Überflutung

BGH-Präsident Klaus Tolksdorf kritisierte in seinem Grundsatzreferat zum Thema „Strafen um jeden Preis?“ die Flut neuer Strafrechtsnormen, etliche neue, teils hochkomplexe Tatbestände seien selbst für Praktiker kaum noch zu durchschauen.

Auch die Debatte über die Verjährungsfristen in Fällen sexuellen Missbrauchs zeuge von der gewachsenen Bereitschaft zum „Strafen um jeden Preis“, klagte Tolksdorf. Zugleich kritisierte er die Zunahme der Telefonüberwachung. Zwar gehe ihm die Behauptung des früheren Verfassungsrichters Jürgen Kühling zu weit, wonach das Fernmeldegeheimnis de facto abgeschrieben werden müsse. Doch habe die Überwachung mittlerweile ein bedenkliches Ausmaß erreicht.

Quelle: Berliner Zeitung

Hey, will der Mann uns arbeitslos machen?! Schließlich leben Richter, Staatsanwälte, Verteidiger und die gesamte Belegschaft der Justiz ganz gut von dem Verfolgungswahn des Volksempfindens.

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3 Antworten auf Überflutung

  1. 1
    RA Neldner says:

    Ich glaube nicht, dass Tolksdorf uns arbeitslos machen will. Wer den kompletten Artikel liest wird das auch schnell feststellen.
    Aber anstelle von gesundem Volksempfinden besser Vernunft und Rechtsstaat als Leitlinie der Gesetzgebung zu fordern ist ein guter Anfang.
    Noch besser wäre es freilich, wenn der BGH sich in einigen (vielen) Punkten auch an die eigene Nase fassen würde.

  2. 2
    Gerd says:

    Wir brauchen noch viel mehr Straftatbestände! Das füllt schließlich die Taschen von uns Strafverteidigern. Es kann gar nicht genug Strafverfolgung geben.

    Aktuelles Beispiel: Ein 14-Jähriger und seine 13-jährige Klassenkameradin knutschen auf der Klassenfahrt. Folge: ein Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern, § 176 StGB, gegen den 14-Jährigen. Zwar später nach § 45 JGG eingestellt. Aber die beiden beteiligten Schüler verstanden die Welt nicht mehr. Soll § 176 StGB nicht die ungestörte sexuelle Entwicklung schützen? Ob das Strafverfahren in diesem Fall und in ähnlichen Fällen den Gesetzeszweck erfüllt?

    Weiter so, Strafverfolger! Mein Porsche braucht einen neuen Satz Reifen!

  3. 3
    Marie says:

    Ich finde es „lustig“, daß ausgerechnet der Präsident des BGH, dessen Gericht durch seine Rechtsprechung den Anwendungsbereich von Straftatbeständen erheblich ausweitet, regelmäßig über das Ziel des Gesetzgebers hinausschießt, um angeblich „unerträgliche Strafbarkeitslücken“ (aus wessen Sicht?) zu schließen, ein Klagelied anstimmt.

    Wie wäre es, sich erst einmal an die eigene Nase zu fassen, die Tatrichter an die kurze Leine zu legen und Tatbestandsmerkmale restriktiv auszulegen? 80% der Anwendungsbereiche der gesetzlichen Straftatbestände beruht nicht auf dem Gesetzeswortlaut, sondern auf immer weiter ausufernder richterlicher Rechtsauslegung.

    Und noch etwas: man darf einem Angeklagten in diesem Paragrafendschungel, der angeblich sogar den BGH überfordert, ruhig einmal glauben, nicht vorsätzlich und ohne Unrechtsbewußtsein gehandelt zu haben.