Gespenstische Reporter

Am Sonntag fanden am Schönefelder Kreuz Fahrversuche statt, die Aufschluß über die Ursachen für das Busunglück vom 26. September 2010 geben sollten. Dazu wurde ein Teil des Autobahnkreuzes für den öffentlichen Verkehr gesperrt.

Gegen Ende der Versuchsreihe tauchten dann aus dem Dickicht der Straßenrandbepflanzung zwei jungen Männer vom Typ „Ich-bin-Reporter-ich-bin-wichtig“ auf. Weder gehörten sie zum Team der Sachverständigen, noch zu den zahlreichen Mitarbeitern von Polizei und Feuerwehr, die die Versuche tatkräftig unterstützten. Es war so genannte „Reporter“ von der Bildzeitung, wie mir einer der Sachverständigen auf meine Frage mitteilte.

Ohne sich bei den Beteiligten in einer Form mal bemerkbar zu machen, die unter zivilisierten Menschen üblich ist, stacksten die beiden Sonnyboys über das Versuchsgelände. Der eine mit der Ausrüstung eines durchschnittlichen Paparazzo, der andere mit seiner guten Frisur.

Herausgekommen ist das hier:

Die Fotos sind halbwegs authentisch, aber das ist auch so ziemlich das einzige, was paßt. Der Inhalt dieses Berichts dieser Geschichte entspricht dem Niveau der Recherche auf dem Randstreifen der Autobahn.

Gespenstisch war nichts an der Versuchsanordnung an dem sonnigen Vormittag. Es standen auch keine Meßgeräte herum, das waren Fotoapparate. Das Bild mit dem querstehenden Mercedes gibt das Ende einer Vollbremsung wieder, mit der die Griffigkeit des Straßenbelags aufgezeichnet wurde. Um die wirklich interessanten und für das Verfahren wichtigen Vorgänge verfolgen zu können (auch intellektuell), hätten sich die beiden Jungs ein wenig vorbereiten müssen.

„Auftraggeber“ für das Gutachten war im übrigen auch nicht die Staatsanwaltschaft, die ohnehin nicht vor Ort war. Es war das Landgericht, das – nach Rücksprache mit der Verteidigung – die Nachermittlungen zu einer konkreten Frage per Beweisbeschluß veranlaßt und die Sachverständigen mit der Untersuchung beauftragt hatte. Es ist auch nicht die Staatsanwaltschaft, die hier irgendwas prüfen muß. Und rekonstruiert wurde weder „der Unfall“, noch wurde er von der Polizei nachgestellt.

All das ist dummes Zeug sind Unrichtigkeiten, die einem ausgebildeten Journalisten sicher nicht untergekommen wären. Es reicht eben nicht aus, mal eben Sonntagmorgen nach einem Prosecco einen schicken Pullover überzuwerfen und zu schauen, über was man denn ein paar Zeilen schreiben könnte. Saubere Arbeit geht anders.

Aber diesen Qualitätsjournalismus hatte ich bereits nach Schluß des Ortstermins genau so erwartet.

 

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4 Antworten auf Gespenstische Reporter

  1. 1
    Niecko says:

    Da hat der Kollege der Verteidigung 100% Recht …

    Auch hat der Vertreter der Nebenklage, Herr RA Niecko, nicht gesagt, dass die Hauptverhandlung erst nächstes Jahr zu erwarten ist … schon gar nicht, nachdem die Vorsitzende die Vorschläge zu den Terminen der Hauptverhandlung gemacht hat …

    aber wie konnten es die Bildjungs auch anders wissen … schließlich haben diese an dem gespenstischem Sonntag erst gar nicht mit mir gesprochen …

  2. 2
    Ö-Buff says:

    Bild lügt und macht kaputt.

  3. 3
    nömix says:

    Gespenstisch, tatsächlich. Wie zwei Geister der Vierten Gewalt, die keiner rief, über die Szene irrlichtern.

  4. 4
    jensen says:

    Bester Satz: „Der eine mit der Ausrüstung eines durchschnittlichen Paparazzo, der andere mit seiner guten Frisur.“ Herrlich, wenn ein Tag mit der Lektüre von (wie immer völlig berechtigtem) Bild-Bashing beginnt. Danke dafür!