Hat Herr Vetter gepennt?

Der Kollege Udo Vetter berichtet über einen Fehler, der wohl jedem Verteidiger schon einmal unterlaufen ist, auch mir. Und der häßlich in’s Geld geht.

Es ist das schreckliche Wort der Erstreckung, das zu Überraschungen führt, wenn es nicht im Protokoll auftaucht, weil man es vergessen hat. Wie Herr Vetter.

Der Verteidiger wird in einer Sache zum Pflichtverteidiger bestellt. Später werden andere Verfahren zu dieser Sache hinzu verbunden. Nach der Verbindung sollte der Verteidiger dann das Gericht bitten festzustellen, daß die Bestellung zum Pflichtverteidiger auch für die anderen, hinzuverbundenen Verfahren gelten soll. Auf juristisch heißt das, er muß die Erstreckung beantragen.

Herr Vetter hat Glück gehabt. Der Richter hat diese Erstreckung noch entschieden, als das Verfahren bereits beendet war. Dies hatte die Folge, daß die Justizkasse nun auch die Pflichtverteidiger-Vergütung für die hinzuverbundenen Verfahren an den Verteidiger zahlen muß. Immerhin ein rundes Kiloeuro, wie der Kollege berichtet, erwartet er auf seinem Kanzleikonto. Und freut sich – mit Recht.

Des einen Freud ist aber des anderen Leid. Wie im richtigen Leben gilt dieser Satz auch in der Justiz.

Denn die Pflichtverteidigerkosten werden den Verfahrenskosten zugeschlagen. Und an dieser Stelle bekommt der zweite Satz bei der Urteilsverkündung eine entscheidende Bedeutung:

1. Der Angeklagte wird verurteilt …
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Angeklagte …

Irgendwann wird bei dem Mandanten des Pflichtverteidigers eine Kostenrechnung der Justizkasse zugeschickt, auf dem dieselbe Zahl steht, die auch auf dem Kontoauszug des Verteidigers gedruckt ist.

Ich bin ganz sicher, daß der Kollege Vetter nicht gepennt hat. Diese Konsequenz kalkuliert ein Verteidiger ein, wenn er den Kostenantrag ans Gericht schickt. Und er hat seinen Mandanten über diese Kostenfolge bereits zu Beginn des Verfahrens informiert. Das machen wir in unserer Kanzlei auch – und zwar mit diesen wohlgesetzten Worten.

Der Leser des Beitrags im Lawblog sollte also berücksichtigen, daß die Pflichtverteidigung grundsätzlich keine kostenlose Verteidigung ist. Der dicke Hammer – die Kostenrechnung der Justizkasse – kommt stets am Schluß.

Wenn dem Verurteilten dann allerdings keine Mittel zur Verfügung stehen, diese Rechnung zu begleichen, kann er mit einem formlosen Antrag – bei dem der Verteidiger, ganz bestimmt auch Herr Vetter,  regelmäßig hilft – die Niederschlagung dieser Kosten oder zumindest Ratenzahlung beantragen.

 

Dieser Beitrag wurde unter Verteidigung veröffentlicht.

4 Antworten auf Hat Herr Vetter gepennt?

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    Nils says:

    Vielleicht liegts daran, dass ich strafprozessualer Laie bin, aber wo steht denn in Herrn Vetters Beitrag, dass sein Mandant verurteilt wurde? Er schreibt ja sogar einleitend, dass „das Versäumnis nicht zu Lasten eines Mandanten“ geht.

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    RA Neldner says:

    @Nils: Es ergibt sich aus dem Zusammenhang. Bei einem Freispruch hätte der Kollege Vetter sicherlich die Wahlverteidigergebühren gegen die Staatskasse geltend gemacht. Auf die Erstreckungen wäre es nicht mehr angekommen.
    Die Vielzahl von Anklagen könnte jetzt Anlass zu Spekulationen über die verschiedenen denkbaren Konstellationen von teilweisen Freisprüchen geben, aber die Kostenfolgen lassen sich nicht allgemeingültig beschreiben. Erfahrungsgemäß bedeutet eine Vielzahl von verschiedenen Anklagen aber meist, dass es sich aufs Ganze betrachtet um eine Strafmaßverteidigung handelt und höchstens ein Freispruch/eine Einstellung in einzelnen Anklagepunkten in Betracht kommt, was wiederum üblicherweise kostenmäßig nur geringe Bedeutung hat.

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