Business as usual?

Jörg Kachelmann will ab sofort wieder für die Meteomedia Gruppe arbeiten.

berichtet die taz.

Ob das so ohne Weiteres funktioniert? Zu wünschen wäre es Herrn Kachelmann auf jeden Fall.

Gerade weil das Gericht in seiner Urteilsbegründung für mein Gefühl nicht deutlich genug rübergebracht hat, daß der Zweifels-Grundsatz nicht zu einem Freispruch zweiter Klasse führt. „In dubio pro reo“ ist die Grundlage eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Da gehört so etwas nicht in die vom SWR zitierten Gründe:

Der Vorsitzende Richter Michael Seidling sagte, das Urteil beruhe nicht darauf, dass die Kammer von der Unschuld Kachelmanns oder einer Falschbeschuldigung der Nebenklägerin überzeugt sei. Das Gericht habe aber begründete Zweifel an der Schuld des Angeklagten, der deshalb „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten) freizusprechen sei.

[…]

Die Verdachtsmomente hätten sich zwar im Laufe der Verhandlung „abgeschwächt, aber nicht verflüchtigt“.

Das Verfahren an sich lag schon im Grenzbereich des Rechtsstaats. In den Urteilsgründen hätte Gelegenheit bestanden, ein paar Korrekturen vorzunehmen. Für mein Empfinden hat das Gericht diese Chance nicht genutzt.

Auch wenn ich in einigen Punkten mit dem Auftreten des Verteidigers nicht einverstanden war und bin; von der Wortwahl abgesehen, könnte er richtig liegen:

Im Anschluss übte dann aber auch Schwenn trotz des Freispruchs heftige Kritik am Mannheimer Landgericht: Die Kammer hätte den Angeklagten „zu gerne verurteilt“ und in ihrer Urteilsbegründung nochmal „richtig nachgetreten“, um „den Angeklagten maximal zu beschädigen“. Schwenn sprach von einem „befangenen Gericht“ und einer „Erbärmlichkeit im Gerichtssaal“.

Ein Freispruch ist ein Freispruch ist ein Freispruch. Zweitklassig können allenfalls Urteilsgründe ausfallen.

 

Dieser Beitrag wurde unter Richter, Strafrecht veröffentlicht.

10 Antworten auf Business as usual?

  1. 1
    MaxR says:

    Aliquid semper haeret.

  2. 2
    HD says:

    Wenn sich nach der Hauptverhandlung eindeutig erweist, dass der Angeklagte mit dem Vorwurf nichts zu tun hat, und das Gericht deutlich ausspricht, dass der Angeklagte wegen erwiesener Unschuld freigesprochen werde, dann ist das sicherlich etwas, was vom Angeklagten gerne vernommen wird. Er kann dann darauf verweisen, dass das Gericht seine Unschuld festgestellt habe.

    Wer dagegen ist, dass das freisprechende Gericht äußert, dass der Verdacht nicht ausgeräumt worden ist, er sich nur nicht hat bestätigen lassen, muss dann auch fordern, dass das Gericht es unterlässt, etwa Ausführungen zur erwiesenen Unschuld zu machen.

    Was die Rechtsfolgen betrifft, ist ein Freispruch ein Freispruch. In der Welt, in der wir leben, macht es aber für den Ruf einer Person durchaus einen Unterschied, wie er begründet wird, ob mit: „Wir wissen, er war’s nicht“ oder mit „Wir wissen auch nicht nach Ausschöpfung aller Beweismittel, wie es war.“

  3. 3
    Burschel says:

    Interessant finde ich die Presserklärung des LG Mannnheim.

      Unbedingt lesenswert, besten Dank für den Hinweis. crh
  4. 4
    Geier says:

    Aus der Pressemitteilung:

    Er wies daraufhin, dass nicht nur die Nebenklägerin, sondern auch der Angeklagte nach Überzeugung der Kammer in einigen Punkten die Unwahrheit gesagt haben.

    Ich dachte, der Angeklagte hat nichts gesagt!

  5. 5
    Ö-Buff says:

    Und, was ist der Dank? Regen!

  6. 6
    Zwerg says:

    Na ja. Das Gericht wird schon noch sagen/schreiben dürfen, dass es nach dem in – dubio – Grundsatz freigesprochen hat und was das auf den Fall bezogen bedeutet.

  7. 7
    klabauter says:

    @Geier:
    Kachelmann hat vor dem Ermittlungsrichter Angaben gemacht, die durch Vernehmung dieses Ermittlungsrichters in den Prozess eingeführt wurden.

  8. 8
    MaxR says:

    @Ö-Buff: Die Natur braucht den Regen und mit dem Freispruch von Kachelmann hat er endlich wieder das Wetter gemacht, das wir brauchen. Erinnern Sie sich noch an seine Entlassung aus der U-Haft? Auch damals eine schlagartige Wetteränderung zum Positiven.

    Der volkswirtschaftliche Schaden, der durch Verhaftung, die lange Prozeßdauer und die damit verbundene Nichtarbeit des Herrn Kachelmann angerichtet wurde, ist immens! Das Getreide ist vertrocknet, der Wein ist erfroren!

    Und wer zahlt dafür? Immer der kleine Mann.

  9. 9
    Hans says:

    Es ist aber auch egal, ob Kachelmann gelogen hat. Als Angeklagter durfte er das. Die Nebenklägerin in ihrer Rolle als Zeugin aber nicht.

    Insofern ist es schon Rechtsbeugung, die Lügen beider Personen gleich zu werten.

  10. 10

    […] Berliner Anwalt Carsten Hoenig, seit Jahren auch als Blogger aktiv, bemerkte in einem seiner jüngsten Beiträge: “Das Verfahren an sich lag schon im Grenzbereich des Rechtsstaats. In den Urteilsgründen […]