Eat this, Senator!

Der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) soll die Freilassung zweier Tatverdächtiger im Zusammenhang mit der tödlichen Prügelattacke am Alexanderplatz kritisiert haben:

Ich kann meine Unzufriedenheit mit dieser Entscheidung nur schwer unterdrücken. Das will ich nicht verstehen, und ich kann mir vorstellen, dass es auch die Ermittler frustriert.

wird er von einer in Berlin erscheinenden Zeitung aus dem Hause Springer zitiert.

Die Kanzlei Dr. Schmitz & Partner empfiehlt diesem juristischen Dilettanten den Kauf eines T-Shirts. Zu Recht.

Ich halte es für ungeheuerlich, daß dieser Laie sich seinen abstoßenden Populismus nicht verkneifen kann, mit dem er einem – unabhängigen (Art. 97 I GG, Senator!) – Richter in die Suppe zu spucken und das „gesunde Volksempfinden“ am Köcheln zu halten versucht, indem er die Springerpresse mit gefährlichem Unsinn füttert.

Wie kann einer Senator werden, sein und bleiben, der weder die Unschuldsvermutung, noch den Zweck der Untersuchungshaft kennt, und offenbar von Haftgründen und Jugendstrafrecht auch keinen blassen Schimmer hat. Unglaublich!

Dieser Beitrag wurde unter Politisches veröffentlicht.

21 Antworten auf Eat this, Senator!

  1. 1
    Detlef says:

    Er hat doch schon selbst gesagt, dass er das gar nicht verstehen will.

  2. 2
    Pascal says:

    Innensenator isser, der Frank Henkel, nicht Justiz. Das war Michael Schrottimmobilie Braun. Besser machts das aber nun auch nicht.

    • Fixed. Thx. crh
  3. 3
    JJPreston says:

    Wie kann einer Senator werden, sein und bleiben, der weder die Unschuldsvermutung, noch den Zweck der Untersuchungshaft kennt, und offenbar von Haftgründen und Jugendstrafrecht auch keinen blassen Schimmer hat.

    Ach, Herr Hoenig… ham se’s immer noch nich begriffen?
    Wer nichts wird, wird Wirt.
    Wer gar nichts wird, wird Betriebswirt.
    Und wer selbst dafür zu blöd ist, wird gewählt.

    Wer als Mensch einen ordentlichen Beruf gelernt hat, geht nicht in die Politik, sondern verdient Geld. Vernünftige, seriöse Menschen haben es nicht nötig, für ihre Geldgeber gebückt den Arsch hinzuhalten und sich so zu prostituieren (wobei ich mit diesem Begriff die Damen und Herren, die diesem Gewerbe außerpolitisch erwebsmäßig nachgehen, nicht durch diese Anal-ogie beleidigen möchte – die ARBEITEN für ihr Geld!).

    Aber es muss eben auch Typen wie Henkel geben, sonst weiß man Menschen mit Ethos, gesellschaftlicher Verantwortung und Ehrgefühl ja gar nicht mehr zu schätzen.

  4. 4
    mike says:

    Egbert, lern lesen!
    Wo steht da was von „Gewalttäter“?

  5. 5
    Nicht der Döpfner says:

    Springer und Unschuldsvermutung? Herr Hoenig, das geht doch nicht, die müssen doch Zeitungen verkaufen!

    Dazu gehört ne klare Position, so unsinnig sie auch sein mag, schöne Foto und große Buchstaben.

    Emotionen sind da ganz ganz ganz wichtig.

  6. 6
    mike says:

    Oops, da hat wohl jemand feucht durchgewischt…

  7. 7
    Frank says:

    Erstaunlich, wie ein 467 KB grosses, rund elf Jahre altes MPG-File, die Politik (und nicht nur die) immernoch treffend „beurteilen“ kann.
    Ob sich der Ersteller des Videos dies damals hätte träumen lassen?
    ….
    Manche Dep, ups, Leute lernen es halt nie.

  8. 8
    C- Meißner says:

    Das erinnert mich an eine hoch emotionale Kollegin, der ich heute auf der Arbeit vergeblich die Prinzipien des Rechtstaates zu erklären versuchte und wieso ich die Entscheidung gut finde, dass hier nicht sinnlos ein U-Haft-Platz bezahlt wird.

    Es stellte sich später heraus, dass Sie gerade den Artikel der BZ gelesen hatte, als sie dann begann sich zu echauffieren… m(

  9. 9
    Tobias Pirat says:

    Lieber Herr Hoenig,

    das finde ich auch ungeheuerlich! Allerdings nicht die Äußerungen des Senators, sondern Ihre.

    Um es vorweg zunehmen: Ich bin auch Laie und sollte nach Ihrer Meinung einfach mal besser die Fresse halten.

    Mach ich aber nicht! Warum? Nun das was Sie spöttisch als „gesundes Volksempfinden“ abtun ist das, was wohl 80-99% (unbelegte Vermutung auf Grundlage der Anzahl der Juristen in der Bevölkerung) der Deutschen bei der Frage was ist rechtens und was nicht leitet.
    Um genauer zu sein die Sozialisierung. Wie in jeder Gesellschaft entscheiden die Normen und Werte, welche wir in der Sozialisierung erfahren haben darüber, was wir als gerecht oder eben ungerecht empfinden, als richtig oder falsch.
    Nach diesem Gerechtigkeitsempfinden gibt sich eine Gesellschaft dann Gesetzte oder passt sie an geänderte Werte an.

    Die Aufgabe von Juristen ist es wohl nicht sich über diejenigen lustig zu machen oder zu echauffieren die sich auf die gesellschaftlichen Werte berufen, sondern die Einhaltung der Gesetzte, welche sich diese Laien selber gegeben haben, im Auge zu behalten. Dabei darf doch aber nicht nur der buchstabengetreue Wortlaut eine Rolle spielen, vielmehr muss auch das Gerechtigkeitsempfinden der Gesellschaft berücksichtigt werden.

    Es fällt einem Laien schon deutlich schwer die Unschuldsvermutung mit einem Geständnis in Einklang zu bringen. Das bekommt man aber gerade noch hin. Allerdings lässt ein Geständnis den Tatverdacht derart erhärten, dass es ungeheuerlich wirkt jemanden frei rum laufen zu lassen, der mit großer Wahrscheinlichkeit einen anderen Menschen aus nichtigen Gründen (mit) tot geschlafen hat.
    Das „stabile soziale Umfeld“ des mutmaßlichen Täters, dass u. a. als Begründung für die Haftentlassung herhalten musste, hat ihn auch nicht von der ersten Tat abgehalten. Keinem Bürger mit einem normal sozialisiertem Rechts- und Gerechtigkeitsempfinden ist das zu vermitteln.

    Es ist sicher gut, dass Juristen möglichst emotionslos einen Fall bearbeiten und nicht der tobende Mob. Aber nichts desto trotz ist es der Mob der die Gesetzte macht. Wenn ich mich in ihrem Blog umsehen finde ich viele Fälle, bei denen sich mir der Magen umdreht. Nicht weil ich Jura studiert habe, sondern weil sich Richter und Anwälte immer weiter von der Gerechtigkeit entfernen. So der Fall des Verteidigers, der den Durchsuchungsbeschluss einer Richterin kritisierte und dann von dieser angezeigt wurde.
    Mit dem was Sie hier geschrieben haben sind Sie auf dem selben Weg.
    Sie entfernen sich von der Grundlage Ihres Berufes – der Gesellschaft.

    Das vertrauen in die Justiz ist in erheblichen Maße davon abhängig, wie gut es den Juristen gelingt trotz aller Sachlichkeit auf das „gesunde Volksempfinden“ einzugehen. Wenn das nicht mehr konform geht haben wir bald Zustände wie in Russland, wo mittlerweile Verkehrsvertöße von den anderen Verkehrsteilnehmern per Faustrecht geahndet werden.

    Ich hoffe das war jetzt nicht zu laienhaft und zu populistisch.

    Beste Grüße

  10. 10
    Rechtsanwalt Carsten R. Hoenig says:

    @ Thomas Pirat:

    Ich denke, Sie werden den Unterschied erkennen: Ihre Ansicht, die Sie als freier Bürger äußern (dürfen und sollen), hat einen völlig anderen Effekt, als das populistische Angebiedere eines Repräsentanten.

    Wobei ich hier schon nicht mehr unterscheiden kann, ob die Rede des Henkel noch eine Anbiederung an das kranke Volksempfinden ist oder schon die bewußte Brandstiftung darstellt.

    Wenn bereits der Senator die roten Linie überschreitet, was fordern Sie und Ihresgleichen als nächstes? Das ist die Frage, die mich und meinesgleichen umtreibt.

  11. 11
    Nicht in den Sand setzen says:

    @Pirat

    Um es kurz zu machen: Auweia.

    Es ist sicher gut, dass Juristen möglichst emotionslos einen Fall bearbeiten und nicht der tobende Mob.

    Ja, so ist das. Auch wenn das nicht immer emotionslos abläuft.

    Aber nichts desto trotz ist es der Mob der die Gesetzte macht.

    Bitte?

    Ich bin auch Laie und sollte nach Ihrer Meinung einfach mal besser die Fresse halten.

    Stimmt.

    Sie sind nicht ernsthaft bei der Piratenpartei?

    http://dejure.org/gesetze/MRK/6.html
    http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_28.html
    http://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeine_Erkl%C3%A4rung_der_Menschenrechte

    Falls doch, bitte setzt das nicht in den Sand.

  12. 12
    Tobias Pirat says:

    Vielen Dank Herr Hoenig für die Selbstoffenbarung. Es ist beruhigend zu wissen, dass ein kleiner elitärer Kreis die Wahrheit für uns alle findet…

    Im übrigen hab ich nichts gefordert! (Mit der Ausnahme, dass die Judikative sich nicht von der Gesellschaft entfernen darf.)

    Ich wünsche noch ein schönes Wochenende.

  13. 13
    Tobias Pirat says:

    @im Sand sitzen:

    Vielen Dank für die Links. Aber wer hat das in Frage gestellt?

    Wenn ich richtig informiert bin ist die schwere einer Tat an sich geeeignet einen Haftgrund darzustellen. Es fällt halt auf, dass die Meinungen wie schwer eine Tat sein muss um eine Untersuchungshaft zu rechtfertigen zwischen Juristen und Bürgern häufig weit auseinander liegen.

    Wenn ein Innensenator „bewusste Brandstiftung“ begeht ist er wohl Teil des Mobs. Wer macht nun die Gesetzte?

    Zu Ihrem „Stimmt.“ hätte ich dann auch noch einen Link
    http://dejure.org/gesetze/GG/5.html

    Und nein, weder bin ich in der Piratenpartei, noch liebäugel ich mit einer Mitgliedschaft.
    Ein Herr „Vogel“ wäre auch nicht automatisch Ornithologe…

    Beste Grüße

  14. 14
    matthiasausk says:

    @Pirat: Sie schreiben von „Gerechtigkeit“ und von „Ungerechtigkeit“ – aber es geht hier um „Recht“.
    Das sind 2 verschiedene Dinge und die Festlegung auf ein „Recht“ (das übrigens veänderlich ist) ist gerade deshalb geschehen, um „gefühlte“ Gerechtigkeit zu vermeiden.

    Wenn das „Recht“ es nahelegt, daß die beiden Herren auf freien Fuß zu setzen sind, dann ist das eben so. Auch wenn es schwerfallen mag, dieses Entscheidung nachzuvollziehen.

    Aufgrund der Presseberichte vermag ich nicht nachzuvollziehen, was genau die Beweggründe für die Entscheidung waren (Das mag an meiner eigenen Beschränktheit oder auch an der der Journalisten liegen. Ich glaube aber, es liegt an der sagen wir mal … stark vereinfachenden Darstellung der Journalisten).

    Und deshalb erlaube ich mir nicht, zu entscheiden, ob meine „Gerechtigkeitsempfinden“ und das „Recht“ hier auf einer Wellenlänge liegen.
    Daß Sie das aufgrund der durchaus ins Manipulative gehenden öffentlichen Nachrichtenlage entscheiden zu können glauben, erstaunt mich doch ein wenig.

  15. 15
    jj preston says:

    @Tobias Pirat:

    Um es vorweg zunehmen: Ich bin auch Laie und sollte nach Ihrer Meinung einfach mal besser die Fresse halten.

    „Es ist besser zu schweigen und als Idiot verdächtigt zu werden, als zu reden und dadurch alle Zweifel zu beseitigen.“ (Abraham Lincoln)

    „Behutsames Schweigen ist das Heiligtum der Klugheit.“ (Baltasar Gracian y Morales)

    „Dumme Gedanken hat jeder, aber der Weise verschweigt sie.“ (Wilhelm Busch)

    Nun das was Sie spöttisch als „gesundes Volksempfinden“ abtun ist das, was wohl 80-99% (unbelegte Vermutung auf Grundlage der Anzahl der Juristen in der Bevölkerung) der Deutschen bei der Frage was ist rechtens und was nicht leitet.

    Was Sie leitet, ist mir klar: Rache.

    Sie können das ruhig zugeben – Sie haben ja auf die Meinungsfreiheit verwiesen. Es geht Ihnen nicht um Gerechtigkeit, Sie wollen einfach nur Rache. Einer hat was Böses gemacht, also soll er leiden.

    Und dafür sind Sie bereit, sämtliche Rechtsgrundsätze zu opfern, die wir haben. Denn natürlich geht es hier auch um die Unschuldsvermutung. Denn Sie vergessen dabei, dass sowohl Anschuldigungen und Zeugenaussagen wie auch Geständnisse falsch sein können. Schauen Sie mal in die USA hinsichtlich Wiederaufnahmeverfahren – sowas funktioniert dort tatsächlich nur bei der Todesstrafe, denn wer darauf beharrt, unschuldig eingesperrt worden zu sein, verspielt seine Chance auf Bewährung, auch wenn es ihn die Freilassung kostet.

    Dabei darf doch aber nicht nur der buchstabengetreue Wortlaut eine Rolle spielen, vielmehr muss auch das Gerechtigkeitsempfinden der Gesellschaft berücksichtigt werden.

    Dieses „Gerechtigkeitsempfinden“, wie Sie es nennen, ist rachegetrieben. Wie im Alten Testament: „Auge um Auge, Zahn um Zahn.“

    Die von Boulevardmedien routinemäßig für die Auflage kunstempörten Unwissenden wollen eigentlich nichts anderes, als Dieben die Hand abhacken, Vergewaltigern das Gleiche antun, das ihre Opfer erleiden mussten (sofern sie sie nicht gleich erschlagen wollen), jemanden verblenden, der eine Frau mit Säure übergießt…

    Gerade der letzte Fall sollte deutlich machen, wo sich dieses „Gerechtigkeitsempfinden“ bewegt: Eine Mehrheit der vom Boulevard befragten Leser lehnt die Aussage ab, der Islam gehöre zu Deutschland, aber die gleichen, die so abstimmen, befürworten ein „Gerechtigkeitsempfinden“, das man im Islam als „Schari’a“ kennt.

    Da stellt sich die Frage: Wenn Ihrer Meinung nach dem deutschen Rechtssystem das „Gerechtigkeitsempfinden“ – auch „Volksempfinden“ genannt – zu Grunde liegen sollte, wozu brauchen wir dann die vielen teuren Spezialisten? Wozu brauchen wir noch Richter, Staatsanwälte, Strafverteidiger oder gar Polizisten, die uns die Bürde der rechtlichen Würdigung abnehmen? Warum beschäftigen wir als Staat – denn das ist die Gesamtheit der Bürger – derart viele Menschen damit, zu entscheiden, was richtig ist und was falsch; was die richtige Strafe ist und was die falsche; auf welche Art und Weise die Menschen so friedlich wie möglich zusammenleben; und wie man die Kosten dafür in den Griff bekommt? Wozu?

    Es fällt einem Laien schon deutlich schwer die Unschuldsvermutung mit einem Geständnis in Einklang zu bringen.

    Wie schon gesagt: Ein Geständnis kann auch falsch sein. Nach einer Studie von Drizen & Leo von 2004 stellt sich in den USA jedes vierte (!) Geständnis bei Gewalt- und Sexualdelikten durch DNA-Analysen hinterher als falsch heraus. Nochmal: 25 von 100 Menschen gestehen ein Verbrechen, das sie nicht begangen haben!

    In den 50er und 60er Jahren in Deutschland ergab sich bei Wiederaufnahmeverfahren ein Prozentsatz von immerhin 7. Sieben von einhundert Menschen werden zu Unrecht eingesperrt, weil sie ein Verbrechen gestanden haben, das sie nicht begingen. Für Dänemark und Island gaben Gudjonsson und Sigurdsson 1994 einen Wert von 10 Prozent Falschgeständnissen bei denjenigen an, die bereits polizeibekannt waren. Das sind die bekannten Zahlen. (http://www.forensik-berlin.de/forschung/falsche.html)

    Allerdings lässt ein Geständnis den Tatverdacht derart erhärten, dass es ungeheuerlich wirkt jemanden frei rum laufen zu lassen, der mit großer Wahrscheinlichkeit einen anderen Menschen aus nichtigen Gründen (mit) tot geschlafen hat.

    Untersuchungshaft ist keine Strafhaft. Das sollte spätestens seit den Fällen Kachelmann und Türck wohl klar geworden sein. Nicht umsonst werden daran hohe Hürden geknüpft.

    Und darum sollte der Laie auch lieber schweigen – oder sich zumindest per Wikipedia-Artikel kundig machen, wofür Untersuchungshaft gedacht und an welche Bedingungen sie geknüpft ist.

    Abgesehen davon: Was verlieren wir dadurch, dass die Beschuldigten – denn genau das sind sie bis zu ihrer rechtskräftigen Verurteilung, und die nimmt nicht der Haftrichter vor! – bis zum Antritt ihrer Strafe auf freiem Fuß bleiben? Nichts – solange keine Wiederholungsgefahr besteht, keine Verdunklungsgefahr (das dürfte bei einem toten Opfer ziemlich schwierig werden, da noch was zu verdunkeln) und auch keine Fluchtgefahr. Der Haftrichter hat das bei allen bisher Beschuldigten geprüft und bis auf einem bei allen verneint, und bei dem bewussten Einen Auflagen auferlegt.

    Die Gesellschaft verliert dadurch nichts. Im Strafprozess wird über Schuld und Strafe entschieden. Handelt es sich um Mörder oder Totschläger, geht er nach Rechtskraft ohnehin ins Gefängnis. Die volle Zeit. Würde er jetzt inhaftiert, würde die U-Haft hinterher auch auf seine Strafhaft angerechnet. Die Zeit, die er sitzen müsste, bliebe die gleiche.

    Aber was, wenn derjenige unschuldig ist? Wenn sich herausstellt, dass die Anschuldigungen oder sein Geständnis falsch waren? Dann sitzt ein Unschuldiger monatelang inhaftiert, um auf einen Prozess zu warten, nach dem er freigesprochen wird. Aber in der Zeit verliert er Arbeits- oder Ausbildungsplatz, Freiheit und Vertrauen in den Rechtsstaat. 23 Stunden am Tag weggesperrt. 7 Tage pro Woche. Vielleicht ein halbes Jahr, vielleicht länger. Mit Pech ohne Fernseher. Vielleicht sogar zwei Meter weg von einem Zellenmitbewohner, der auf dem offenen Klo neben dir pisst und scheißt. Bis zum Prozess.

    Und der Bürger, der Staat? Der verliert Geld. Jeden Tag zwischen 70 und 120 Euro. Dafür, dass ein vielleicht Unschuldiger weggesperrt wird.

    Ist das der Preis, den Sie zu zahlen bereit sind? Ist das der Preis, den Sie als Steuerzahler bezahlen wollen? Und ist das der Preis, den Sie als möglicherweise irgendwann selbst Beschuldigter in einem Strafverfahren zu zahlen bereit sind? Wirklich?

    Keinem Bürger mit einem normal sozialisiertem Rechts- und Gerechtigkeitsempfinden ist das zu vermitteln.

    Nur zur Erinnerung: Es war auch keinen Bürger mit einem normal sozialisierten Rechts- und Gerechtigkeitsempfinden zu vermitteln, warum Ameneh Bahrami nicht ihren Peiniger Majid Movahedi blenden sollte – keinem iranischen Bürger. In Deutschland gab es einen empörten Aufschrei, und die Geschichte ging tagelang durch die Zeitungen. Selbst im Iran wollten offizielle Stellen die Frau umstimmen, obwohl das mit dem iranischen Recht und Gerechtigkeitsempfinden vereinbar war.

    Aber das ist der Unterschied: Passiert etwas weit entfernt in der Welt, ist Rache verwerflich – passiert es aber hier in Deutschland, so dass die Unkundigen den Eindruck bekommen, das könnte auch ihnen passieren, dann ist Rache plötzlich gar nicht mehr so verwerflich – dann ist es „gesundes Gerechtigkeitsempfinden“.

    Doch wohin genau das führt, kann man im zivilisiertesten und demokratischsten Land der Erde sehen: In den USA. Kein Land auf dieser Welt – nicht Nordkorea, nicht Syrien, nicht Saudi-Arabien, nicht der Jemen und auch nicht Russland – hat einen größeren Anteil an inhaftierten Bürgern als die USA. Und dort gilt auch noch das Prinzip der staatlichen Rache. In 30 Bundesstaaten plus dem Bund (siehe Bradley Manning) gilt noch die Todesstrafe, in zwölf weiteren wird sie lediglich nicht mehr angewandt, kann aber noch verhängt werden. Und nur in drei Staaten wurde sie als verfassungswidrig abgeurteilt. Und dennoch haben die USA die höchste Mordrate jenseits von Afghanistan.

    Aber nichts desto trotz ist es der Mob der die Gesetzte macht.

    Nein. Es sind Menschen, die von dem „Mob“ dafür bezahlt werden, ihre Interessen zu vertreten. Man nennt sie auch „Politiker“. Noch so eine Kaste von Spezialisten, die offenbar Ihrer Meinung nach überflüssig sind. So wie Rechtsanwälte, Richter, Staatsanwälte und Polizisten.

    Doch ist das wirklich die Staatsform, in der Sie leben wollen? Ein Staat, in der das „Gerechtigkeitsempfinden“ des Volkes, des Mobs über strafwürdiges Verhalten und die zu verhängende Strafe entscheidet?

    Dann gebe ich Ihnen einen guten Rat. Es gibt ein Land, in dem genau das das rechtliche Leitmotiv ist. Machen Sie da doch mal Urlaub. Eine Woche. Schauen Sie sich um, was dort für Recht und Unrecht erkannt wird, und was dort als angemessene Strafe gilt. Der Flughafen hat den IATA-Code MGQ. Es handelt sich um Mogadischu. In Somalia. Sehen Sie sich da um, und dann überlegen Sie nochmal, ob Sie wirklich wollen, dass der Mob die Standards für Gerechtigkeit und geltendes Recht setzt.

    • Besten Dank für diese ausführliche und fundierte Stellungnahme. crh
  16. 16
    TobiPirat says:

    Hallo preston,

    auf einige Sachen die Sie ansprechen bin ich in einem anderen Kommentar schon eingegangen. Der ist leider, aus welchen Gründen auch immer, nicht online gegangen. Mal sehen was mit diesem passiert.

    Auf jeden Fall finde ich es bemerkenswert, dass Sie wissen, dass ich mich auf die Meinungsfreiheit berufen habe. Dies tat ich in dem Kommentar, welcher hier nicht zu lesen ist.

    Als Bürger dieses Landes bin ich direkt und indirekt von juristischen Entscheidungen und Vorgehensweisen betroffen. Ich kann und will mich dessen nicht entziehen. Daraus leite ich das Recht und die Pflicht ab, mich auch ohne Jurastudium zu derartigen Sachen zu äußern.

    Wenn ich mein Auto in die Werkstatt bringe weil die Bremsen nicht gehen, habe ich jedes Recht mich zu beschweren, wenn sie nach erfolgter Reparatur immer noch defekt sind, ohne selber zu wissen wie man richtig Bremsen repariert.

    Natürlich sind Zitate über Dummheit immer nett um dem Gegenüber die Grundlage zu entziehen. (Wikipedia und die StPO enthalten im Übrigen nichts, was meinen Ansichten grundsätzlich entgegensteht.) Aber hätten Sie sich die Mühe gemacht so ausführlich auf die Umstände ein zugehen, hätte ich nichts geschrieben? Was hätte es mir gebracht, wenn ich mich in meine Haus gesetzt hätte und für mich darüber nachgedacht? Ich (und andere Leser) hätte nichts von den interessanten Fakten, die Sie anführen, erfahren!

    „Weisheit ist nicht so sehr das Wissen darum, was schließlich zu tun ist, sondern darum, was zunächst getan werden soll.“ Herbert Hoover

    Egal ob Sie Jurist sind oder nicht:
    „Es ist weise, aus jeder Quelle zu lernen – von einem Trunkenbold, einem Tropf und einem alten Pantoffel.“ Francois Rabelais

    „Derjenige, der ob seiner Unwissenheit schweigt, manifestiert seine Dummheit.“ Tobias Pirat ;)

    Ihnen ist leider nicht klar was mich leitet. Es geht mir nicht um Rache! Wie auch. Weder kenne ich die Täter noch das Opfer. Wie kommen Sie darauf, dass ich denken könnte, dass die Untersuchungshaft eine Verurteilung/Strafe vorweg nehmen soll. Mir geht es um den Schutz Dritter! Um nichts anderes.

    Die Schwere einer Tat (bzw. die Art der Tat) kann sehr wohl ein Untersuchungshaftgrund darstellen. Die Meinungen welche Tat schwer genug ist gehen aber zwischen Juristen und Bürgern offenkundig weit auseinander. Das ist der (Streit-)Punkt. Diese Auslegungen dürfen doch aber nicht zwischen denen die Recht sprechen und jenen die die Gesetzte gemacht haben so weit auseinander gehen.

    Ohne diese große Differenz in der Auffassung solcher Punkte hätte es nicht so einen, zugegebenen ziemlich oberflächlichen, Hype gegeben.

    Der Schutz der Menschen sollte vor dem Schutz für (mutmaßliche) Straftäter stehen. Wenn Jemand dringend verdächtigt wird, einfach mal ebenso einen anderen Menschen getötet zu haben, kann man sich des Verdachtes, von diesem ginge eine Gefahr für Dritte aus, nicht entziehen. Mit einem falschen Geständnis hätte es der vermeintliche Täter dann aber selbst mit zu verschulden. Allerdings war mir auch nicht bekannt, dass falsche Geständnisse fast zum juristischen Alltag gehören. Was treibt Menschen in Deutschland dazu? Die Gründe in USA kann ich ja nachvollziehen. Das finde ich erschreckend.

    Sie schreiben „Die Gesellschaft verliert dadurch nichts.“ und „Nichts – solange keine Wiederholungsgefahr besteht,“ Können Juristen in Köpfe schauen? Die Beschuldigten sind dringend verdächtig, bereits an der Tötung eines Menschen beteiligt gewesen zu sein, dass sie also dazu fähig sind scheint real und nicht abstrakt.

    Sicher, Benjamin Franklin sagte: „Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“, aber in solchen Fällen kann man doch dringende Anhaltspunkte für die Gefährlichkeit der Beschuldigten sehen?

    Matthiasausk hat Recht wenn er auf die doch sehr dünne Informationsdecke hinweist. In der Vergangenheit hat es aber schon zu viele unglaubliche Fälle von Fehlentscheidungen und nicht nachvollziehbare Begründungen gegeben (siehe u. a. die Postings in diesem Blog), dass das Vertrauen in die Justiz nicht gerade ungetrübt ist.

    „Alles Reden ist sinnlos, wenn das Vertrauen fehlt.“ Franz Kafka

    Der Fall Ameneh Bahrami passt nur insoweit zu dieser Diskussion, als das s ich mich auf den gesellschaftlichen Kontext berufe. Ich urteile nicht über andere Kulturen, wenn die Menschen dort das geltende Recht akzeptieren. Das muss ich nicht kommentieren.

    Der Mob, sofern er einen Großteil der Bevölkerung ausmacht, entscheidet sehr wohl indirekt, über Wahlentscheidungen, Petitionen, Proteste und Rechtsbrüche, und direkt, wenn z. B. ein Innensenator Teil eines solchen ist, über die Gesetzte. Ein bisschen Abstraktionsvermögen darf ich wohl voraussetzten.

    Abschaffen will ich niemanden, abgesehen von einigen Unionspolitikern vielleicht. Jedoch das Recht, das gesprochen wird ist nichts wert, wenn es gesellschaftlich nicht akzeptiert wird. Urteile werden im Namen des Volkes und nicht im Namen der Juraabsolventen gesprochen.

    Wer im Namen eines anderen spricht, muss sich auch daran halten wie der Vertretene denkt!

    Gruß und schönen Sonntag

  17. 17
    jj preston says:

    Wenn ich mein Auto in die Werkstatt bringe weil die Bremsen nicht gehen, habe ich jedes Recht mich zu beschweren, wenn sie nach erfolgter Reparatur immer noch defekt sind, ohne selber zu wissen wie man richtig Bremsen repariert.

    Sofern die Bremsen tatsächlich noch kaputt sind und nicht Ihre Forderungen überzogen. Natürlich können Sie einfordern, dass Sie ein Auto aus 100 km/h binnen 10 Metern zum Stillstand bringen können – nur ist es kein Defekt, wenn der Bremsweg nur 30 Meter beträgt, auch wenn Sie drauf beharren.

    Ihnen ist leider nicht klar was mich leitet. Es geht mir nicht um Rache! Wie auch. Weder kenne ich die Täter noch das Opfer. Wie kommen Sie darauf, dass ich denken könnte, dass die Untersuchungshaft eine Verurteilung/Strafe vorweg nehmen soll. Mir geht es um den Schutz Dritter! Um nichts anderes.

    Wenn es Ihnen um den Schutz Dritter geht, sind Sie doch sicher – obwohl Pirat – für flächendeckende Kameraüberwachung und Vorratsdatenspeicherung? Immerhin lassen sich damit Straftäter ermitteln und so Dritte vor weiteren Taten schützen.

    Aber was ist mit, sagen wir, Menschen, die mit einem Auto andere schuldhaft – und damit meine ich nicht unbedingt vorsätzlich – über den Haufen gefahren haben? Müssen die nicht auch in Untersuchungshaft, um Dritte vor Schaden zu bewahren? Immerhin: Wenn Sie jemanden überfahren und danach auf freiem Fuß sind, könnten Sie ja auch ohne Führerschein fahren und sich von jemand anderem ein Auto leihen, mit dem Sie dann wieder jemanden in den Rollstuhl oder ins Grab bringen.

    Und was ist mit Ärzten und Pflegepersonal? Jedes Jahr sterben bis zu 30.000 Menschen durch Infektionen, die sie sich in Krankenhäusern geholt haben, durch mangelnde Hygiene. Müsste man dann nicht auch nach dem Tod eines solchen Patienten jeden beteiligten Arzt und Pfleger bis zur Aufklärung der Verantwortlichkeit vorsorglich in U-Haft nehmen, um die anderen Patienten vor dem Verursacher zu schützen? Und da handelt es sich sogar durchweg um Menschen, die ihre Beteiligung leugnen…

    Sie sehen, schon rein praktisch bringt das eine Menge Probleme mit sich. Nicht nur von Umfang und Gestaltung der Verwahrung her, sondern schon bei der Verhältnismäßigkeit. Und Ihre Ansicht bringt Sie auch selbst schneller der U-Haft näher – siehe Autofahrerbeispiel.

    Diese Auslegungen dürfen doch aber nicht zwischen denen die Recht sprechen und jenen die die Gesetzte gemacht haben so weit auseinander gehen.

    Soweit es nicht näher bestimmt ist: Doch. Denn Richter sind in ihrer Entscheidung kraft Verfassung (Art. 97 Abs. 1 GG) unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Und das ist auch gut so. Denn es ist der Politik schon praktisch nicht möglich, alle denkbaren Szenarien durchzudeklinieren – denken Sie an die Internetsperren! -, und wenn eines das Versagen des Rechtsstaates erst recht befeuert, dann eine Inflation an Verfahren, die erst durch das Bundesverfassungsgericht abschließend entschieden werden und dann möglicherweise noch negativ.

    Der Schutz der Menschen sollte vor dem Schutz für (mutmaßliche) Straftäter stehen.

    Das spricht sich so einfach. Aber was hat das für Auswirkungen, je enger man das fasst? Wollen Sie alle in Deutschland lebenden Muslime einsperren, weil ein paar von ihnen über 3.000 Menschenleben – einschließlich ihrer eigenen – auf dem Gewissen haben? Würden Sie alle Ärzte und Pfleger einsperren, auf deren Station es einen Toten durch eine Infektion mit Krankenhauskeimen gegeben hat?

    Wissen Sie, was ein zerstörter Arbeitsplatz in Deutschland wert ist? 25 Euro am Tag. Mit 25 Euro am Tag wird jemand, der eines Verbrechens zu Unrecht beschuldigt wird und in Untersuchungshaft gesessen hat, „entschädigt“. „Entschädigt“ dafür, dass er rausgeflogen ist. Entschädigt dafür, dass ihm die Freiheit genommen wurde. Entschädigt für das wochen- und monatelange Nehmen der gemäß Artikel 1 GG garantierten Menschenwürde.

    Sind Sie bereit dafür, selbst diese Konsequenz zu tragen?
    Machen wir das mal konkret. Sind Sie bereit dafür, ein halbes Jahr in Untersuchungshaft zu gehen, 23 Stunden am Tag weggesperrt, nur weil eine Frau behauptet, Sie hätten sie vergewaltigt? Sind Sie bereit dazu, zum Schutze anderer Frauen dann ins Gefängnis zu gehen? Zum Schutze Ihrer Frau und Ihrer Kinder? Sind Sie bereit für eine Rechtsordnung, die dafür sorgt, dass Sie in dem Moment, da der Ermittlungsrichter den Daumen über Sie senkt, arbeitslos zu sein und für immer diesen Makel, dieses Loch im Lebenslauf zu haben? Sind Sie bereit dafür, dass Ihre Frau vielleicht die Scheidung einreicht, weil sie Ihnen nicht glaubt, und das alleinige Sorgerecht beantragt?

    Und sind Sie bereit, für all das, was Ihnen dann unrechtmäßig widerfährt, für sechs Monate Freiheitsentzug, eine zerstörte Familie oder auch bloß zerstörtes Vertrauen zu Ihrer Frau, und eine zerstörte Karriere mit 4.525 bis 4.600 Euro – das sind 181 bis 184 Tage, je nachdem, wann das halbe Jahr beginnt – „entschädigt“ zu werden?

    Was ist das für ein Staat, in dem Sie leben wollen, dass der Schutz Unschuldiger vor ungerechtfertigter Strafverfolgung für Sie weniger schwer wiegt als dass ein mutmaßlicher Täter bis zu seinem Prozess frei rumläuft? Kritisieren wir Russland nicht genau dafür? Sagen Sie es mir: Finden Sie 2 Jahre Arbeitslager für zwei der drei Pussy-Riot-Sängerinnen gerechtfertigt?
    Wenn nein: warum nicht?

    Was treibt Menschen in Deutschland dazu?

    Mitunter Polizisten. Mitunter die Abwägung, dass man ohnehin nicht seine Unschuld wird beweisen können und ein falsches Geständnis zumindest strafmildernd wirkt. Mitunter auch psychische Probleme. Mitunter auch schlichtes Gieren nach Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit. Und noch andere Mechanismen.

    Sie schreiben „Die Gesellschaft verliert dadurch nichts.“ und „Nichts – solange keine Wiederholungsgefahr besteht,“ Können Juristen in Köpfe schauen?

    Kann man in Ihren Kopf schauen? Kann ein Polizist, an dem Sie vorbeigehen, beurteilen, ob er Sie lieber vorsorglich einsperren soll, weil Sie ja eine Bank überfallen oder Ihre Frau schlagen könnten?

    Die Beschuldigten sind dringend verdächtig, bereits an der Tötung eines Menschen beteiligt gewesen zu sein, dass sie also dazu fähig sind scheint real und nicht abstrakt.

    So sah das in den Fällen Kachelmann und Türck auch aus.

    Jedoch das Recht, das gesprochen wird ist nichts wert, wenn es gesellschaftlich nicht akzeptiert wird. Urteile werden im Namen des Volkes und nicht im Namen der Juraabsolventen gesprochen.

    Sie übersehen da was ganz Gewaltiges: Die Interessen des Volkes können von seinem Willen stark abweichen. Welchem Motiv ist von Legislative, Judikative und Exekutive dann zu folgen?
    Nehmen wir an, Volkes Wille sei es, alle Muslime in Konzentrationslager zu sperren. Soll die Legislative dann diesem Willen folgen und entsprechende Gesetze erlassen, unbeachtlich der Konsequenzen? Sie wissen genau, wie das sein kann mit „Volkes Wille“ – denken Sie an 1932. Und an die Folgen. Oder denken Sie an den Iran: Wenn es der Wille des iranischen Volkes wäre, Israel auszulöschen, sollte die iranische Regierung diesem Willen folgen – auch um den Preis der eigenen Vernichtung? Wäre das demokratisches Handeln?

  18. 18
    Mirco says:

    @TobiPirat

    Für Wiederholungsgefahr – während eines Ermittlungsverfahrens – würde ich gerne ein paar Anhaltspunkte sehen wollen. Ich hätte eher Fluchtgefahr erwartet.

  19. 19
    BV says:

    Da hier immer wieder die Wiederholungsgefahr thematisiert wird, möchte ich noch einmal deutlich darauf hinweisen, dass die Untersuchungshaft grundsätzlich keinen präventiven Charakter hat, sondern ausschließlich der Sicherung des Hauptverfahrens dient. Daher kommt Untersuchungshaft grundsätzlich auch nur bei einer Gefährdung des Hauptverfahrens in Betracht, welche der Gesetzgeber bei Flucht, Fluchtgefahr oder Verdunklungsgefahr sieht.

    Eine – wegen seiner präventiven Ausrichtung systemfremde – Ausnahme hiervon stellt § 112 a StPO dar, der Untersuchungshaft bei ausgewählten Delikten auch im Fall einer Wiederholungsgefahr zulässt. Die Voraussetzungen sind streng und erfordern in den meisten Fällen auch, dass der Beschuldigte die betreffende Tat schon einmal begangen hat.

  20. 20
    Tobias Pirat says:

    Guten Morgen preston,

    der erste Gedanke der beim Lesen Ihres Postings durch den Kopf ging war „Nicht alles was hingt ist ein Vergleich.“

    Jetzt stellen Sie mein Abstraktionsvermögen auf eine harte Probe.

    Sie können ja nun nicht allen Ernstes falsches Händewaschen mit einem Totschlag (im physischen und nicht im juristischen Sinne) gleichsetzen!?

    Die Taten einer Person(-gruppe) auf eine ganze Glaubensgemeinschaft und damit zumeist eine ethnische Gruppe zu projizieren, ist so derart abwegig, dass ich mal davon ausgehe, dass Sie mich damit entweder testen oder provozieren wollten.

    Eine flächendeckende Kamerüberwachung hat noch keine irrationale Tat zu verhindert vermocht, wie genügend Beispiele aus deutschen U-Bahnhöfen anschaulich darstellen. Auch die Aufklärungsquote hat sich in London seit Ausweitung der Überwachung (mit 10.524 Kameras in 2007) nicht signifikant erhöht. (Ich verzichte mal auf Links zum Beleg der Aussage, damit das hier nicht wieder im SPAM landet.)

    Es kostet genau ein Wort um diese Vergleiche als das bloß zu stellen was sie sind: Lächerlich.

    Dieses Wort ist „Schuld“.

    Ich habe jetzt eine ganze Weile drüber nachgedacht, weil mich Unbehagen befällt, dieses Wort in die Diskussion einzubringen.

    Genauso wie es Ihre Vergleiche als an den Haaren herbeigezogen erscheinen lässt, lässt es meine Sichtweise wanken (wenn nicht gar zusammenbrechen).

    Wer entscheidet über die Schuld zur Tat? Mit Sicherheit niemand, der nicht alle Aspekte über Tat, Täter und Opfer kennt.
    Auch ein Ermittlungsrichter hat wohl weder die Aufgabe noch die Mittel hierüber zu befinden.

    Schwierig. Sehr schwierig!

    Allerdings bleibt das Zitat von Kafka: „Alles Reden ist sinnlos, wenn das Vertrauen fehlt.“

    Mirco fragt nach Anhaltspunkten für Wiederholungsgefahr. Hier überwiegt wohl die Unfassbarkeit der Motive für eine solche Tat, sowie die scheinbar willkürliche Wahl des Opfers. Wer einmal irrational handelt tut es wieder. Menschliche Sichtweise, keine juristische -eine Vorverurteilung?

    Ich persönlich finde die Strafe für Pussy-Riot-Sängerinnen absurd. Das liegt aber maßgeblich an meiner Einstellung zur Meinungsfreiheit und an meiner Einstellung zu „religiösen Gefühlen“.

    Das was Sie mit verweis auf 1932 und den Iran anbringen ist zu plakativ und zieht die falschen Schlüsse für das Hier und Jetzt. Stichwort „Tyrannei der Mehrheit“ und dem Schutz vor ihr wie Tocqueville es beschreibt.

    Nur ein Zyniker kann 25 Euro pro Tag für einen ungerechtfertigten Freiheitsentzug als Entschädigung bezeichnen.

    Wie auch immer, Sie haben meinem Tuschkasten ein paar Grautöne hinzugefügt, wobei ich mir erst noch Gedanken machen muss, was ich damit anfange.

    Vielen Dank dafür!

    Hätte ich mich an Lincoln, Morales und Busch gehalten, wäre mir das hier leider entgangen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wäre ich schweigend grübelnd nicht zu einer Erweiterung der Sicht gelangt. ;)

    Beste Grüße.

  21. 21
    Mirco says:

    @TobiPirat
    „scheinbar“ ist ein ziemlich schlechter Anhaltspunkten für Wiederholungsgefahr.

    Bei einer gemeinschafltichen Tat wird sich eine Wiederholungsgefahr auch nur schwer konstruieren lassen. Selbst auf dem nicht ausreichenden Level „Wer einmal irrational handelt tut es wieder.“ nicht.