Fallerslebens Lumpen


Ihm, dem Herrn Hoffmann von Fallersleben, wird folgendes Zitat nachgesagt:

Der größte Lump im ganzen Land,
das ist und bleibt der Denunziant.

Ich finde, Fallersleben hat grundsätzlich Recht, wenn er – wie ich – Verräter nicht mag. Aber nicht alle sind mit ihm einverstanden. Oder – erst Recht – nicht mit mir, wenn ich ab und an einen Zeugen, der Insider-Informationen an die Ermittlungsbehörden weitergibt, als Verräter diskriminiere bezeichne.

Selbstverständlich ist es nicht zu verurteilen, wenn jemand sich bereit erklärt, den Ermittlungsbehörden unter die Arme zu greifen. Schließlich geht es – jedenfalls in den von mir berichteten Fällen – meist um erhebliche Verbrechen, die aufgeklärt werden sollen. Auch ich schätze und respektiere die Arbeit der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Aber deren Auftreten in der Gesellschaft unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von dem Lump, von dem Verräter: Sie mißbrauchen in aller Regel kein Vertrauen.

Diejenigen, die ich hier im Blog als Verräter bezeichnet habe, haben alle etwas gemein. Sie hatten zu den Verratenen ein Vertrauensverhältnis. Man ist – teilweise über Jahre hinweg – einen gemeinsamen Weg gegangen. Ob das nun der richtige Weg war oder nicht, kann dahin gestellt bleiben. Jedenfalls wußte der eine vom anderen, er kann sich auf ihn verlassen. Kann ihm vertrauen. Man sprach respektvoll von dem anderen als „Bruder“, als „Onkel“ oder versicherte ihm auf andere, ebenso deutliche Weise seine engste Verbundenheit, seinen Respekt.

Und irgendwann, ohne vorherigen Streit oder Zerwürfnisse, wird der Denunziant nach Informationen gefragt. Von der Polizei, weil er bei einer Straftat erwischt wurde. Manchmal ist es eine Straftat, die beide gemeinsam begangen haben. Es gibt auch Fälle, in denen der Lump von Straftaten des anderen berichtet, von denen er nur weiß, aber sonst nichts damit zu tun hatte.

Unser Rechtssystem verspricht dem Informanten einen Lohn (§ 46b StGB, § 31 BtMG). Strafnachlass heißt dieser Lohn. Statt 5 Jahre Freiheitsstrafe gibt es nur 3 Jahre. Zum Beispiel. Im „besten“ Falle: Straffreiheit. Für diesen Lohn liefert der Kronzeuge die Informationen, die die Polizei für ihre Ermittlungen braucht.

Der Verräter verkauft seinen ehemaligen „Bruder“, um seinen eigenen Arsch zu retten. Das bezeichne ich – auch im Zusammenhang mit dem Handel von Betäubungsmitteln oder was auch immer – als üblen Verrat und eigennützige Denunziation.

Solche Leute haben keinen Begriff von Respekt, sie haben keine Ehre im Leib. Sie verdienen keine Achtung.

Meine Mandanten wissen, daß ich ihre Verteidigung stets mit Vollgas betreibe. Sie wissen aber auch – und zwar von Anfang an, daß ich für die Begleitung eines Verrats grundsätzlich nicht zur Verfügung stehe. Diese Art der Verteidigung sollen andere Anwälte machen.

Vielleicht ist meine strikte Haltung dieser Sorte Menschen gegenüber mit dem Kapital begründet, das mir als einzige Basis für meine Arbeit als Strafverteidiger zur Verfügung steht: Vertrauen.

Dieser Beitrag wurde unter In eigener Sache, Verteidigung veröffentlicht.

12 Antworten auf Fallerslebens Lumpen

  1. 1
    Das Ich says:

    …nur hat das Zitat von von Fallersleben nichts mit Ihren angeblichen „Denunzianten“ zu tun.
    Ihre „Denunzianten“ dürften sich im Kreise der Verbrecher bis Schwerverbrecher bewegen. Von von Fallerslebens Zitat spielt aber auf seine Verfolgung des Preussischen Staates und die damit verbundene bespitzelung durch die Polizei an.
    Das dürfte etwas daneben sein.
    Natürlich weiss der aufmerksame Leser was Sie versuchen uns zu sagen.

    Ich finde aber auch, dass Sie als Organ der Rechtspflege nicht der „dunklen Seite der Macht“ verfallen dürften. So klingt das nämlich seit 2 Posts. Das Leben ist nicht Bonni & Clyde…keine Verbrecherromantik!

  2. 2
    Till says:

    Ich kann ihre Argumentation grundsätzlich nachvollziehen; und es ist auch ganz natürlich, daß jeder Anwalt seine Abneigungen hat, wo es dann besser ist, nicht tätig zu werden. Ich bin relativ unempfindlich, respektiere aber jedermanns Empfindungen. Und Ihre ist insoweit natürlich vertretbar, als daß auch das StGB den Hochverrat als erste Straftat des BT setzt.
    Ich empfinde das – rein intuitiv – anders, wahrscheinlich weil ich mittlerweile schwerpunktmäßig Compliance mache.

    Nur interessehalber: Würden Sie denn z.B. Industriespionage, Untreuedelikte, Diebstähle im Freundes- und Familienkreis, (abseitiges Beispiel:) Morde mit Merkmalen Habgier und Heimtücke auch nicht vertreten? Um eines Geldvorteils willen das Vertrauen eines anderen zu brechen, halte ich für weniger verwerflich, als dies zu tun, um einer Strafe zu entgehen. Kann man aber bestimmt anders sehen.

  3. 3
    Andi says:

    Das Fallersleben-Zitat bezieht sich auf politische Einstellungen, nicht auf Straftaten.

    Ich respektiere Ihre Sicht als die Sicht eines Anwalts.

    Aber als Bürger und als Vater, Sohn, Bruder usw. bin ich über jeden Straftäter froh, der mit Polizei und Justiz kooperiert und hilft, dass andere Straftäter verurteilt werden. Dadurch sinkt die Gefahr für jeden, Opfer von Straftaten zu werden.

  4. 4
    Bruder says:

    So hat jeder Verteidiger seine Prinzipien. Ich mache keine „Deals“, selbst wenn sie dem Mandanten objektiv nützen. Der nächste verteidigt keine „Verräter“ oder das, was er darunter versteht, selbst wenn der Mandant von der Kronzeugenregelung profitieren könnte.

    Aber: sowohl der „Deal“ als auch der „Verrat“ sind zwischenzeitlich vom Gesetzgeber gebilligte strafprozessuale Mittel der Verfahrensgestaltung. Rechtsstaatlich fragwürdig ist das allemal. Aber solange das BVerfG das o.k. findet… Außerdem muß man sich als Anwalt vielleicht mit einer gewissen Berechtigung fragen lassen, ob wir für unsere Mandanten das Beste herausholen, wenn wir uns aus persönlichen Gründen oder wegen rechtsstaatlicher Bedenken gesetzlich vorgesehener Möglichkeiten nicht bedienen.

      Das ist in der Tat eine Frage, die so früh wie möglich geklärt werden muß. Ich nehme mir die Freiheit, von einigen „gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten“ keinen Gebrauch zu machen. Das teile ich dem (potentiellen) Mandanten rechtzeitig(!) mit und empfehle ihn ggf. an einen Kollegen, der insoweit keine Skrupel hat. Mir ist dabei durchaus bekannt, daß es Problem-/Grenzfälle gibt, in denen ich in meiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt bin. Die einmal übernommene Verantwortung für den Mandanten verbietet Prinzipienreiterei.

      Man hat es nicht einfach, als Strafverteidiger, sach ich Ihnen. ;-) crh

  5. 5
    Bernhard says:

    Das sind die beruflichen Moralvorstellungen eines Consigliere – Tom Hagen lässt grüßen – , nicht die eines „Organs der Rechtspflege“.

  6. 6
    Malsomalso says:

    Tja, so ist es nunmal. Es kommt immer darauf an, welche Seite man gerade vertritt.

    Mal wird der Verräter geächtet (s.o.), mal der, der schweigt: http://www.kanzlei-hoenig.info/solidargemeinschaften

      Die „Corps-Geist-Fälle“ sind Äpfel, das „(s.o.)“ sind Birnen. crh
  7. 7
    Till says:

    @Bernhard: Da muss ich Herrn Hoenig – mit dem ich politisch und hinsichtlich unseres Berufsverständnisses oft genug über Kreuz liege, betrachten Sie mich daher bitte als halbwegs neutrale Instanz – doch verteidigen. Als „Consigliere“ könnten Sie eher Leute bezeichnen, die im Private Equity / Family Office – Bereich unterwegs sind.
    Und selbständiges (!) „Organ der Rechtspflege“ – das ist trotz allem der Strafverteidiger und nicht der legal service provider…

  8. 8
    ExRA says:

    Hombre! Warum immer so extrem? Warum immer „schwarz / weiss“? Was machst Du, wenn ein gemeinsam „vertrauensvoll“ geplanter Coup völlig aus dem Ruder läuft, weil einer Deiner „Vertrauten“ ohne Not und weil es ihm Spass macht, zum Rumballern anfängt, Leute totschiesst und die StA hinterher Dich als Mörder anklagt? Mund halten wegen Ehrenkodex? Ja kein Denunziant sein?
    Bei einer richtigen „Ratte“ – jeder weiss, welchen Typ ich damit meine – gebe ich Kollegen Hönig Recht, wobei Hoffmann von Fallersleben mit seinem Zitat seinerzeit sicherlich andere Zeitgenossen gemeint hat.

  9. 9

    @ExRA:

    Warum immer “schwarz / weiss”?

    Ich halte es für wichtig, eine erste Orientierung zu haben. Den Normalfall, sozusagen. Der ist eben weiß oder schwarz.

    Nur wenn diese beiden äußeren Positionen feststehen, kann ich das Graue(n) richtig eintüten.

  10. 10
    ExRA says:

    Suum quique, Kollege Hönig! Das gilt auch für Meinungen und Ansichten. Lassen wir es gut sein.

  11. 11
    Tilman says:

    Angeblich aus dem „Sozialdemokratisches Liederbuch“ von 1897:

    Das Spionieren auf der Welt
    Als bestes Handwerk mir gefällt;
    Ich schnüffle hin, ich schnüffle her
    Ich schleich herum, mal kreuz, mal quer.

    Mit meinen Ohren lang und weit
    Steh ich zum Horchen stets bereit,
    Und mir entgeht kein einzig Wort,
    Ich merke alles mir sofort.

    Dafür empfang ich guten Lohn
    im eignen Pflichtbewußtsein schon,
    Und unsre Zeit, sie ist mir hold,
    Bald wiegt sie mich wohl auf in Gold.

    So steh in hoher Achtung ich,
    und der Philister liebet mich.
    Auch fühl ich weder Scham noch Schand,
    Ich bin ein braver Denunziant.

  12. 12
    suann says:

    respekt zu ihrer einstellung. das grosse missverstaendnis bei dieser diskussion scheint mir zu sein, dass „moral“ ( was immer das heisst ) mit vertrauen, das ein mandant seinem anwalt entgegen bringen MUSS, hier verwechselt wird. nur zum nachdenken, ein ( guter) strafverteidiger ist nicht der vertreter der herrschenden moral – sondern nur seinem mandanten gegenueber zu einer optimalen verteidung verpflichtet. eine andere sichtweise sieht eine funktionierende demoktratie nicht vor.