Kein Mitleid für Drecksäcke

Eigentlich wollte ich noch einmal einen freundlichen Bericht über Richter und Staatsanwälte schreiben, als ich auf den Artikel im Tagesspiegel über Blinde im Justizdienst gestoßen bin. Seit meiner Studienzeit in Marburg habe ich blinde Juristen immer sehr dafür bewundert, wie sie sich mit ihrem Handicap arrangieren. Der Artikel beschreibt die Möglichkeiten, die Menschen ohne Augenlicht bei der Justiz haben. Das schien mir eine Meldung hier im Blog wert.

Der Tagesspiegel berichtet zutreffend: Zivilrichter müssen nicht unbedingt sehen können. Strafrichter schon, Staatsanwälte wiederum nicht.

Die Staatsanwältin Kerstin Sauer wollte immer ins Strafrecht, aber auf keinen Fall auf die Seite der Anwälte. „Ich will keine Drecksäcke verteidigen, nur des eigenen materiellen Wohlergehens wegen.“, sagt sie.

Ich habe das Gefühl, daß für Frau Sauer ein Beruf als Korbmacherin, Bürsteneinzieherin oder Besenbinderin geeigneter ist. Vom Beruf eines Organs der Rechtspflege hat sie offenbar keine Ahnung (wenn der TSp. sie richtig zitiert hat).

Ergänzung um 22:36 Uhr:
Offenbar hat der Tagesspiegel Änderungsbedarf gesehen. Der Artikel wurde in Bezug auf das skandalöse Zitat geändert. Nun wird die Staatsanwältin zitiert: „Jeden Verbrecher verteidigen zu müssen, das hätte sie nicht gewollt. “

Ja, was denn nun? Drecksäcke oder Verbrecher? War da nicht mal die Rede von einer Unschuldsvermutung?? Ich verteidige jedenfalls keine Verbrecher, meine Mandanten sind unschuldig – bis sie rechtskräftig verurteilt worden sind. Frau Staatsanwältin, bitte lassen Sie sich noch mal Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention vorlesen!

Dieser Beitrag wurde unter Strafrecht veröffentlicht.

8 Antworten auf Kein Mitleid für Drecksäcke

  1. 1

    Auch ein Mafioso – um mal ein krasses Beispiel zu geben – hat das selbstverständliche Recht auf einen Verteidiger und ein rechtsstaatliches Verfahren. Trotzdem kann ich es verstehen, wenn man ihn schon vorher für das hält was er ist: Ein Verbrecher. Ich kann es nachvollziehen, wenn jemand Probleme hat, ihn zu verteidigen, wenn er andererseits weiß was er getan hat aber „dichthalten“ muss – (Mandantenverrat wäre so ziemlich das schlimmste, was ein Verteidiger machen kann.) Darum ist die Dame es eben nicht geworden.
    Wenn Sie ihr aber empfehlen, Bürstenbinderin o. ä. zu werden, dann ist das nur gemein, bodenlos gemein; 19. Jahrhundert.
    Ich empfehle Ihnen mal Charles Dickens oder auch den Blog Behindertenparkplatz zur Lektüre und zum Nachdenken.

  2. 2

    Der Drecksack und der Lügner

    Der Kollege Hoenig aus Berlin warf gestern die Frage auf, was dürfen die Verfahrensbeteiligten und was dürfen sie nicht. Darf ein Staatsanwalt, eine noch als unschuldig geltende Person – den Beschuldigten – pauschal als Drecksach bezeichnen? Darf ei

  3. 3
    stefan.costa says:

    sollte die aussage der frau staatsanwältin tatsächlich so gefallen sein wie vor der änderung gelesen, dann zweifle ich massiv an ihrer juristischen kompetenz. denn die ansicht, die staatsanwaltschaft sei die gerechte institution, die grds nur und immer zurecht „verbrecher“ anklage, die dann leider (!) ungerechtfertigterweise hilfestellung von „rechtsverdrehern“ bekommen, ist sowohl im juristisch ungebildeten volk als auch unter jura-erstsemestern sehr verbreitet. indes schwindet sie im laufe des studiums und weicht einer differenzierteren anschauung und bewertung unseres rechtssystems, die unter volljuristen denn auch voll ausgeprägt sein muss.
    daher sei die frage erlaubt: wer hat frau sauer während ihres studiums WAS GENAU vorgelesen? oder bezieht sie ihre meinung aus dem hören von ally-mcbeal-folgen und amerikanischen gerichtsschnulzen, in denen der staatsanwalt die gerchtigkeit in person ist?

  4. 4
    Christiane says:

    „Drecksäcke“ ist natürlich nicht okay. „Korbmacherin, Bürsteneinzieherin oder Besenbinderin“ aber genauso wenig. Und Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention braucht sie sich sicher nicht vorlesen lassen – den kann sie am Computer sicher selber lesen.

    Wie gesagt, die Kritik ist sicherlich berechtigt (wenn der Tagesspiegel sie korrekt zitiert hat), aber auf fachlicher Ebene statt auf der Behindertenschiene zu argumentieren, wäre weit glaubwürdiger.

    Die Staatsanwältin war vor ein paar Wochen übrigens bei Kerner – da erzählt sie ebenfalls, warum sie Staatsanwältin wurde – ganz ohne Drecksäcke und Verbrecher: http://www.zdf.de/ZDFmediathek/inhalt/30/0,4070,2394398-7,00.html

    P.S.: Das Captcha unten verhindert übrigens, dass sie sich selbst zu Wort melden kann, wenn sie es denn wollte. :-)

  5. 5

    Ich habe den Beitrag nicht geschrieben, um mich mit der StA’in „fachlich“ auseinander zu setzen, sondern um poiniert auf den – höchst gefährlichen – Unsinn der Frau zu erwidern.

    Danke übrigens für den Link; jetzt werde ich sie wiedererkennen, wenn ich ihr ‚mal im Gericht gegenüberstehen sollte.

  6. 6
    Gert Postel says:

    Ich habe gestern einen über die Maßen anrührenden Fernsehbericht über Frau Staatsanwältin Kerstin Sauer gesehen.
    Ich kann nur sagen, daß ich vor der Lebensleistung und der gezeigten Menschlichkeit dieser Frau die allergrößte Hochachtung habe.
    Die inkriminierte Formulierung („Drecksäcke“), so sie denn gemacht wurde, ist sicher nicht korrekt, zugleich von mir aber sehr nachvollziehbar!

  7. 7
    Arne Rathjen says:

    Merkwürdig, dass ausgerechnet ein vielfach vorbestrafter Betrüger und Desinformationspezialist
    sich der Ansicht anschliesst, Kriminelle seien
    Drecksäcke.

    Vielleicht sollte das nächste Mal vor Gericht über eine zu konstatierende Persönlichkeitsspaltung nachgedacht werden.

    Im übrigen: Dass man als Jurist genausowenig ein Hirn haben muss wie echte oder falsche Gutachter und Amtsärzte dürfte doch wohl aufgefallen sein.

    Aber: Man sollte einen A**** haben, was Postel sicher wird bestätigen können.

  8. 8
    Gert Postel says:

    Ich finde ausgesprochen klug, was Herr Rechtsanwalt Rathjen schreibt. Allerdings verwechselt er den Schauspieler mit seiner Rolle.