Vergeigt

Eine schwierige Wirtschaftsstrafsache vor dem Schöffengericht, fünfter Verhandlungstag. Der Mandant hat Stein und Bein geschworen, daß er den Belastungszeugen und den Schöffen vor einiger Zeit gemeinsam beim Italiener Pizza essen gesehen hat. Es war also zu befürchten, daß sich die beiden auch über den Mandanten unterhalten haben – zumal der Zeuge auf den Mandanten schon vor jener Zeit überhaupt nicht gut zu sprechen war.

Ich sollte ein Ablehnungsgesuch (vulgo: Befangenheitsantrag) an das Gericht richten, damit dieser Schöffe nicht über den Mandanten richten kann. Solche Gesuche des Angeklagten sind allerdings auch bestens dazu geeignet, die Stimmung zu verderben. Denn wenn so ein Antrag Erfolg hat, muß das Gericht neu besetzt werden und das Verfahren beginnt von vorn. Und wenn der Antrag abgelehnt wird, ist der Schöffe – und vielleicht auch der Vorsitzende Richter – ebenfalls not amused. Aus naheliegenden Gründen.

Deswegen war Vorsicht angesagt. Aber der Mandant war sich ganz sicher, also habe ich an einer geschickten Formulierung gebastelt, die im Falle des Falles wenigstens das Schlimmste verhindern sollte.

Es wurde eine recht umfangreiche Erklärung. Wie beantragt fand dann eine „Ablehnungsverhandlung“ statt. Der Schöffe teilte zuvor in einer dienstlichen Erklärung mit, mit dem Zeugen, den er zwar seit Jahren kennt, nicht über den Mandanten gesprochen zu haben. Der Zeuge bestätigte dies dann auch. Weihnachtsfeier ja, aber daß der frühere Kollege nun Schöffe sei … davon habe er nichts gewußt. Das hörte sich alles sehr rund an.

Deswegen habe ich dann besser mal das Ablehnungsgesuch zurück genommen. Die Stimmung in der Verhandlung war allerdings zum Herrn, jedenfalls im Verhältnis zum Mandanten. Der hatte sich dann wohl doch geirrt, was die Pizza anging.

Machen wir das Beste daraus …

Dieser Beitrag wurde unter Mandanten, Verteidigung veröffentlicht.

2 Antworten auf Vergeigt

  1. 1
    oldschool says:

    Wie bitte WAS???

    Ich verliere gerade endgültig das Vertrauen ins Deutsche Rechtssystem!

    Der Schöffe und der Belastungszeuge geben zu, sich seit Jahren zu kennen, haben aber natürlich noch NIE über den Angeklagten geredet, den man ja so gut leiden kann…

    …und das ist kein Grund, OHNE WEITERE DISKUSSION den Schöffen zu ersetzen?

    *Koppschüddel*

  2. 2
    Ann O. Nym says:

    Kann es sein dass hier ein Wort oder ein Satz fehlt? Für mich macht es keinen Sinn.

    „Die Stimmung in der Verhandlung war allerdings zum Herrn, jedenfalls im Verhältnis zum Mandanten.“