Monatsarchive: September 2011

Offensichtlich keine Ahnung

Einen Klassiker aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht zitiert Tipgeber und Richter Carsten Krumm im Beckblog.

Es gibt sie immer noch reichlich, diese Urteile, die handwerklich schlecht gemacht sind, weil sich der Richter mit dem, was sein täglich Brot ist, nicht wirklich ernsthaft auseinander setzt.

Wenn der Tenor eines „Bußgeld-Urteils“ lautet, daß der Betroffene wegen „fahrlässig begangener Ordnungswidrigkeit„ zu einer Geldbuße von 270,00 € verurteilt“ wird, reicht das selbstredend nicht. Denn zu einem vollständigen Tenor gehört eben auch die vollständige „rechtliche Bezeichnung der der Tat“ (§ 260 Abs. 4 S. 1 StPO), und nicht ein paar flapsige Formulierungen.

Eben das hatte eine Betroffene in der von Carsten Krumm zitierten Entscheidung (OLG Jena, Beschl. v. 16.03.2011 – 1 Ss Bs 17/11) reklamiert. Der Strafverteidiger, der sich nicht nur gelegentlich mit Verkehrs-Ordnungswidrigkeiten beschäftigt, steht dann mit seinem Ball auf dem Elfmeterpunkt – vor einem leeren Tor.

Bemerkenswert an der Entscheidung des OLG Jena erscheint ganz besonders die Stellungnahme der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft zu der Rechtsbeschwerde der Betroffenen. Der Staatsanwalt hat nämlich beantragt,

die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

Das Gegenteil ist der Fall, jedenfalls für den, der sich auskennt: Ganz offensichtlich begründet ist sie!

Daher muss die Urteilsformel, als Grundlage für die Vollstreckung und die Eintragung der Verurteilung in das Bundeszentral- bzw. Verkehrszentralregister, aus sich selbst heraus verständlich sein.

[…]

Das angegriffene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zu neuer Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht G zurückzuverweisen. Dieses wird auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Flapsige Formulierungen sind in einem Weblog erlaubt, aber nicht in einem Urteil. Das sollte auch die Generalstaatsanwaltschaft wissen. Eigentlich.

 

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Der Antrag am Sonntag

Ich wurde bereits zum Pflichtverteidiger bestellt. Das reicht nicht. Deswegen habe ich heute (ja, Strafverteidiger arbeiten auch am Sonntag!) beantragt, dem Angeklagten einen weiteren Verteidiger zur Seite zu stellen. Aus der Begründung:

Die Bestellung eines zweiten Verteidigers ist hier insbesondere wegen des – als bekannt vorausgesetzten, und deswegen nicht weiter beschriebenen – ungewöhnlich hohen Umfangs des Aktenmaterials und des Prozeßstoffs (1.383 Zeugen, 291 Seiten Anklageschrift, 469 Band Akten) notwendig.

In einer ersten Plauderei vor ein paar Wochen hat der Vorsitzende Richter zu verstehen gegeben, daß er einen Verteidiger für ausreichend halte.

Schau’n wer mal, was das Oberlandesgericht dazu sagt, wenn er an seiner Haltung festhält.

 

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Dienstagabend am Kotti

Kein angenehmer Ort, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

 

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Fensterputzer

Rund 1.700 Kilometer auf der Autobahn, teils in der Abenddämmerung gefahren, hinterlassen ihre Spuren auf Windschutzscheibe. Der sterblichen Überreste der fliegenden Fauna waren reichlich vorhanden und ich zu faul, zum Schwamm zu greifen.

Der Stop vor der roten Ampel am Kottbusser Tor und die Scheibenputzer kamen daher gerade richtig. Mit zwei „Mann“ machten sich die Rumänen an die Arbeit, in Sekundenschnelle hatte ich wieder den Durchblick. Gern habe ich in die Park-Groschen-Sammlung gegriffen und dem Jungen einen Silberling in die Hand gedrückt.

Er bedankte sich fein, gestikulierte dann aber, daß ihm eben dieses Geldstück bei der Übergabe wieder ins Auto gefallen sei.  Obwohl dieser „Trick“ durchschaubar war, habe ich ihm einen Ersatz- zweiten Silberling gegeben.

Es liegt auf der Hand, daß die Scheibenwischer nicht auf Rosen gebettet sind und mir tun die beiden Geldstücke auch nicht weh. Aber wenn ich mit einigem Abstand nun darüber nachdenke, wie die Jungs meine Gutmütigkeit  ausgenutzt haben …

Ich weiß nicht, wie ich reagieren werde, wenn mir am Kotti wieder einmal die Wagenwäsche angeboten wird. Schade eigentlich.

 

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Billig, im Sinne von minderwertig, kurzlebig

Dieses Blog wird bei 1&1 gehostet, was möglicherweise ein Fehler ist, aber ich wollte die Kosten niedrig halten, weil ich mit Internet-Law keine Einnahmen erziele.

schreibt der Kollege Thomas Stadler in seinem Weblog und berichtet über „Das unseriöse Geschäftsgebaren der 1&1 Internet AG“.

Vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen mit jenem Unternehmen aus dem Westerwald kann auch ich Herrn Stadler nur empfehlen, zu einem seriösen Anbieter zu wechseln und die anderen Kollegen dringend davor warnen, sich mit diesem Laden einzulassen.

Billig ist die 1&1 Internet AG, ja. Billig eben. Mehr nicht.

BTW:
Dieses Blog wird NICHT bei 1&1 gehostet! Sondern bei bei all-inkl.com

 

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Journaillistische Panikmache

Die Polizei hat zwei mutmaßliche Terroristen in Berlin festgenommen: Die beiden Männer waren aufgefallen, weil sie in großem Stil Substanzen eingekauft hatten, aus denen sich eine Bombe bauen lässt. Der Verdacht: „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“.

berichtet die Berliner Morgenpost.

Ich frage mich, warum Michael Behrendt, der Autor dieses Artikels, sich diese Panikmache nicht verkneifen kann, die er zwischen seinen Zeilen transportiert. Sogar Bericht in der B.Z., der auf seinen Artikel aufsetzt, wirkt da wesentlich zurückhaltender.

Feststeht nämlich so gut wie nichts. Das adjektive „mutmaßlich“ vor dem „Terroristen“ ist Förmelei mit Blick auf Ziffer 13 des Pressekodex‚; wenn Behrendt das Wörtchen weggelassen hätte, würde in diesem Artikel nichts fehlen.

… die Säure und die in den Kühlelementen enhaltenen Substanzen wollte die beiden Verdächtigen demnach vermischen, um eine Bombe zu bauen.

Ja, bitte, woher weiß der Journalist das? Hat er sich mit den beiden unterhalten??

Die selbe Stimmungsmache wird übrigens auch in der taz verbreitet:

Die Berliner Polizei hat offenbar einen Anschlag vereitelt.

„Offenbar“ ist hier nichts. Es gibt einen Verdacht, mehr nicht.

Vielleicht stillt die Presse einfach ‚mal das Informationsbedürfnis der Bevölkerung und hört auf damit, Angst und Schrecken zu verbreiten. Es sind nicht „die Terroristen„, die hier Panik machen, sondern „die Journalisten„.

Auf dem Weg zum Gericht habe ich heute Vormittag in einem Bericht gehört: Es sei wahrscheinlicher, von einem Blitz erschlagen, als Opfer eines „terroristischen“ Anschlags zu werden. Aber mit der Blitzgefahr kann ein Michael Behrendt seinen Lebensunterhalt nicht verdienen und die Mottenpost keine Umsätze erzielen.

Terrorgefahr als Alimentation dahinsiechender Unternehmen? Schämt Euch, Ihr Artikel-5-Simulanten!

 

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Auf Krawall gebürstet

Das Amtsgericht Dresden hat mich als Verteidiger geladen. Auf morgens früh um 9 Uhr.

Ich habe ein paar Probleme mit der Anreise aus Berlin, deswegen hat unsere Mitarbeiterin für mich freundlich an das Gericht geschrieben:

um den Termin um 9:00 Uhr wahrnehmen zu können, müsste ich unter Einplanung einer möglichen Verspätung den Zug um 4:57 Uhr ab Ostbahnhof Berlin buchen. Dies bedeutet, dass ich mich um 4:00 Uhr von zu Hause aus auf den Weg zum Bahnhof machen müsste. Dies wiederum hätte zur Folge, dass ich mitten in der Nacht aufstehen müsste.

Ich möchte Sie daher bitten, den Termin am 10. November 2011 auf eine Zeit zu verschieben, um mir die An- und Abreise aus Berlin am Terminstag zu ermöglichen.

Das Gericht schreibt mir zurück:


Was erwartet so ein Richter (Ich denke mal, daß die Urkundsbeamtin mir auf seine Weisung hin geschrieben hat) eigentlich jetzt von mir?

Es gibt Verteidiger, die sind von Natur aus auf Krawall gebürstet. Und dann gibt es Verteidiger, die werden von Richtern dazu gemacht.

Here we go …

 

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Buschkowsky: Doch kein Dickhäuter?

Der Herr Bezirksbürgermeister von Neukölln, Herr Buschkowsky, ist bundesweit bekannt für seine deutlichen Worte. Er sagt, was er denkt, wenn es um die Verhältnisse in Neukölln geht.

Nun hatte er sich auch über die Verhältnisse in Moabit geäußert. Eine Entscheidung des Moabiter Kriminalgerichts – genauer: des Amtsgerichts Tiergarten – gefiel ihm nicht. Deswegen betitelte er die Richter als „Schwachmaten“ und „low performer“; er sprach von „Schlafmützenjustiz“.

Keine Ahnung von nichts, aber den Hafen aufreißen. So kennen wir manchen Politiker in diesem Zeiten: Es ist ja schließlich Wahlkampf in Neukölln.

Dieser Tonfall gefiel – erwartungsgemäß – den Strafjuristen nicht. Strafverteidiger, Staatsanwälte und – selbstredend – Richter beschwerten sich unisono über den Ausfall des dicken Neuköllners. In einer Pressemitteilung der Justiz heißt es:

Wer sich jedoch wie Herr Buschkowsky als aktiver Politiker, ohne den Sachverhalt vorab aufzuklären, zu einer Art politischer Revisionsinstanz aufschwingt und sich dabei zu derart verbalen Entgleisungen hinreißen lässt, offenbart ein gestörtes Verhältnis zu den Spielregeln unseres Rechtsstaates.

Das sind ebenfalls deutliche Worte, gemessen an der sonst üblichen „standesgemäßen“ Zurückhaltung der Justizorgane sogar sehr deutliche Worte. Aber immer noch recht diplomatisch formuliert.

Aber irgendwie scheint der Herr Buschkowsky nun doch ein Sensibelchen zu sein. Denn der Tagesspiegel berichtet heute, der Neuköllner ginge juristisch gegen den Präsidenten des Amtsgerichts Tiergarten vor. In den Formulierungen soll der SPD-Politiker sich in einer herabsetzenden Weise dargestellt sehen.

Mir kommen die Tränen! Da poltert dieser Politiker in Richtung Richter, diese wehren sich in adäquater Form und nun fühlt sich der feine Herr in seiner Ehre gekränkt. Och Gottchen, der arme Mann …

Aber wenigstens in der einen Richtung ist er konsequent:

An seiner Justizkritik will Buschkowsky ausdrücklich festhalten.

schreibt der Tagesspiegel. Na bitte, das ist doch ‚mal richtig gute Provinzpolitik in der Hauptstadt.

 

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Keine Verletzung der Haushaltsautonomie

Verfassungsbeschwerden gegen Maßnahmen zur Griechenland-Hilfe und zum Euro-Rettungsschirm erfolglos – Keine Verletzung der Haushaltsautonomie des Bundestages.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem heute verkündeten Urteil drei Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen, die sich gegen deutsche und europäische Rechtsakte sowie weitere Maßnahmen im Zusammenhang mit der Griechenland-Hilfe und dem Euro-Rettungsschirm richten.

Über den Sachverhalt informiert das Bundesverfassungsgericht in der Pressemitteilung Nr. 37/2011 vom 9. Juni 2011.

 

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Schwimmende Leichenteile

Seit Jahren werden an der nordamerikanischen Pafizikküste immer wieder Leichenteile angeschwemmt – immer sind es Füße, immer stecken sie in Turnschuhen. Treibt ein Serienmörder sein Unwesen, der seine Opfer zerstückelt?

Das wäre doch mal ein Thema auch für unsere Boulevard-Presse. Man müßte nur die Erklärung der kanadischen Forensikerin Gail Anderson unterschlagen:

Wenn eine Leiche im Wasser treibe, falle der tote Körper auseinander, „und die Füße lösen sich vom Rest des Beines“. Und während sich die anderen Leichenteile allmählich auf dem Meeresgrund auflösen, trieben in Sportschuhen steckende Füße an die Oberfläche, denn: „Die modernen Turnschuhmodelle wirken wie Schwimmwesten.“

und schon hätte man hätten die Journalisten Texter der GROSSBUCHSTABENBLÄTTER wieder eine schöne Story.

Foto: Gitti  / pixelio.de

 

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