Das kann ich locker allein!

Der heranwachsende Mandant hatte einen erwachsenen Mittäter. Deswegen gab es zwei Verfahren: Das gegen den Mandanten vor dem Jugendrichter, gegen den Erwachsenen wurde vor dem Strafrichter verhandelt.

Das Verfahren gegen den Mandanten läuft noch. Gegen den Erwachsenen wurde am Donnerstag verhandelt. Der Mandant war als Zeuge geladen.

Ich hatte daher am Mittwoch mit dem Richter, dem Verteidiger des Erwachsenen und dem Nebenklagevertreter gesprochen und sie jeweils gebeten, den Mandanten nicht zu „quälen“, wenn er sich auf sein Schweigerecht beruft und nicht aussagt. Alle drei sagten mir ihre Unterstützung zu; der Nebenklagevertreter entband mich auch von meiner Sorge, daß der Staatsanwalt es trotzdem versuchen könne … er passe schon auf den Mandanten auf.

Aus Kostengründen verzichtete der Mandant daher, mich als Zeugenbeistand mitzunehmen; ich hatte ein gutes Gefühl, weil ich wußte, auf die Kollegen und das Gericht kann ich mich verlassen. Dem Mandanten habe ich in epischer Breite den § 55 StPO erklärt und daß er nicht aussagen solle und müsse, solange sein Verfahren nicht rechtskräftig beendet ist.

Der Mandant geht allein zum Gericht, wird als Zeuge in den Saal gerufen, ordnungsgemäß belehrt und … fängt an, eine völlig verquaste Zeugenaussage zu machen, bevor ihn irgend ein anderer Verfahrensbeteiligter daran hindern konnte.

Jetzt gibt es ein weiteres Verfahren; gegen den Mandanten; wegen Falschaussage. Und für sein bisheriges Verfahren sehe ich auch schwarz; die vorhandenen Spielräume haben sich erledigt.

Ich sach da jetz nix zu!

Dieser Beitrag wurde unter Mandanten veröffentlicht.

9 Antworten auf Das kann ich locker allein!

  1. 1
    RA says:

    Tja, so gehts. Es wird nicht der erste Mandant gewesen sein, der sich so verhalten hat und wird auch leider nicht der letzte sein.

    Deshalb lasse ich Mandanten auch äußerst ungern als Zeugen alleine vor Gericht. Kommt meist nix bei raus.

  2. 2
    Gerti says:

    Wieso? Man ist doch nicht die Mutter des Mandanten. Mehr als belehren kann man die Mandanten nicht. Es sind nicht nur die jugendlichen oder nicht ganz hellen Mandanten, die man nicht zügeln kann. Gerade die ganz Schlauen meinen oftmals, es ohne oder trotz anwaltlicher Beratung alleine besser zu können und ihrem Drang, sich zu äußern, freien Lauf lassen zu müssen. Einfach mal die Klappe zu halten fällt 70% der Bevölkerung ganz schwer. Die Babbel will einfach nicht stillstehen. Viele scheinen es geradezu zu genießen, endlich einmal gefragt und „wichtig“ genommen zu werden.

  3. 3
    Tagedieb says:

    Tja, steht man vermeindlich unter Druck, läuft einfach vieles schief. Und dann redet man wohl auch, obwohl man sich Stein und Bein geschworen hat, die Klappe zu halten.

    Hr. Hoenig hätte sich einfach nicht auf die drei anderen Parteien verlassen dürfen und, scheiß auf die Kosten, mitgehen müssen (m.E.)!

  4. 4
    RA says:

    Die drei andern „Parteien“ dürfen dem Mandanten aber nicht sagen, bitte halten sie die Klappe.

    Wieso scheiß auf die Kosten? Ist man als Anwalt Kindermädchen der Mandanten? Lebt man von Luft und Liebe? Hat man Zeit zu verschenken?

    Ich gehe auch mal für Umme mit, aber das hängt auch immer davon ab, um was für einen Mandanten es sich handelt bzw. welcher Art das Mandat ist.

    Für eine einfache kleine Pflichtverteidigung lohnt sich das einfach nicht, vor allem wenn man wohlmöglich noch eine weite Anreise in Kauf nehmen muss. Für Umme ist ja noch manchmal ok, aber wenn ich daran Miese mache, hört der Spaß auf.

    Handelt es sich bei dem Mandat um ein Schwurgerichtsverfahren mit 20 HV-Tagen, kann man auch mal umsonst als Zeugenbeistand mitgehen.

  5. 5
    Das Ich says:

    Hatten sie denn nicht mal eine Aushilfe oder sowas in der Art frei um ihn vor Gericht zu unterstützen?
    Alternativ hätte es auch ein Zahnarztbesuch vor der Verhandlung getan…mit betäubtem Mund ist eine Aussage Physikalisch dann einfach nicht möglich. ;-)
    (Ok, nen Tacker hätte es auch getan)

    isch

  6. 6
    Bernhardt says:

    Man hätte auch einen Studenten für einen 10er in der Stunde mitschicken können, der zumindest auf § 55 StPO achtet, vielleicht für das nächste Mal.

  7. 7
    Airfix says:

    Mann, Mann, Mann.

    Wie schwer kann es sein einfach mal die Klappe zu halten?! Zettel fest in beide Hände nehmen und bei jeder Frage vorlesen was drauf steht:

    „Ich will nichts sagen, solange mein Verfahren nicht rechtskräftig beendet ist.“

  8. 8

    Das mit dem Zettel werde ich in mein Standard-Repertoir übernehmen. Besten Dank für diese Anregung.

  9. 9
    Airfix says:

    Gerne geschehen. :-)
    Die Idee kam mir aufgrund eines Merksatzes einer Kollegin von Ihnen:

    Merke:
    Als Beschuldigter muss man grundsätzlich keine Aussage machen, weder bei der Polizei noch bei der Staatsanwaltschaft noch bei Gericht.
    Als Zeuge muss man bei der Polizei keine Aussage machen, wohl aber bei Staatsanwaltschaft und Gericht.

    Quelle:
    Kerstin Rueber
    Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht