Durchsuchung beim Anwalt

Es hat mal wieder einen Kollegen erwischt, einen engagierten Strafverteidiger in einer Kleinstadt mit einem Amtsgericht, an dem empfindliche (abhängige) Organe der Rechtspflege unterwegs sind.

Dem Kollegen wird vorgeworfen, im Rahmen einer Verteidigung einen Staatsanwalt beleidigt zu haben. So wie es sich anhört, hat er eine Formulierung gewählt, die einen Richter oder Staatsanwalt aus Moabit nicht hinter ihren Öfen weglocken würde.

Also Akteneinsicht und Vorbereitung einer Stellungnahme. Noch bevor die Verteidigungsschrift die Ermittler erreichen konnte, beantragt die Staatsanwaltschaft beim zuständigen Amtsgericht den Erlaß eines Strafbefehls: Eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 50 Euro war gewünscht.

Irgendwie gefiel dem Richter das Ganze nicht so richtig. Er schickt den Antrag mit der Akte zurück an die Staatsanwaltschaft und vermerkt:

Ich bitte, die Einkommensverhältnisse des Angeschuldigten – notfalls mittels Durchsuchung – abzuklären.

Für den praktischen, juristischen Laien übersetzt: Der Richter fordert die Staatsanwaltschaft auf, einen Antrag auf Erlaß eines Beschlusses zur Durchsuchung der Kanzleiräume und der Wohnung des Kollegen zu stellen sowie Finanzermittlungen (Bankauskünfte) zu durchzuführen.

Glücklicherweise sitzt bei der Staatsanwaltschaft noch ein Jurist, der im Grundstudium aufgepaßt hat: Der zuständige Staatsanwalt schrieb dem Richter zurück, die Einkommensverhältnisse mögen gem. § 40 III StGB geschätzt werden, Durchsuchungen und Finanzermittlungen wegen dieser Beleidigung dürften unverhältnismäßig sein.

Es gibt Momente (und Richter), da packt man sich an den Kopf!

 

Dieser Beitrag wurde unter Richter, Staatsanwaltschaft, Verteidigung veröffentlicht.

22 Antworten auf Durchsuchung beim Anwalt

  1. 1
    fernetpunker says:

    Krass.

  2. 2
    PH says:

    Ich würde alternativ Erzwinungshaft anordnen, bis der Anwalt freiwillig seine wahren Einkünfte mitteilt. Und wahr bedeutet, dass der Richter den Mitteilungen glaubt.

    /Scherz Ende

  3. 3
    tommes04 says:

    Beleidigung im Rahmen einer Verteidigung? Klingt nach Durchmarsch zum Verfassungsgericht. Ich wünsche größtmöglichen Erfolg.

  4. 4

    Moin,

    angesichts derart fragwürdigen Vorgehens so mancher „Kollegen“ bei StA/Gericht fragt man sich ernsthaft, wie die a) durchs Examen und b) an ihre Posten gekommen sind – muss seinerzeit wohl großer Personalmangel geherrscht haben… :/.
    Vor allem zeigt sich sehr schön, wo in der Region die Prioritäten liegen (man könnte sich ja auch um „echte“ Straftäter kümmern – aber nein, denn das sind im Zweifel [Partei-]Freunde, mit denen man auch künftig noch gerne mal z. B. auf dem Golfplatz einen einlochen geht usw.). Sorry für den Sarkasmus, aber wenn ich von solchen Vorkommnissen – ist ja leider kein Einzelfall – lese, geht mir echt die Hutschnur hoch.
    In diesem Sinne: Schön, dass man sich unter Kollegen bzw. die jeweiligen Blogs über sowas austauschen kann, denn das sollten wir echt im Blick behalten.

    Beste Grüße
    CB

  5. 5

    Ablehnung des Richters wegen Befangenheit?

    Viele Grüße

    RAin Petra Hildebrand-Blume

  6. 6
    A.N. says:

    „Dem Kollegen wird vorgeworfen, im Rahmen einer Verteidigung einen Staatsanwalt beleidigt zu haben. “

    ..ja..und?
    …selbst wenn..

    http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20000328_2bvr139296.html

  7. 7
    Provinzler says:

    @ Christian Behrens „man könnte sich ja auch um “echte” Straftäter kümmern…“ in deren Augen sind wohl die Schlimmsten die Anwälte.

    @ Hoenig: Verteidiger gehören doch nun wirklich verboten! Sind doch alles nur Zeitfressmaschinen.

  8. 8
    RA JM says:

    Es gibt Staatsanwälte (und Richter), die sollte man noch ganz woanders packen.

  9. 9
    John Cage says:

    Ja, ja. Manche Richter oder Staatsanwälte sind schnell beleidigt. Zum Glück ist es nur eine kleine Minderheit. Aber die ist besonders gefährlich. Rechtsanwälte haben hingegen kein Recht, beleidigt zu sein, wenn man ihnen mehr oder weniger deutlich vorwirft, unlauter das Beweisergebnis beeinflußt haben zu wollen (was eigentlich immer der Fall ist, wenn dem von der Verteidigung präsentierten Entlastungszeugen nicht gefolgt wird, der sich dann einem Ermittlungsverfahren wegen Falschaussage ausgesetzt sieht, während den Verteidiger mitleidig-empörte Blicke treffen).

  10. 10

    Lieber Carsten, abgesehen davon, daß Du so etwas nie machen würdest, kann ich nur sagen: „Schwein gehabt!“ ;-)

      Doch, lieber Bert. Ich mache sowas. Und ich darf das sogar! Den Bericht darüber habe ich nicht vergessen. ;-) crh
  11. 11
    Kampfschmuser says:

    Hört sich nach einer billigen Retourkutsche an, die dank dem StA, der Augenmaß bewies, ein Rohrkrepierer wurde.

  12. 12
    A.N. says:

    @A.N.: Ich sollte mir wohl ein neues Pseudonym zulegen, wenn Sie hier jetzt auch öfter posten…

  13. 13

    Der Richter ist nicht befangen, er ist offensichtlich mit seiner Gesamtpersönlichkeit fehl am Platz.

  14. 14
    Gernot says:

    Ich habe den Verdacht, dass hier nicht die ganze Wahrheit gepostet wurde.

    Wurde denn der RA zuvor dazu aufgefordert, Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zu machen? Hat er hierauf querulatorisch reagiert?

  15. 15

    @Gernot: Man sollte Ihrem Verdacht nachgehen und ein evtentuelles querulatorisches Verhalten – notfalls mittels Durchsuchung – aufzuklären. (Ironiefilter aus)

  16. 16
    Gernot says:

    @RA Bernhard J. Faßbender:

    Ich habe nicht geschrieben, dass ich die Maßnahme für gerechtfertigt halte. Ich meine aber, dass uns hier ein erheblicher Teil des Sachverhalts vorenthalten wird.

      Bitte teilen Sie mir Ihre Anschrift mit, damit ich Ihnen einen Kopiesatz der Akte übermitteln kann. crh
  17. 17
    Hotte says:

    @Gernot

    Nun, ich gehe nicht davon aus, dass uns Herr Hoenig hier den gesamten Sachverhalt bekannt geben wird.
    Wenn dem Volk hier die Sachlage von A-Z dargelegt wird, wer benötigt dann noch eine Verteidigung?

    Ich nenne das -wenn auch eingeschränkt- Gewaltenteilung.

  18. 18
    Christian says:

    Also Gernot,

    wenn der Richter seine Zweifel an der Tagessatzhöhe hat, dann kann er doch (sachgerecht) schätzen. Maßstab könnte die Kanzleigröße sein. Zahlen findet man in einschlägigen Reports. Ist diese zu hoch, kann auf die Höhe beschränkt Einspruch eingelegt werden. Eine Hausdurchsuchung bei der wirklich alles (!) umgekrempelt wird, ist dadurch einfach nicht zu rechtfertigen. Es ist doch Ausprägung eines Rechtsstaats, dass es die adäquate Bestrafung nicht um jeden Preis geben kann.

    Im Übrigen wäre ich dafür, dass der werte geschädigte Herr Staatsanwalt seine Rechte im Wege der Privatklage zu verfolgen hat. Für solcherlei Animositäten muss nicht immer der Steuerzahler aufkommen.

  19. 19
    Hartmann says:

    Ich hielte die Durchsuchung für gerechtfertigt. Beschuldigte sind selten geneigt, ihre wahren Einkommensverhältnisse zu offenbaren, wenn es um die Höhe der Festsetzung eines Tagessatzes geht. Es gilt der Untersuchungsgrundsatz. Die Durchsuchung ist erforderlich und geeignet, die Tatsachen, die für die Festsetzung der angemessenen Rechtsfolgen von Bedeutung sind, zu offenbaren. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind Durchsuchungen selbst bei Ordnungswidrigkeiten nicht per se unverhältnismäßig.

  20. 20
    Scharfrichter says:

    Interessant wäre es, zu wissen, ob in dem Strafbefehlsantrag nicht auf die Anwendung des § 40 Abs. 3 StGB hingewiesen worden ist.

    Wenn nein, kann das bei bestimmten Richtercharakteren durchaus solche Auswirkungen haben. Ausgesprochen – hm – eigenwillig ist so ein Hinweis trotzdem.

    @ Hartmann:

    Beschuldigte sind selten geneigt, ihre wahren Einkommensverhältnisse zu offenbaren, wenn es um die Höhe der Festsetzung eines Tagessatzes geht. Es gilt der Untersuchungsgrundsatz.

    Es gilt in diesem Fall vor allen Dingen der schon genannte § 40 Abs. 3 StGB.

    Wenn das Ergebnis nicht konveniert, steht in Fällen wie diesem gegen das Ergebnis (Strafbefehl) der Einspruch zur Verfügung, den man auch auf die Rechtsfolge beschränken kann. Die Tagessatzhöhe kann dann auch im Beschlussweg abgeändert werden.

    Den Einspruch und den entsprechend substantiierten Vortrag zu den Einkommensverhältnissen (z. B.: Vorlage eines aktuellen Bescheides vom Jobcenter) kriegen sogar zahlreiche unverteidigte Beschuldigte problemlos auf die Reihe.

    Freilich fragt man sich dann mitunter, warum man das nicht gleich sagen kann, aber gut: Auch das ist eben vom Schweigerecht eines Beschuldigten umfasst.

    @ Christian:

    Im Übrigen wäre ich dafür, dass der werte geschädigte Herr Staatsanwalt seine Rechte im Wege der Privatklage zu verfolgen hat. Für solcherlei Animositäten muss nicht immer der Steuerzahler aufkommen.

    Sie meinen, die Arbeitszeit des Richters, der das dann zu verhandeln hat (hätte), kostet nichts?

  21. 21
  22. 22
    Christian says:

    @Scharfrichter:

    Doch, die Zeit des Richters kostet Geld. Aber der Staatsanwalt muss im Rahmen der Privatklage erstmal Geld vorstrecken, § 379 f. StPO. Das würde die Streitsucht einschränken ;-)