Boykott des Richters?

Der Mandant wird beim Klauen erwischt. Ein einfacher Diebstahl. Aber: Er ist Ausländer und hat keinen festen Wohnsitz in Deutschland. Deswegen wird – quasi reflexartig – die Fluchtgefahr gemäß § 112 II 2 StPO angenommen und der Mandant sitzt nun in der Untersuchungshaft.

Er spricht kein Deutsch und ich seine Sprache auch nicht. Deswegen beantrage ich Akteneinsicht und die Beiordnung eines Dolmetschers für die Verteidigergespräche. Ich bekomme die Akte vom Gericht binnen weniger Tage – und gleich auch die Ladung zu Hauptverhandlungstermin. Soweit, sogut.

Ich habe dann noch einmal an den Dolmetscher erinnert. Schriftlich, höflich. Schriftlich, mahnend. Telefonisch,vergeblich; weder Richter, noch Geschäftsstelle sind erreichbar. Dann nochmal schriftlich, böse. Keine Reaktion.

Heute ist der Termin, sechs Zeugen sind geladen. Ich kenne die Akte, der Mandant das Papier, auf dem sie ausgedruckt wurde. Verstehen tut er sie nicht. Eine Vorbereitung auf den Termin hat nicht stattgefunden.

Und nun? Wenn ich jetzt die Aussetzung des Termins beantrage, muß der Richter diesem Antrag stattgeben, weil die Verteidigung sich nicht vorbereiten konnte. Dann wird irgendwann im Dezember oder Januar neu terminiert. Lehne ich bzw. lehnt der Mandant den Richter ab, passiert dasselbe. Der Mandant bleibt bis dahin – aller Wahrscheinlichkeit nach – in Haft; jedenfalls ist nicht mit seiner heutigen Entlassung zu rechnen.

Zu erwarten hat der Mandant eine Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird.

Manchem Richter scheint das Kosteneinsparungsgebot das Hirn vernebelt zu haben. Ich muß aufpassen, daß ich ihm das heute nicht sage.

Dieser Beitrag wurde unter Richter veröffentlicht.

9 Antworten auf Boykott des Richters?

  1. 1
    RALupo says:

    Ich staune in Strafmandaten immer, wie mühelos die Polizei mit ausländischen Zeugen und Beschuldigten parlieren kann, alles in feinstem Deutsch festgehalten, wohingegen ich mit meinen Klienten kaum ein Wort wechseln kann, weil sie kein/kaum Deutsch sprechen. Muss wohl an mir liegen.

  2. 2
    RA JM says:

    Manche Richter haben ja schon einige Schwierigkeiten mit der StPO, da ist Art. 6 Abs. II lit. e) EMRK natürlich ziemlich fernliegend. :-(

  3. 3
    Hannes says:

    Und wer hat den Fehler begangen? Der Mandant. Er hat geklaut! Was will er hier, wenn er unsere Sprache nicht spricht? Warum klaut er?

    Ja ich weiß, in seinem Land ist Krieg und er wird politisch verfolgt und weil er hier nicht genug Geld bekommt, musste er klauen.

  4. 4

    @ Hannes:

    Sie schwätzen extrem dummes Zeug über Dinge, von denen Sie keine Ahnung haben. Oder?

  5. 5
    Pascal says:

    Genau Hannes, ich hoffe, er muss die Kosten seiner Verurteilung bis zum letzten Heller abarbeiten. Wo kommen wir denn da hin, wenn uns plötzlich so jemand unsere schöne Gesellschaft zersetzt? Und dann auch noch Rechte fordern, auf die wir so stolz sind? Nee, nee, nee.

  6. 6
    Das Ich says:

    In gewisser Weise hat Hannes aber Recht. Es hat ihn keiner gezwungen zu klauen.
    Allerdings möchte ich dich, Hannes, gerne mal sehen, wenn Du in U-Haft sitzt und keinen Verteidiger kriegst.
    Dann dürfte dein Geschrei schon ein bisschen leiser sein.
    Schonmal gehört? Alle Leute sind vor dem Gesetz gleich?
    Ok, in manchen Fällen sind sie gleicher (Zumwinckel & Kollegen) aber darum geht es nicht.

  7. 7
    cledrera says:

    Die Lösung muss sein, die Außervollzugsetzung des Haftbefehls wegen vorsätzlicher Missachtung des ART 6 II EMRK zu beantragen.
    Das dürfte das Gericht ablehnen. Dagegen Beschwerde durch alle Instanzen.
    Das Gericht hat nämlich zweierlei gemacht:
    1. Gegen das Gesetz verstoßen und zwar durch Untätigkeit trotz Handlungsverpflichtung.
    2. Die Rechtsstellung des Verteidigers missachtet.
    Letzteres ist nicht strafbar, nur tunlich zu unterlassen.
    Es geht es aber um den – nicht verurteilten – Inhaftierten. Hat er nur die Wahl zwischen Skylla und Charybdis, dann muss man eben mitten durch segeln.

  8. 8
    Gulia says:

    Ja ja, klauen alle, nicht nur Ausländer, Vater Staat ist Leer, klauen Millionen, Milliarden, Billionen.
    Ausländer kann sein Wurst und Brot geklaut.
    Wenn Ausländer hat Flüchtgefahr gemäß §112, dann Staat Klaue wo hin muss. Weis genaue mit Diebstahl Bescheftig Jügendliche, und sie alle suchtige.
    70-80% Jügendliche klauen, weil tägliche Dose wollen aufsuchen, wegen Sprache, Moskau nicht auf ein Mal gebaut worden-langsam,langsam komm deutsche sprache nach.
    Liebe meine Anwälte

      Liebe Gulia, können Sie sowas auch singen? crh
  9. 9
    skugga says:

    In letzter Zeit bin ich öfter mal sehr geneigt, meine Chefin irgendwie dazu zu bekommen, kräftig mit der RiStBV, VIII. Abschnitt, zu wedeln. Besonders 181 (2) dürfte doch eigentlich für großes Hallo bei StA und Gericht sorgen, oder? Warum besteht da eigentlich so selten wer drauf?