Lügender Sonnyboy

Gottfried Gluffke wurde in der Kleingartenkolonie festgenommen. Die Polizei fand bei ihm ein paar Tütchen Gras, die er in den Hosentaschen bei sich trug. Irgendwas so um die 25 Gramm. Also eigentlich nicht die Welt. Naja, eine Feinwaage hatte er auch noch dabei. Und ein knappes Dutzend 5-Euro-Scheine.

Bulli Bullmann, Polizeibeamter vom Typ Miami Vice für Neuköllner, hat Gluffke „gestellt“ und ihm ein paar Vorhalte gemacht. Und ihn nachts um 2 Uhr ausführlich über § 31 BtMG und § 46b StGB belehrt.

Gluffke fabuliert irgendwas von „Das Gras habe ich vor ein paar Minuten bei Wilhelm Brause gekauft„. Die Bleibe von Brause war gleich um die Ecke, so daß man dort auch sofort mal nachschauen konnte. Die Spontandurchsuchung („Gefahr im Verzug“ stand im Protokoll) führt zu … nichts.

Brause lag tiefschlafend im Bette, als Bulli „Sonny“ Bullmann und seine Mannen vom „Neukölln Vice Police Squad“ mit der Tür ins Haus fielen. Kein Krümmel Gras und auch sonst nichts, was für irgendwas reichte.

Trotzdem: Die Aussage von Gluffke reichte der Staatsanwaltschaft … und zwar zur Erhebung der Anklage gegen Brause, der schließlich ein gut gefülltes Strafregister hatte – allerdings stammt die letzte Eintragung aus dem Jahr 2005.

Zur Hauptverhandlung war Gluffke als Zeuge geladen, erschien jedoch nicht. Die Vorführung klappte auch nicht, weil kein Mensch wußte, wo er sich denn herumtrieb. Deswegen wurde der Sonnyboy als Vernehmungsbeamter geladen.

Stolz auf seinen spektakulären Fang wollte er sich natürlich den Erfolg auch nicht streitig machen lassen. Er berichtete episch von der Zuverlässigkeit des Gluffke, der schon mehrfach zutreffende Hinweise gegeben habe. Gluffke habe mehrfach erfolgreiche Aufklärungsgehilfe geleistet. Mehrfach sei er als „polizeifreundlicher“ (O-Ton Sonny!) Zeuge hilfreich gewesen.

Meine Frage nach Einzelheiten blockte er ab. Mehrfach. Darüber wolle er jetzt nicht berichten. Meine Fragen möchte er aus ermittlungstaktischen Gründen nicht beantworten.

Mein recht lautstark und stehend vorgetragener Antrag an das Gericht auf Verhängung einer Ordnungshaft gegen ihn, wenn er sich weigert, meine Fragen zu beantworten, hat ihn dann aber doch deutlich erkennbar beeindruckt. ;-)

Kleinlaut und sehr zäh beantwortete er ausweichend und schwammig von einem einzigen Verfahren („Ob es vor dem Landgericht oder vor dem Amtsgericht war, weiß ich nicht.„), in dem zwar er nicht als Ermittler unterwegs war, wohl aber sein Kollege („Nein, der ist nicht mehr bei der Berliner Polizei. Ich glaube, der ist nach Bayern umgezogen.„).

Irgendwann war jedem, aber auch jedem im Gerichtssaal klar, daß Gluffke vielleicht „polizeifreundlich“ ist, aber mehr auch nicht. Und Bullmann wohl doch nicht ein geeignetes Beweismittel.

Ich wollte dem goldkettchenbehängten Sonnengesicht noch eine (peinliche) Pause gönnen, die der Vorsitzende jedoch unterbrach und sich an mich wandte: „Haben Sie noch eine Frage, Herr Verteidiger, oder können wir den Zeugen jetzt entlassen?

Nein, Herr Vorsitzender, es reicht. Ich stelle keine Fragen mehr. Sie können den Lügner jetzt des Saales verweisen, bevor die Deckenbalken brechen.

Bullmann machte dicke Backen, schaute mich eine lange Sekunde bitterböse an, stand dann aber auf und verließ gruß- und entschädigungslos den Saal.

Ich bin mir sicher, Bulli Sonnyboy Bullmann ist zu feige für einen Strafantrag wegen Beleidigung.

Bild: Katharina Wieland Müller / pixelio.de

PS @Werner:
Das Wörtchen „dreist“ habe ich mir verkniffen. 8-)

Dieser Beitrag wurde unter Betäubungsmittelrecht, Polizei veröffentlicht.

11 Antworten auf Lügender Sonnyboy

  1. 1
    ???? says:

    Carsten, Du bist der Allerbeste !!!
    Ich würde mich von Dir jederzeit aus dem Knast holen lasen, aber das geht nicht, weil ich frei draußen herumspaziere.
    Eine erfolgreiche Woche !!!

    PS. Mit dem Herrn Brause habt Ihr wohl öfter einmal zu tun?

  2. 2

    Vielen Dank. Der Verfahrensbericht wurde wohlwollend zur Kenntnis genommen.

  3. 3
    VolkerK says:

    Naja, er hat ja gelogen, und ich weiss nicht, ob man es als Beleidigung subsumieren kann, wenn ausgesprochen wird, was er gerade getan hat. Hätte er vorher ein Auto gefahren und man ihn als Autofahrer bezeichnet – das wäre keine Beleidigung.
    Beleidigend ist vielmehr, dass er so für den Rest seiner Karriere durchkommen wird.
    Das ist nicht nur beleidigend, sondern bedenklich (und das sagt jemand, der mal Demos angemeldet und deshalb, wenn er mal als Zeuge dienen würde, das Label „der polizeibekannte…“ trüge)

  4. 4
    Einrahmer says:

    Das war wieder ein echter Hoenig(tm).
    Nur echt mit 52 Zähnen (und alles Schneidezähne).

  5. 5
    jj preston says:

    Ich glaube, wenn ich Richter wäre und ein Staatsanwalt bzw. dessen referendierende Handpuppe mir ein derart dünnes Süppchen servieren würde, würde ich wohl ziemlich aus der Haut fahren und dem was husten, dass es noch der Hans-Jochen Vogel in seinem Bonner Ministerium hören täte, wie es denn sein könne, dass er Akten von Räubern, Mördern, Vergewaltigern und Terroristen auf seinem Schreibtisch liegen lässt für dieses Schwarze Loch von einem Sachverhalt… Als ob die alle zu viel Zeit hätten – anscheinend gibt’s in Berlin doch zu viele Polizisten und Staatsanwalte, die man für den BBI einsparen könnte.

  6. 6

    Was ist eigentlich aus der Möglichkeit für Richter geworden, Anklagen nicht zuzulassen? Fehlt der Mumm, lesen Richter nur noch das erste und letzte Blatt einer Akte oder teilen Richter die Ansicht der Staatsanwaltschaft, dass man über jedes Gerücht zu Gericht sitzen müsse?

  7. 7
    opatios says:

    Zu der Frage, wie es sein könne, dass dieser kreative (hust!) Beamte hier die Zeit des Gerichts verschwendet, sei auf den Satz hingewiesen „[…] wurde der Sonnyboy als Vernehmungsbeamter geladen“, es war also zumindest seine Pflicht, dort zu erscheinen und die Akten Akten sein zu lassen.

  8. 8
    Fritz says:

    Zitat:
    „Das war wieder ein echter Hoenig™.
    Nur echt mit 52 Zähnen (und alles Schneidezähne).“

    DAS unterschreibe ich blind.
    Ich bin zwar von der „Gegenseite“ – habe aber selten jemanden erlebt, der bissig UND sachlich ist.

    Hut ab – dieses Land braucht mehr von dieser „Gattung“.

  9. 9
    RA Anders says:

    Bezüglich der Weglassung des Wörtchens „dreist“ stellt sich mir die Frage, ob das weise oder vorsichtig war?
    Es wäre doch mal wieder Zeit für ein Prozeßberichtsblog und die anderen Recken stehen doch sicher zur Verfügung. .-))

  10. 10

    Lieber Kollege, ich verteidige Dich kostenlos. Versprochen.

    Upps. Kostenlos darf ich nicht ? Ok. Dann bereden wir das inter partes.

    Immer diese Nörgler.

    • Wir können ja tauschen. Erst holst Du für mich ne Bewährung raus und dann schauen wir, was ich für Dich tun kann, wenn Du dabei den OStA beleidigt hast. ;-) crh
  11. 11
    Egbert Sass says:

    Glück gehabt. Sonst gewinnt Sonny Burnett. Immer. Definitely Miami. Eine meiner Lieblingsszenen aus New Cologne Vice. Leider sind die 80er schon lange vorbei …

    http://www.youtube.com/watch?v=3eqAjuYmhp0