Die Richterin und ihre Haftbefehle

In einer Verhandlungspause unterhielten sich die Richterin und der Staatsanwalt über den nachfolgenden Termin. Es ging um einen Haftbefehl, den die Richterin vor einiger Zeit gegen den „nachfolgenden“ Angeklagten verhängt hatte.

Richterin:
Was mich aber wundert: Das Landgericht hat meinen Haftbefehl diesmal gar nicht aufgehoben.

Staatsanwalt:
Naja, aber wenigstens ist Haftverschonung angeordnet worden.

Richterin:
Selbst das ist eher ungewöhnlich.

Ich habe der „nachfolgenden“ Verteidigerin von diesem Gespräch berichtet. Und rechne damit, daß sie der Richterin ein virtuelles Kantholz in Kreuz schlägt.

Haftbefehle, die eine Richterin in Hinblick darauf erläßt, daß sie ohnehin vom Landgericht wieder aufgehoben werden (wenn – und nur wenn – der Betroffene sich dort beschwert), sind ein klarer Beleg dafür, daß die Richterin nicht auf ihren Stuhl gehört.

Dieser Beitrag wurde unter Richter veröffentlicht.

12 Antworten auf Die Richterin und ihre Haftbefehle

  1. 1
    meine5cent says:

    Könnte ja auch sein, dass beim LG eine sehr bedenkenschwangere Beschwerdekammer für die Richterin zuständig ist.
    Wenn es ein 230-StPO Haftbefehl war, ist das weite Feld der Frage „genügend entschuldigt oder nicht“ eröffnet, die meist ohnehin vom Angeklagten erst mit der Beschwerde vorgetragen wird.
    Ihr Urteil über die Richterin „gehört nicht auf ihren Stuhl“ ist mE etwas voreilig.

  2. 2
    BV says:

    Ich halte auch die Ansicht von #1 für denkbar bis wahrscheinlich. Warum sollte die Richterin ihre Beschlüsse nicht aus ihrer Sicht völlig richtig und ganz ohne „strafprozessuale Tricks“ erlassen, auch wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die Beschwerdekammer das anders sehen wird. Zum Vorwurf der Beschuldigtendisziplinierung bräuchte es wohl noch etwas mehr.

  3. 3
    Alex says:

    Muss ein Amtsrichter immer in vorauseilendem Gehorsam die Rechtsauffassung des übergeordneten Rechtsmittelgerichts beachten (oder entscheidet er unabhängig nach seiner persönlichen Richtigkeitsüberzeugung)?

    Und, falls ja: Bedeutet das, dass ein an sich in Haftbefehlsfragen sehr zurückhaltender Richter entgegen seiner persönlichen Auffassung großzügig Haftbefehle erlassen muss, wenn er von seiner Beschwerdekammer weiß, dass die seine ablehnenden Entscheidungen regelmäßig aufhebt und den Haftbefehl erlässt?

  4. 4
    Ruprecht says:

    Rechtsbeugung ist in Deutschland vermutlich verbreiteter als jede andere Straftat. Daher sage ich auch grundsätzlich: Staatsanwälte sind Verbrecher.

  5. 5
    A.N. says:

    Interessantes Stimmungsbild, bei bisher drei eher zurückhaltenden, richterfreundlichen Kommentaren und einem Troll. Dabei spricht für crhs Deutung doch vor allem die (zweite) Aussage der Richterin zur Haftverschonung.

  6. 6
    Thorsten says:

    Ruprecht – nein, das geht zu weit.

    Der Rest begeht einen Denkfehler: wenn eine Richterin von ihrer Rechtsauffassung fest überzeugt ist, dann erlässt sie einen Beschluss in der festen Überzeugung, dass dieser auch nicht angreifbar ist.

    Wenn sie ihn bereits von Vornherein grundsätzlich für angreifbar hält, muss sie ihn gründlich überdenken, anstatt den Betroffenen einfach „trotzdem“ abzubügeln.

    Auch hier gilt der in dubio pro reo-Grundsatz – selbst wenn es sich nur um Zweifel bei der Rechtsanwendung handelt.

  7. 7
    pro sekution says:

    so einer wie „ruprecht“ – mal ganz ab von der frage, ob er ein troll ist – gefällt sich in seiner bornierten arroganz und in seinem grandiosen unwissen. stattdessen hantiert er mit schlagworten, deren bedeutung er nicht einmal annähernd zu verstehen in der lage ist.

    zum posting: ich schließe mich den erstpostern an. die aussage der richterin verstehe ich so, dass sie gemäß ihrer eigenen überzeugung das vorliegen der voraussetzungen eines HB bejaht und ihn daraufhin erlassen hat, aus leidiger erfahrung weiß, dass die beschwerdekammern des berliner LG das in der regel zurückhaltender sehen und sich jetzt darüber wundert, dass dem ausnahmsweise einmal nicht der fall ist. darin ist nichts rechtswidriges zu sehen.

  8. 8
    Andreas says:

    @ Posts 1-3 und pro sekution:

    Ich schließe mich an. Aus der Diskussion lässt sich nicht unmittelbar der Rückschluss ziehen, dass die Richterin unsachgemäß vorgeht. Es gibt manchmal Beschwerdekammern, die einfach alles aufheben oder abändern. Allerdings mag es zusätzliche Anhaltspunkte dafür geben, dass es sich bei der Richterin um eine ganz schwierige Richterin handelt.

    In meinem Ref.-Bezirk hatten wir einen (inzwischen pensionierten) Richter, der knallhart war. Nachgeschaltet war dann eine Berufungskammer, die auch bei bereits mehreren laufenden Bewährungsstrafen grds. kein Problem hatte, noch eine positive Sozialprognose zu stellen — Die Berufungsquote bei anwalich vertretenen Angeklagten lag über 80%.

  9. 9
    Lexus says:

    § 25 DRiG lautet darum auch

    „Der Richter ist unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.“

    und nicht

    „Der Richter ist unabhängig und nur der nächst höheren Instanz unterworfen.“

  10. 10
    Bürger says:

    Ich sehe das wie crh. Wenn die Richterin weiss ihre Urteile werden regelmässig kassiert sollte sie sich überlegen ob ihre Rechtsauffassung mit der von unserem Staat zusammenpasst. Egal wie ihre persöhnliche Überzeugung ist. Also nicht nur wie Thorsten sagt „gründlich überdenken“ sondern auch so handeln.

    Zudem haben Urteile eines übergeordneten Gerichtes auch eine Leitfunktion, oder nicht? Sollte man nicht spätestens Urteile eines BGH zB in seiner Urteilsfindung berücksichtigen.

    Auch der zweite Punkt den crh anspricht ist wichtig. Nicht jeder macht eine solche Beschwerde. Wer also an diese Richterin gerät landet schnell ungerechtfertigt im Knast – ausser er beschwert sich über die Richterin.

    @Andreas: Ich verstehe den Standpunkt nicht. Zuerst eigentlich der Richterin Recht geben und dann ein Beispiel anführen der wohl kaum tragbar war. Für Anwälte mag es ja vollkommen ok sein wenn man bei bestimmten Richtern einfach immer in Revision geht. Für den Mandanten bedeutet das aber sehr lange rechtliche Ungewissheit, viele Unannehmlichkeiten und viel höhere Anwaltskosten.

  11. 11
    Andreas says:

    @ Bürger

    Was ich sagen wollte ist, dass es besonders sanfte Beschwerde-/Berufungskammern gibt, denen man es selten recht machen kann. In der von mir geschilderten Situation war es dann ein knallharter Richter und eine ganz besonders sanfte Berufungskammer–also beide Spruchkörper hatten ihre Macken.

    Ich würde es aber grds. für falsch erachten, wenn ein Richter einen Haftbefehlsantrag ablehnt, obwohl er selbst von der Begründetheit überzeugt ist, nur weil er eine andere Entscheidung der Beschwerdekammer fürchtet. Der Richter ist ans Gesetz und nicht an die Rechtsauffassung der Beschwerdekammer gebunden.

    Für RAe ist es übrigens auch nervig, wenn man durch mehrere Instanzen gehen muss um Recht zu bekommen, auch wenn das im Einzelfall die Gebühren erhöhen mag, kenne ich keinen RAe der sich über ablehnende Entscheidungen freut. Da kann man aber manchmal nicht viel dran ändern…

  12. 12
    Lexus says:

    @Bürger: Wie kommste darauf, dass die Urteile der höheren Instanz die „richtigeren“ seien?

    In der Regel sieht nur der Haftrichter den Angeklagten und kann sich einen persönlichen Eindruck machen. Die Beschwerdekammer entscheidet dann nach Aktenlage.

    Ein Richter sollte nicht in „vorauseilender“ Gehorsamkeit das Urteilen was er meint, was die höheren Instanzen erwarten… Dieses Vorgehen hat viel Schande über die Richter unter dem Nationalsozialismus gebracht.

    Der Richter hat so zu urteilen, wie er es für Recht hält. Wenn ein Richter seine Rechtsauffassung zurücksteckt nur damit er nicht aufgehoben wird, dann ist es für einen Rechtstaat bitter.