Schwierige Fragen

Der Verteidiger ist eine schizophrene Persönlichkeit: Zum einen ist er – und das zuerst – Vertreter seines Mandanten. Aber er ist auch Organ der Rechtspflege und steht insoweit auf der anderen Seite der Theke. Das führt in einzelnen Fällen zu erheblichen Problemen.

Fall 1:
Der Mandant wurde aus der Haftanstalt ins Justizvollzugskrankenhaus verlegt; wegen einer Verletzung an der Hüfte – also eigentlich nichts Beunruhigendes.

Allerdings teilte der Patient seinem Anwalt im Vertrauen mit, daß diese Verletzung bei einem (gescheiterten) Selbsttötungsversuch entstanden ist.

Und was jetzt?

Gibt der Verteidiger diese Information weiter, verletzt er das in ihn gesetzte Vertrauen. Der Mandant bekommt dann in der Haftanstalt einen roten Punkt an die Tür und steht damit unter ständiger Beobachtung. Hafterleichterungen, die ihm sehr wichtig sind, werden gestrichen.

Wenn der Verteidiger schweigt, riskiert er, daß ein weiterer Suizidversuch gelingt oder sonst nicht folgenlos bleibt; dann trägt er eine Mitverantwortung für diese Konsequenzen.

Fall 2:
Der Mandant teilt seinem Verteidiger wiederholt mit, daß er die Belastungszeugen zur Hölle schicken werde. Alles Lügner, die auf dieser Welt nichts mehr zu suchen hätten. Es werde Blut fließen, sobald er von der Haft verschont und entlassen werde.

Meint der Mandant das wirklich ernst und kommt es nach der Haftentlassung zu dem angekündigten „Blutbad“, hat der Verteidiger ein Problem.

Informiert der Verteidiger die Justiz über die massiven Drohungen des Mandanten, wird das nichts mit seiner Haftentlassung und ein weiteres Strafverfahren gegen ihn eingeleitet.

Es gibt einfachere Fragen …

Dieser Beitrag wurde unter Allgemeines (Kanzlei) veröffentlicht.

5 Antworten auf Schwierige Fragen

  1. 1
    Klaus-Dieter says:

    Beide Fälle haben aber nichts mit der Eigenschaft des Rechtsanwalts als „Organ“ der Rechtspflege – die speziell Ihnen, jedenfalls wenn man Ihre Blogbeiträge zum Maßstab nimmt, ohnehin eher selten einfällt – zu tun.

  2. 2
    Hendrik says:

    Die nicht geraden geringe Bezahlung sollte der Anwalt vielleicht auch als Schmerzensgeld für solche Entscheidungen sehen.

  3. 3
    doppelfish says:

    Sind aber auch beides Fälle, in denen man sich fragt, warum der Verteidiger der Einzige ist, der die jeweiligen Informationen hat. Vollzug hin oder her, die Leute dort haben doch auch eine Verantwortung für die Mandanten.

  4. 4
    Tilman says:

    Lenken Sie sich doch ab mit diesem Film: … und Gerechtigkeit für alle.

  5. 5
    kbn says:

    Fall 1:
    Nichts sagen. Der Mandant simuliert nur und will Aufmerksamkeit: Wie verletzt man sich denn bitteschön bei einem ernsthaften Selbstmordversuch die Hüfte? Wollte er sich das Bein abdrehen?

    Nein, jetzt ernsthaft: Ich würde das nach der Ethik des Mandanten beurteilen:
    1. Grundsätzlich mag er Selbstmord machen, wenn es denn seine „freie“ Entscheidung ist. Ansonsten können Sie ihn im Gespräch sicherlich von dem Vorhaben abbringen.
    2. In anderen Fällen und bei christlichem Hintergrund beim Mandanten würde ich es mitteilen. Sonst könnte man einem Ertrinkenden auch zurufen, er solle halt nichts ins Wasser gehen.

    Fall 2:
    Eine Frage der Ernstlichkeit. Erzählen tun Mandanten viel. Jetzt mal ehrlich: Würde es regelmäßig vorkommen, dass Mandanten so etwas machen, wäre die Bild voll davon.