was ist daran denn „mutig“??

    Da versucht sich einer in ganz schäbiger Weise unter Hinweis auf seine angeborenen „Neigungen“ selbst zu entschuldigen.

    Das muss schon deshalb scheitern, weil er nicht für seine Neigung als solche bestraft (oder Maßregeln unterzogen) werden soll, sondern wegen konkreter Missbrauchshandlungen – wer eine erwachsene Frau vergewaltigt, kann sich ja auch nicht unter Hinweis auf „heterosexuelle Neigungen“ exkulpieren.

  8. 8
    Lexus says:

    @RA SG: Der Unterschied ist, dass der hetero normalo eine Sexualität aber legal ausleben kann. Der Pädophile kanns aber nur in dem er das Gesetz bricht. Das ist schon ein unterschied.

    @Michael Neufeld : Du unterliegst hier einem Übersetzungsfehler. Pädophilie bedeutet nicht „Kinderfreund“ oder „Kinderliebe“. Zwar ist philos griechisch für der „Freund“, jedoch bezeichnet die -philie keine Freunschaft, sondern eine (einseitige) Neigung oder Vorliebe. Das Wort spiegelt somit keine beidseitige Freundschaft da und signalisiert in der Ursprungssprache auch nichts positives.

  9. 9
    Fragender says:

    Es geht doch in diesem Fall aber gar nicht um die Sanktionierung der Neigung. Sondern um das, ja, Gebrauchen, eines anderen zu eigenen Triebbefriedigung. Dass es sich um Minderjährige handelte, tritt hinzu.
    Die jeweilige Neigung mag naturgegeben sein. Die Frage der Schuld setzt aber dort an, wo man dieser Neigung nachgibt ohne Rücksicht auf die Belange derer, die man – angeblich – so liebt.

  10. 10
    Mirco says:

    @Gerd Kraemer

    Die Erklärung legt nahe, dass vom Mandanten auch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist mit der Folge -unabhängig von dessen Schuld- Klappse ad infinitum.

  11. 11