Verteidigung ist ein einsames und undankbares Geschäft

Die Frage, wie er es über sich bringe, sich eines Täters anzunehmen, wird jedem Strafverteidiger dauernd gestellt. Und je haarsträubender die Untat, desto bohrender die Frage. Wie kann einer sich vor Gericht auf die Seite des Übeltäters schlagen? Wie kann er es wagen, die Glaubwürdigkeit eines Opfers vor aller Augen zu erschüttern? Wie kann er die Ermittlungsmethoden der Kriminalpolizei kritisieren oder am Sachverstand eines Gutachters zweifeln? Was fällt ihm ein, vor den ehrwürdigen Richtern Theater zu machen – eines Verbrechers wegen? Wie kann er Verständnis erheischen für Betrüger, Gewalttäter, Mörder? Natürlich sind sich alle Frager völlig im Klaren darüber, dass sie selbst niemals einer Straftat verdächtig sein werden. Dass sie nie in eine Situation geraten, in der nur noch einer zu ihnen hält – ihr Verteidiger.

Quelle: DIE ZEIT 20.03.2003 Nr.13

Die Zeit schreibt 2003 über den Verteidiger von Magnus Gäfgen, Rechtsanwalt Hans Ulrich Endres. Und läßt kein gutes Haar an ihm. Nicht, weil er Magnus Gäfgen verteidigt hat. Sondern, weil er ihn nicht verteidigt habe.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemeines (Kanzlei) veröffentlicht.

8 Antworten auf Verteidigung ist ein einsames und undankbares Geschäft

  1. 1
    icke says:

    olle Kamellen. Wobei die Reportage in der ARD gestern war schon recht interessant. Diese hat bei mir aber mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet.

  2. 2
    studiosus juris says:

    genau das frage ich mich aber auch.
    zwar gilt die unschuldsvermutung. so weit so gut.

    aber oft genug gibt es doch den fall, dass jeder weiß, dass der angeklagte die tat auch begangen hat, der anwalt die anklage aufgrund dünner beweislast zum kippen bringt.
    richtig, die unschuldsvermutung!

    aber ob man sich dennoch als anwalt dann morgens noch wohlen gewissens im spiegel betrachten kann, wenn man weiß, dass „er es doch war“?!

    denn ob das menschliche bzw. anwaltliche gewissen ;) die unschuldsvermutung als ausrede…ääähh…erklärung für das erreichte ausreichen lässt….ich weiß es nicht..

  3. 3
    icke says:

    @2 also ich find das System gut wie es ist. Man soll ja nicht aufgrund von vermutungen verurteilt werden. (auch die Presse ist manchmal schell in vorverurteilen) sondern anhand von knallharten Fakten. Deshalb nennt sich dieser Staat auch Rechtsstaat und der Verteidiger Verteidiger. Der macht nur sein Job wie jeder andere auch.

  4. 4
    studiosus juris says:

    @3: sie haben mich falsch verstanden. ich finde das system inklusive (!) unschuldvermutung sogar sehr gut. es geht hier aber nicht darum, ob das system gut oder schlecht ist, oder wo es verbesserungswürdig wäre, sondern lediglich um die von mir oben beschriebenen gewissenszweifel, die einen verteidiger einholen können/könnten.

    nochmal:
    es ist system-„konform“ und richtig (!), jemanden nach der unschuldsvermutung „rauszuhauen“, wenn die beweislage wackelig/unzureichend ist. ob das aber zur rechtfertigung vor dem privaten verteidigerGEWISSEN reicht, war meine frage. denn insgeheim weiß man ja oft, dass der angeklagte die tat begangen hat und er es auch verdient gehabt hätte, bestraft zu werden.
    der verteidiger soll hierbei natürlich nicht vorschnell über den mandanten urteilen und sich selbst richterähnliches anmaßen.

    aber hinter jedem verteidiger steht doch auch ein mensch mit gewissen und gerechtigkeitssinn. und ob sich das mit der unschuldsvermutung vor sich selbst rechtfertigen lässt…

    mir zumindest ist keine taugliche taktik bekannt, wie sich private meinung, eigenes gewissen und professionelle berufstätigkeit ohne weiteres von einander trennen lassen. im endeffekt ist man ja doch „eine person“…

  5. 5

    @ studiosus juris:

    Vielleicht sollten Sie sich ‚mal die Frage stellen, *was* ein Verteidiger verteidigt.

    Es geht – einmal losgelöst vom konkreten Fall – nicht (nur) um den Mandanten, sondern um die Sicherung eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Wenn unter Beachtung des materiellen und formellen Rechts eine Verurteilung nicht drin ist, muß der Freispruch erfolgen. Sonst sind wir wieder dort, wir vor 20 bzw. 70 Jahre schon einmal waren.

    Ich frage grundsätzlich keinen Mandanten, ob er „es“ war oder nicht. Es ist mir zwar nicht völlig egal, aber irgendwas in der Richtung schon.

    Alles weitere besprechen wir besser auf einer Party. Da genau gehört dieses Diskussion nämlich hin. ;-)

  6. 6
    icke says:

    Juristenpartys sollen ja ziemlich ausschweifend sein. (hab ich gehört ;)) wann und wo sollen wir denn auftauchen? *g*

    Tja das ist halt wie bei allen Berufen. Auch ein Arzt, Bestatter usw usf kann nicht alles ins Privatleben nehmen oder privat an sich ranlassen. Sowas nennt man Professionalität.

    So nun bin ich ruhig bevor ich hier noch ermahnt werde ;)

  7. 7
    studiosus juris says:

    Sehr gerne! Soll ich zu Ihnen kommen oder ist ihnen mal wieder nach einer Studentenparty?

  8. 8
    AlterEgo says:

    Hmm, ne Bloggerparty vor Weihnachten? ;-)Wer läd ein? *g*