Monatsarchive: September 2009

Todesstrafe auch in Hessen

Zu meinem Beitrag über die amerikanische Mörderbande paßt das hier ganz gut:

Artikel 21 der Landesverfassung Hessen lautet:

[Freiheitsstrafe; Todesstrafe]
(1) Ist jemand einer strafbaren Handlung für schuldig befunden worden, so können ihm auf Grund der Strafgesetze durch richterliches Urteil die Freiheit und die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen und beschränkt werden. Bei besonders schweren Verbrechen kann er zum Tode verurteilt werden.
(2) Die Strafe richtet sich nach der Schwere der Tat.
(3) Alle Gefangenen sind menschlich zu behandeln.

Spannend ist hier zunächst einmal der Vergleich zwischen Absatz 1, Satz 2 und Absatz 3. Das muß mir mal ein Verfassungsrechtler erklären, wie das zusammen geht.

Das hessische Landesverfassungsrecht ist seit dem 1. Dezember 1946 in Kraft. Bislang hat es dort niemand für nötig gehalten, diese in eine Verfassung gegossene Widerlichkeit ersatzlos zu streichen.

Glücklicherweise haben sich aber ein paar kluge Köpfe am 8. Mai 1949 sinnvolle Gedanken gemacht und zwei äußerst knappe, aber bedeutsame Vorschriften geschaffen: Art. 102 GG und Art. 31 GG.

Trotzdem: Der Hessische Verfassungsgeber sollte in seinem Saustall vielleicht mal aufräumen! Es wäre endlich an der Zeit, zumal die Bayern vor elf Jahren vorgemacht haben, wie das geht.

(Danke an den Knilch für diese Erinnerung.)

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Den Rockern hinter die Ohren

Mehr als 400 Beamte durchsuchten am Donnerstag während eines dreistündigen Einsatzes in mehr als zehn Städten Wohnungen sowie alle Clubhäuser der Szene, teilte die Polizei in Frankfurt (Oder) mit. Festnahmen gab es nicht. Die Beamten entdeckten aber unter anderem Pistolen, Äxte, Baseballschläger, Schwerter, Messer und auch eine Granate. Es erfolgten 25 Durchsuchungen, unter anderem in Cottbus, Frankfurt (Oder) und Eberswalde.

berichtet die Berliner Morgenpost. Betroffen waren die Führungsriegen der Hells Angels, Bandidos und des Gremium MC.

„Rechtsfreie Räume lassen wir nicht zu, das sollte sich jeder aus diesem kriminellen Milieu hinter die Ohren schreiben“, sagte Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm. Hört sich ein wenig hilflos an, dieses ministerielle Säbelrasseln so kurz vor den Wahlen.

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Polizisten künftig mit Namensschild

Die Berliner Polizisten sollen von 2010 an Schilder mit ihrem Namen oder ihrer Dienstnummer auf der Uniform tragen. Dazu heißt es in der Berliner Zeitung:

„Wenn 2010 die blauen Uniformen eingeführt werden, dann wollen wir, dass die Beamten ihren Namen oder ihre Dienstnummer an der Brust tragen“, sagte Polizeisprecher Thomas Goldack gestern der Berliner Zeitung.

Die Schilder sollen per Klettband an den Hemden, Anoraks und den Einsatzanzügen angebracht werden.

Grundsätzlich ist dies ja begrüßenswert. Aber daß die Kennzeichen nur per Klettband, also recht einfach lös- und austauschbar, befestigt werden sollen, eröffnet der Verteidigung eines Polizeibeamten neue Spielräume.

Allerdings: Ein Tatoo auf der Stirn des Beamten scheint derzeit noch nicht durchsetzbar zu sein.

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Dunkles Gericht

Ich war ein wenig spät dran. Die Baustelle auf der Stadtautobahn gestern morgen verlängerte meine Anreise nach Oranienburg um mehr als 45 Minuten. Unter Außerachtlassung gewisser Vorschriften ist es mir dann doch noch gerade gelungen, um Fünf vor Neun im Gericht zu sein. Jedenfalls zeigte meine Uhr diese Zeit an.

Im Gericht stand die Uhr auf 9:25 Uhr. Der Staatsanwalt saß mutterseelenallein in dem dunklen Schöffen-Gerichtssaal. Kein Licht, die Jalousien heruntergelassen.

Der Protokollführer, der mir in den Saal folgte, teilte mir auf meine Frage nach einer Steckdose für meinen Laptop mit: „Die wird Ihnen nicht helfen. Wir haben hier keinen Strom.

Meinen Blick auf die Uhr im Saal quittierte er mit einem: „Ja. Seit 21:25 Uhr gestern abend.

Seit knapp 12 Stunden (und darüber hinaus bis zum Ende unserer Hauptverhandlung gegen 13 Uhr) war das Amtsgericht Oranienburg ohne Strom. Kein Computer, kein Telefon, kein Fax, keine hochziehbaren Jalousien, kein Licht, kein nichts … Dunkel. Und warm war’s. Wegen der stromlosen Klimaanlage.

Daß irgendjemand deswegen in Hektik geraten oder wenigsten sonstwie aktiv geworden ist, konnte ich nicht erkennen. Ich bin gespannt, wann das Fax durchgehen wird, das ich der Richterin versprochen habe.

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Amtsbekannt betrunken

Eine wegweisende Entscheidung des Amtsgerichts München (331 C 22085/07) zum Thema: Andere Länder …

Die Frau war [auf ihrem Motorrad] während des Oktoberfests 2006 um Mitternacht mit einer Geschwindigkeit von etwa 40 bis 50 Stundenkilometern auf einer Straße nahe der Theresienwiese unterwegs, als ein Betrunkener bei Rot über die Ampel lief. Die Motorradfahrerin stürzte daraufhin. Der Oktoberfestbesucher weigerte sich, den Sachschaden in Höhe von rund 2.500 Euro zu begleichen und der Frau 1.000 Schmerzensgeld zu zahlen.

Die Motorradfahrerin sei zu achtlos gefahren, argumentierte er. Das Gericht gab ihm teilweise recht: Zur Oktoberfestzeit seien “nächtens amtsbekannt (…) größere Mengen Betrunkener unterwegs, bei denen nicht immer erwartet werden könne, dass sie die Verkehrsregeln einhalten“, erklärte das Gericht. Die Motorradfahrerin hätte daher ihre Geschwindigkeit anpassen müssen, um diesen ausweichen zu können. Sie treffe die Hälfte der Unfallschuld. Die andere Hälfte der Schuld trage der Fußgänger, weil er die Straße nicht zügig überquert habe. Er habe angehalten und sich zu seinem Bekannten umgewandt und so ein Hindernis auf der Straße gebildet. […] entschied das Gericht. Das Urteil ist rechtskräftig.

Prost! Ich glaube nicht, daß der Richter, der diese Entscheidung getroffen hat, Vegetarier (ohne wie heißen die Menschen, die kein Bier trinken?) ist.

Quelle: Merkur. Mehr dazu auch in der Süddeutschen.

Danke an gb für den Link.

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Entsetzliche Barbaren!

Ein Todeskandidat ist […] der Giftspritze vorläufig entgangen, weil die [Vollstrecker] keine Vene fanden. Zeitweise half der Delinquent bei der Suche.

Der Delinquent versuchte laut Medienberichten eine Stunde nach Beginn der Prozedur […] sogar, dem Team zu helfen, indem er den linken Arm auf und ab bewegte und die Muskeln anspannte. Schließlich ließ sich die Nadel auch einführen, dann kollabierte jedoch die Vene. Wie es in dem Bericht hieß, brach auf Brooms Stirn Schweiß aus, sein Oberkörper hob und senkte sich heftig, und die Füße zuckten.

Nein, das ist kein Bericht über einen Totschlags- oder Mordversuch durch eine kriminelle Vereinigung. Sondern der mißglückte Versuch der Vollstreckung der Todesstrafe in einem Land, daß sich berühmt, sich für die Menschenrechte einzusetzen.

Quelle: Tagesspiegel

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Bewährungsstrafe für Marco

Das Gericht in Antalya hat Marco zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, zwei Monaten und 20 Tagen verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Damit hat das Gericht festgestellt, daß Marco eine Minderjährige vergewaltigt und sexuell missbraucht hat.

So, wie das Verfahren gelaufen ist, rechne ich nicht damit, daß die Entscheidung rechtskräftig und diese Feststellung Bestand haben wird.

(Info gefunden bei ballmann, der auf die Süddeutsche.de verlinkt.)

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Der unbeschwerte Spammer

Ich komme nochmal zurück auf das kürzlich angesprochene Thema „Beschwerden über flegelhaftes Verhalten„. Dazu paßt der folgende Beitrag ganz gut.

Grenzen sind dafür gemacht, daß man an sie herantritt. Man muß nur wissen, wo genau sie gezogen sind.

wir haben die Angelegenheit nunmehr überprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Verletzung berufsrechtlicher Vorschriften nicht erkennbar ist.

schreibt der Vorstand der Berliner Rechtsanwaltskammer dem Spammer, der sich über mich beschwert hatte, weil ich ihm mit ganz deutlichen Worten („starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagwörter ;-) „) gesagt habe, was ich von ihm halte.

Ihre Beschwerde wird daher als unbegründet zurückgewiesen.

Tja.

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Bayreuther Vollmachts-Festspiele

In einer kleinen, unbedeutenden Strafsache (angeblicher Tankbetrug; Schaden unter 100 Euro) habe ich Akteneinsicht beantragt, aber nicht bekommen. Herr Staatsanwalt T. aus Bayreuth reagiert auf meine höfliche Erinnerung an meinen unerledigten Akteneinsichts-Antrag mit diesem Schreiben:

Vollmacht in Bayreuth

Ich habe dann die Bayreuther Vollmachts-Festspiele mit einer schlicht gehaltenen Dienstaufsichtsbeschwerde und gleichzeitigem Antrag auf gerichtliche Entscheidung eröffnet. Zur Begründung kann sich Herr Staatsanwalt T. die Beitragssammlungen unter

anschauen. Diese URLs hat er in meinem Fax erhalten.

Wenn ihm das nicht reicht, gibt es noch den Vollmachtsblog von Rechtsanwalt Melchior, der kürzlich erst von dem Beck-Blog-Experten und Richter am Amtsgericht Carsten Krumm durch einen Link geadelt wurde.

Mir ist die weitere Diskussion mit solchen Staatsanwälten zu langweilig geworden. Soll Herr T. sich doch mit seinen Vorgesetzten und den Richtern aus Bayreuth über das Thema unterhalten …

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Presseerklärung aus Sicht des Opfers

Der Mann in dem blauen T-Shirt mit dem Fahrrad, der – wie auf dem Video erkennbar – von Polizeibeamten verprügelt wurde, hat durch seinen Rechtsanwalt Johannes Eisenberg, Kreuzberg, eine Presseerklärung abgegeben. Der Strafverteidiger und Medienrechtler Eisenberg reagiert damit auf die relativierende Presseerklärung der Polizei Berlin, die er für falsch hält und für ersichtlich der Verdunklung des wahren Sachverhalts dienend geißelt.

Ich gehe davon aus, daß wir – nicht zuletzt auch wegen der „Beteiligung“ Eisenbergs an diesem Verfahren – über die Entwicklung auf dem Laufenden gehalten werden.

Danke an Peter für den Hinweis. crh

update:

Zwei wegen Körperverletzung im Amt beschuldigte Polizisten sind in andere Dienststellen versetzt worden. Sie hätten vorläufig neue Aufgaben übernommen, sagte am Montag Polizeisprecher Thomas Neuendorf.

Quelle: Tagesspiegel

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