Neue Mandate durch Verrat?

Daß der Gesetzgeber Verräter und Ermittler ins selbe Boot gesetzt hat, ist bekannt; die § 31 BtMG und § 46b StGB sind die Basis für ein furchtbares fruchtbares Zusammenwirken von Straftätern und Strafverfolgern. Darüber hatte ich bereits berichtet, weil die Vorschriften eben auch tief ins Verhältnis zwischen Mandant und seinem Verteidiger eingreifen.

Daß diese Norm aber auch zu neuen Mandaten für Strafverteidiger führen kann, habe ich kürzlich einer Ermittlungsakte entnehmen können.

Anfang 2009 wurde Bulli Bullmann verhaftet, nachdem man Betäubungsmitteln im Kilobereich bei ihm entdeckt hatte. Bullmann wurde verteidigt von einem Rechtsanwalt, nennen wir ihn mal Rudolf Ratte.

Rechtsanwalt Rudolf Ratte

Dieser Verteidiger hat nun seinem Mandanten bereits bei der polizeilichen Vernehmung (vor Akteneinsicht also, ein Kardinalfehler!) zum umfassenden Geständnis geraten. Und darüber hinaus auch noch zum Verrat seines Lieferanten namens Wilhelm Brause.

Bulli Bullmann wurde rechtskräftig verurteilt, wobei er wohl den begehrten Rabatt des § 31 BtMG mitnahm. Seine Aussagen führten zu einem (verdeckten) Ermittlungsverfahren gegen Wilhelm Brause.

Vor ein paar Tagen erfolgte der Zugriff der Polizei und zur Sicherstellung von Betäubungsmitteln im dreistelligen Kilobereich. Ohne den Hinweis des Verräters Bullmann, beraten von Rechtsanwalt Rudolf Ratte, hätten die Ermittler den Lieferanten Brause nicht, jedenfalls jetzt noch nicht, überführen können. Insoweit war der Strafnachlass also „gerechtfertigt“.

Soweit, so übel, aber normal.

Nachdem ich mich für Wilhelm Brause als Verteidiger gemeldet und ihn durch das Haftverfahren begleitet hatte, begegnet mir Rechtsanwalt Rudolf Ratte in der Untersuchungshaftanstalt Moabit.

Ich war auf dem Weg zu Brause. Ratte kam gerade von dort.

Brause erzählte mir, daß Ratte ihn auf Bitten eines Freundes besucht und ihn gebeten hätte, ihn statt meiner mit seiner Verteidigung zu beauftragen.

Ich hatte den frischen Kopiesatz der Ermittlungsakte dabei, so konnte ich dem Mandanten schwarz auf weiß zeigen, in welchem Zusammenhang Rechtsanwalt Rudolf Ratte zuvor Erfahrungen in BtM-Sachen gesammelt hatte.

Nur gut, daß Ratte bereits die Haftanstalt verlassen hatte, und mein Mandant ihn nicht mehr in die Finger bekommen konnte.

Eine ganz feine Art der Mandatsbeschaffung, Herr Ratte.

Bild: aboutpixel.de / Nataraj

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19 Antworten auf Neue Mandate durch Verrat?

  1. 1
    Dante says:

    Des Anwalts Mandatswewrbung mal außen vor gelassen:

    In einem solchen Fall kann man sich über § 31 BtMG eigentlich nur aufregen, wenn man um Umlauf von 100+kg BtM kein Problem erkennen kann oder will.

    Dass bei § 31 BtMG die Gefahr der Falschbelastung besteht ist klar. Dass man entsprechende Aussagen genau prüfen muss ebenso. Aber genau eine solche Prüfung ist doch hier erfolgt. Was soll also die Empörung über § 31 BtMG?

    Da klingen sie ein wenig betriebsblind, Herr Hoenig.

  2. 2
    Gerd Kraemer says:

    @ Dante: Das hat mit „Betriebsblindheit“ nichts zu tun – eher damit, dass hier ein „Rechts-Anwalt“ auch emotional ganz auf die andere Seite gewechselt und zum „Unrechts-Anwalt“ geworden ist (wie der „Consigliere“ des Mafia-Paten, nur halt mit wechselnden Auftraggebern).

  3. 3

    Aber, aber: Das nennt man nicht mehr Interessenkollision; auch nicht mehr (kaum getarnte) unzulässige Werbung ums Einzelmandat. Das nennt man jetzt kreative Schaffung von Nachfrage.

  4. 4
    BV says:

    Einfach mal der Kammer melden. Irgendwann ist es keine „einsame Beschwerde im besonderen Einzelfall“ mehr, sondern es wird ein Bild draus…

  5. 5
    Joerg says:

    Herr Hoenig, Sie tun dem possierlichen Tierchen auf dem Bild aber Unrecht, wenn Sie damit eine Assoziation zu Rudolf Ratte herstellen.

  6. 6
    R. Tape says:

    Nur mal gut, dass Sie dem RA den Vornamen Rudolf gaben, denn es gibt mindestens 1 RA, der tatsächlich Ratte heißt:
    http://www.xing.com/profile/Michael_Ratte2

  7. 7

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  8. 8
    Knilch says:

    Lieber Herr Hoenig,

    ich gucke gerne in Ihrem Blog vorbei. Oftmals sind auch die Kommentare der Hit für mich.

    Aber Sie sollten auch mal abschalten. Versuchen Sie es mal wie in dem gebotenen Link.

    Viele Grüße
    Knilch, der sich noch immer fragt, wie das mit den evtl. verschwundenen Prozessakten auf dem Postweg funktionieren kann.

  9. 9
    Ein Staatsanwalt says:

    Immerhin: RA Ratte erspart seinen Mandanten Monate, wenn nicht sogar Jahre, die Ihre Mandanten zusätzlich abbrummen dürfen.

    Natürlich haben Ihre Mandanten aber den Vorteil, dass sie nach dem Absitzen Ihrer Zeit von ihren alten Kumpels wieder mit offenen Armen empfangen werden und im alten Job neue Erfolge feiern können…

  10. 10
    doppelfish says:

    Ein Staatsanwalt: Der Mandant von CRH freut sich bestimmt auch darauf, den Mandanten von RA R. wieder zu treffen. Oder ggf. treffen zu lassen, zum Beispiel im Kaliber 9×19.

  11. 11
    Jens says:

    @ doppelfish: Das ist leider wahr (und gar nicht lustig!). Genau deshalb ist es auch so perfide, wenn Anwälte die ihnen gewährte Akteneinsicht dazu missbrauchen, den Mandanten zügig darüber aufzuklären, wer ihn eigentlich verpfiffen hat.

  12. 12
    RA Müller says:

    Der Hund liegt hier doch an zwei Punkten begraben:

    1. „Rudolf Ratte“ hat vor Akteneinsicht den Rat erteilt, ein umfassendes Geständnis abzulegen. Ob sich diese grundsätzliche Fehler vorliegend nachteilig ausgewirkt hat, läßt sich indes ohne Kenntnis der Verfahrenskten nicht beurteilen. Die Gefahr ist allerdings stets vorhanden, daß der so beratene Mandant Taten gesteht, die ihm gar nicht nachzuweisen gewesen wären. Mag das Ergebnis dann auch „richtig“ sein, so ist die Verteidigung dennoch unbrauchbar.

    2. Wenn ich den Eintrag richtig verstanden habe, hat nicht etwa der Mandant Herrn Ratte zu sich gerufen, sondern Ratte hat ihn auf Aufforderung eines Dritten aufgesucht und den (potentiellen und bereits anderweitig verteidigten) Mandanten darum gebeten, ihm das Mandat zu übertragen: In meinen Augen ein standeswidriges Verhalten.

  13. 13
    Carl says:

    @ Gerd Kraemer

    Es gibt keinen Unrechtsanwalt. Der Anwalt ist qua Aufgabe parteiisch. Wer von der Meinungsäußerung des Strafverteidigers Neutralität, Mäßigung und Zurückhaltung erwartet, der vertauscht die Rollen des Verfahrens.


    Warum sollte man es dem Verteidiger übelnehmen, wenn er sich darüber ärgert, dass seine Bemühungen für die eigene Partei durch fremde Hand desavouiert werden?

  14. 14
    Andre says:

    @ Carl: Distanz, professionelle Distanz. Die Interessen des Mandanten mit Nachdruck vertreten, ohne sich mit einem Schwerverbrecher gemein zu machen. Das ist die Hohe Kunst des Strafverteidigers als Organ der Rechtspflege.

  15. 15
    Hermann says:

    @Andre
    Es gibt im Erkenntnisverfahren keine Schwerverbrecher. Es gibt nur Menschen, denen Straftaten vorgeworfen werden. Der Rechtsstaat funktionierte besser, wenn auch Strafrichter tendenziell eher davon ausgingen, daß der vor ihnen sitzende Angeklagte unschuldig ist und seine Schuld bewiesen werden muß, statt die Beweislast für die Unschuld de facto der Verteidigung aufzubürden.

    Das tut in vielen Fällen weh und fordert bei mancher bluttropfenden Akte Überwindung. Aber wer das nicht aushält, sollte besser Mietrecht machen.

    Die meisten Strafrichter scheuen – zumindest bei schwerwiegenden Vorwürfen – keine Kosten und Mühen, um noch aus dem entferntesten Winkel der Erde einen Belastungszeugen aufzutreiben. Da spielen Verfahrensdauer und Kosten keine Rolle. Ich habe noch nie erlebt, daß ein Richter von Amts wegen so einen Aufwand betreibt, um einen Entlastungszeugen herbeizuschaffen. Der ist dann eben ganz schnell „nicht erreichbar“.

    Anders als im Zivilprozeß ist der Strafrichter in Deutschland eben nicht neutraler Schiedsrichter, sondern sitzt ein wenig mehr auf der Seite der Staatsanwaltschaft. Eine Folge des Inquisitionsprinzips und des historisch entwickelten Selbstverständnisses des deutschen Richters.

  16. 16
    RA Müller says:

    Nicht besser wird es dadurch, daß regelmäßig eben jener Richter, der das Hauptverfahren eröffnet und damit ausgehend von der vorläufigen Beweislage die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung bejaht hat („hinreichender Tatverdacht“), schließlich das Urteil zu fällen hat.

  17. 17
    Andre says:

    @ Hermann:

    Wir sind hier aber nicht im Erkenntnisverfahren, sondern im Blog. Und wer Betäubungsmittel im dreistelligen Kilobereich hat, der ist eben ein Schwerverbrecher.

    Der Strafrichter sitzt auch nicht auf der Seite der Staatsanwaltschaft.

    Dieses schon deshalb nicht, weil die Staatsanwaltschaft nicht auf einer Seite sitzt. Wahrheitsfindung ist die Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Ihr Ziel ist es, dass am Ende einer Hauptverhandlung ein richtiges und gerechtes Urteil ergeht.

    Das kann sich mit dem Interesse des Angeklagten und seines Anwalts decken, muss es aber nicht und tut es wohl oft auch nicht.

  18. 18
    Hermann says:

    @Andre

    Soweit die Theorie. Gerade entdeckte ich beim Kopieren einer Akte den Terminsvorbereitungszettel des Richters. Sauber hatte er sich aus dem Aktenberg alles herausgeschrieben, was gegen den Angeklagten spricht, nebst Angaben der Blattzahlen. Keine einzige Anmerkung, kein einziges Post-it an den vielen Stellen, die für den Angeklagten sprechen (die Beweislage ist dünn, der Mandant beteuert seine Unschuld, zahlreiche Fakten sprechen für seine Version und gegen die des Belastungszeugen). Wer seine Verfahren so vorbereitet, fährt von vornherein ein Verurteilungsprogramm.

  19. 19
    Carl says:

    @ Andre

    Professionelle Distanz in Bezug auf das vorgeworfene Delikt und den Tathergang: d’accord.

    Prozessuales wie der Strafnachlass und Fragen des Standesrechts sind meines Erachtens davon nicht umfasst. Dabei geht es ja nicht um „wen“ sondern um das „wie“ der Verteidigung – daher finde ich rechtspolitische Kommentare dazu nicht unangebracht, auch wenn sie hier gerne mal scharfzüngig daherkommen.