Idyllisches Landleben – Immer wieder

Angewandte Vorurteilsforschung in einer Ermittlungsakte:

Immer

Immer wieder findet sich der Namen des Mandant in den Vorgängen. Immer wieder war er Beteiligter an einer Schlägerei. Immer wieder stellte sich heraus, daß er der Geschädigte war. Aber wenn er immer wieder in den Dorfpolizeiakten auftaucht, muß ja irgendwas dran sein. Auch wenn die Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft in der entfernten Stadt immer wieder eingestellt wurden.

Auch diesem vierten Fall war es wie immer: Es begann mit Alkohol, dann ging es los mit dem Mobbing des Mandanten wegen seiner sichtbaren Behinderung; es endete damit, daß der Mandant erst mit einem Stock und dann mit einem Gartenstuhl geschlagen wurde.

Gartenstuhl

Aber der einzige Zeuge, den die Dorfpolizisten vernommen hatten, behauptete, daß der Mandant auf die anderen drei Beteiligten losgegangen sei. Wenn einer immer wieder in den Akten der Dorfpolizeibehörde auftaucht und dann auch noch ein Ureinwohner des Dorfes so eine belastende Zeugenaussage liefert, muß ja was dran sein.

Achso, ein Hund spielt auch noch eine Rolle in dem Schaustück. Ein ausgebildeter Schäferhund. Der gehört dem über 70-jährigen Ureinwohner. Es ist ein Blindenhund …

Immer wieder unterhaltsam, so eine Dorfgemeinschaft.

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Respekt per Online Banking

Der Facebook-Eintrag eines Kollegen:

Innerhalb von 2 Wochen Mahnung mit Vollstreckungsandrohung. Sowas leisten sich nur Schornsteinfeger.

Zuerst dachte ich, das sei das klassische Mandat eines Familienmitglieds oder guten Freundes (Du, ich habe da Post bekommen. Kannst Du mal eben …). Nein, das war ein Statement in eigener Sache, was sich ein wenig später aus den Kommentaren zu dem Beitrag ergab. Da schreibt der Kollege nämlich:

… ich mache es altmodisch, sammle Rechnungen und am Ende eines Monats wird dann alles auf einmal überwiesen am SB Terminal. Ziemlich Sixties aber ich habe einen Überblick und sonst auch keinen der sich beschwert.

Das ist durchaus eine Möglichkeit: Die (fremde) Leistung ist eilig und wird sofort in Anspruch genommen. Die (eigene) Gegenleistung hat Zeit und wird irgendwann einmal erbracht. Es ist eine Möglichkeit, ja. Aber keine gute.

Wir machen das anders. Rechnungen werden stets am Tag ihres Eingangs bei uns überwiesen. Mit dem Ziel, daß der Rechnungssteller noch nicht von seinem Gang zum Briefkasten zurück ist, wenn unsere Zahlung bei ihm eintrifft.

Damit möchten wir signalisieren, daß wir ihn und seine Arbeit dankbar respektieren. Für den Überblick über unsere Liquidität nutzen wir geeignete Software.

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Liebe Nachbarn

Fensterscheiben einzuschlagen gehört auch in Nord-Neukölln nicht unbedingt zum Standard, wenn man sich über eine zu laute Party beschweren möchte. Das ist unhöflich.

Aber dieses Plakat zeigt, daß die Einflußnahme auf das Durchsichtsmaterial auch irgendwie nachvollziehbar ist:

LiebeNachbarn

Wer „mitunter“ nachts etwas lauter ist und wenn es deswegen bereits „jederzeit“ schon Bitten gegeben hat, daran zu denken, daß es Menschen gibt, die nachts ihre Akkus aufladen müssen, muß sich nicht wundern, wenn dann mal weniger zaghaft an die Scheibe geklopft wird.

Der Wille, sich auch ohne jederzeitige Beschwerden zur nachtschlafender Zeit rücksichtsvoll gegenüber den Schläfern zu verhalten, geht aus dem Aufschrei nicht unbedingt erkennbar hervor.

Nein, ich habe weder was von dem störenden Lärm gehört, noch habe ich die Scheibe eingeschlagen. Ich bin ein tatsächlich lieber Nachbar.

Übrigens:
Unsere Kanzlei verteidigt auch in Ordnungswidrigkeitenverfahren, die wegen ruhestörenden Lärms geführt werden. Und in Strafverfahren wegen Sachbeschädigungen. Aber richtig interessant wird es erst, wenn noch Beleidungen und Körperverletzungen hinzukommen. Also: Haut rein, Jungs und Mädels! 8-)

Hier nochmal die Beschwerde im besser lesbaren Wortlaut:

    Liebe Nachbarn.
    Mir ist schon klar, das wir mitunter Nachts etwas lauter sind! Ihr könnt euch jederzeit bei mir beschweren, dann werde ich auch Rücksicht nehmen. Aber meine Scheibe einzuschlagen!! IST einfach Scheiße -> und feige!! (Laden EG).
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Kummer-Nummer

Für den Fall, daß jemand mal ein Problem mit seinem Faß hat, gibt es jetzt hier einen problemlösenden Hinweis:

Fassbierkummer

Ach, da fällt mir ein: Straftat-Kummer? Notruf-Nummer!
(scnr)

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Porno Marketing

Wenn man sich in den letzten Tagen in den Blogs und Foren oder auch in den konventionellen Medien umschaut, wird man zugeschmissen mit der Aufregung über die Post, die eine Regensburger Rechtsanwaltskanzlei verschickt hat. Die fränkischen ostbayerischen Kollegen haben meiner Ansicht nach einen ganz hervorragenden Job gemacht!

Die Kanzlei vertritt einen Urheberrechts-Inhaber, der die Ansicht vertritt, seine Rechte seien getreten worden; es sollen also Gesetzesübertretungen gegeben haben.

Die Anwälte machen nun genau das, was sie machen sollen. Sie ermitteln die möglichen Rechtsverletzer und schicken ihnen einen Brief, in dem sie dazu auffordern, von den Rechtsverletzungen (künftig) zurückzutreten und für den eingetretenen Schaden Ersatz zu leisten.

Ich verstehe die Aufregung nicht. Wer die Ansicht vertritt, kein Gesetz übertreten zu haben, kann an einen anderen Interessenvertreter herantreten und ihn beautragen, der Forderung der Kanzlei entgegen zu treten. Und fertig. Wer das nicht möchte oder wem das Layout und der Inhalt nicht gefällt, dem bietet der Büromaschinenfachhandel im übrigen zahlreiche Möglichkeiten.

Was passiert statt dessen? Es wird ein Riesenbohei gemacht um schlichtes, bedrucktes Papier, das in einem frankierten Umschlag steckt.

654164_web_R_K_by_S.Geissler_pixelio.deUnd jetzt? Den Namen der Kanzlei Urmann + Collegen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH wird kein Mensch jemals in seinem Leben vergessen. Und diejenigen, die irgendwann einmal eine eigene (Urheber-)Rechtsverletzung beweinen müssen, werden sich genau dann an diesen Namen erinnern.

Liebe Kollegen: Chapeau! Euer Marketing ist sicher anstrengend, aber genial. Echt porno!

Bild: S.Geissler / pixelio.de

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Die ultimative Verteidigungsschrift

Der querulatorische Mandant hat mal wieder geparkt. Wo gerade Platz war. Das hat einer Mitarbeiterin des Kreuzberger Unordnungsamts nicht gefallen. Es gab das übliche Programm und der Nörgler landete in unserer Kanzlei.

Das führte nach der Akteneinsicht zu der folgenden Verteidigungsschrift:

Verteidigungsschrift

Das Argument der Verteidigung war nicht zu widerlegen. Das Gericht, das sich mit der Sache eingehend beschäftigt hat, kam nach intensiver Prüfung zu folgendem Ergebnis:

Einstellung

Ein gutes Pferd springt eben nur so hoch wie es unbedingt muß.

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Das wollen wir doch mal sehen!

Eine spontan gewordene Ergänzung unserer Bibliothek:


Verfassungsbeschwerde

Bestellt! Man muß ja nicht alles akzeptieren, was einem ein Gericht vorsetzt.

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EuGH-Generalanwalt: VDS unvereinbar mit der Charta der Grundrechte

Der EuGH-Generalanwalt hält die Vorratsdatenspeicherung (VDS) für unvereinbar mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
PEDRO CRUZ VILLALÓN
vom 12. Dezember 20131

Rechtssache C-293/12

Digital Rights Ireland Ltd

gegen

The Minister for Communications, Marine and Natural Resources, The Minister for Justice, Equality and Law Reform,
The Commissioner of the Garda Síochána,
Irland

und

The Attorney General

(Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Ireland [Irland])

und

Rechtssache C-594/12

Kärntner Landesregierung, Michael Seitlinger

und

Christof Tschohl, Andreas Krisch,
Albert Steinhauser,
Jana Herwig,
Sigrid Maurer,
Erich Schweighofer, Hannes Tretter, Scheucher Rechtsanwalt GmbH, Maria Wittmann-Tiwald, Philipp Schmuck,
Stefan Prochaska
u. a.

(Vorabentscheidungsersuchen des Verfassungsgerichtshofs [Österreich])

VII – Ergebnis

159. Im Licht der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des High Court in der Rechtssache C-293/12 und des Verfassungsgerichtshofs in der Rechtssache C-594/12 wie folgt zu beantworten:

1. Die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG ist in vollem Umfang unvereinbar mit Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, da die Einschränkungen der Grundrechtsausübung, die sie aufgrund der durch sie auferlegten Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung enthält, nicht mit unabdingbaren Grundsätzen einhergehen, die für die zur Beschränkung des Zugangs zu den Daten und ihrer Auswertung notwendigen Garantien gelten müssen.

2. Art. 6 der Richtlinie 2006/24 ist mit den Art. 7 und 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union unvereinbar, soweit er den Mitgliedstaaten vorschreibt, sicherzustellen, dass die in ihrem Art.5 genannten Daten für die Dauer von bis zu zwei Jahren auf Vorrat gespeichert werden.

Quelle: Malte Spitz (PDF)

Danke an Rechtsanwaltskanzlei Michael Seidlitz für den Hinweis

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Interessierte Staatsanwaltschaft

Wir verteidigen derzeit zwei Angeklagte vor einem hessischen Landgericht gegen die Anklage der Staatsanwaltschaft Wiesbaden. Dieses Strafverfahren ist vorgreiflich für die Frage, ob einer der Angeklagten, beide einzeln oder beide gemeinsam für Steuerverbindlichkeiten einer Gesellschaft haftet bzw. haften. Es ist uns gelungen, das Finanzgericht davon zu überzeugen, erst einmal den rechtskräftigen Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten. Dann können die Karten immer noch neu gemischt werden.

Von Zeit zu Zeit erkundigen sich die Finanzrichter beim Staatsanwalt nun über den Stand der Dinge. Von der letzten Sachstandmitteilung des durchaus humorvollen Staatsanwalts hat mir das Finanzgericht eine Abschrift zukommen lassen:

StA mit Interesse

Es kommt selten vor, daß der Staatsanwalt und der Strafverteidiger ein gemeinsames Interesse haben. In dieser Sache bin ich aber genauso gespannt wie er.

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Inkasso-Anwalt wegen versuchter Nötigung verurteilt

Die Pressestelle des Bundesgerichtshofes teilt mit:

Das Landgericht Essen hat den Angeklagten, einen Volljuristen, u.a. wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Gegenstand des Verfahrens sind anwaltliche Mahnschreiben an die Kunden von sog. Gewinnspieleintragungsdiensten. Diesen war über Callcenter angeboten worden, sie gegen einen Teilnehmerbeitrag in Gewinnspiele einzutragen. Dies geschah aber nicht. Nachdem es bei Einzug der Teilnehmerbeträge mittels Lastschrifteinzug immer häufiger zu Rücklastschriften kam, entschloss sich der gesondert verurteilte Verantwortliche des Gewinnspieleintragungsdienstes, die Kunden mittels eines „Inkassoanwalts“ zu mahnen, um so auf sie Druck auszuüben und dadurch zur Zahlung der unberechtigten Forderungen zu veranlassen.

Er konnte den Angeklagten als „Inkassoanwalt“ gewinnen und beauftragte ihn im weiteren Verlauf mit der Erstellung von mehreren Entwürfen für Mahnschreiben. Dass der Angeklagte bei deren Erstellung Kenntnis von der fehlenden Eintragung der Kunden in die Gewinnspiele hatte, konnte das Landgericht nicht feststellen.

Die entsprechend den Entwürfen hergestellten Mahnschreiben erweckten den Anschein, der Angeklagte habe die Forderungen aus den Gewinnspieleintragungen geprüft. Tatsächlich wurden die Namen der Empfänger vom Verantwortlichen des Gewinnspieleintragungsdienstes selbst eingesetzt. Der Angeklagte kümmerte sich weder darum, an wen die Briefe versandt wurden, noch darum, ob der Gewinnspieleintragungsdienst tatsächlich eine Forderung gegen den jeweiligen Empfänger des Schreibens hatte.

Im Gegensatz dazu behauptete der Angeklagte in den Mahnschreiben, er sei mit der Durchsetzung der berechtigten Forderungen gegen den jeweiligen Empfänger beauftragt worden und werde dies auch konsequent tun. Seine Mandantin behalte sich vor, bei nicht fristgerechter Zahlung den Sachverhalt der Staatsanwaltschaft zur Überprüfung wegen des Verdachts des Betruges vorzulegen. Tatsächlich war zwischen dem Auftraggeber und dem Angeklagten vereinbart worden, dass keinesfalls eine gerichtliche Geltendmachung der Forderungen, geschweige denn die Erstattung von Strafanzeigen erfolgen sollte. Vielmehr sollten bei Beschwerden oder „Kündigungen“ seitens der Kunden diesen ohne weitere Prüfung stets sämtliche etwa bereits geleistete Zahlungen zurückerstattet werden.

Aufgrund der Mahnaktionen gingen fast 860.000 € ein, von denen knapp 140.000 € dem Angeklagten zuflossen.

Die Strafkammer hat die Drohung mit einer Strafanzeige als verwerflich im Sinne des Nötigungstatbestandes (§ 240 Abs. 2 StGB*) bewertet.

Sie konnte aber nicht feststellen, dass die angeschriebenen Kunden wegen der Drohung mit der Strafanzeige bezahlt hatten. Möglicherweise hatten sie auch schon allein deshalb bezahlt, weil sie (überhaupt) ein anwaltliches Mahnschreiben erhalten hatten.

Deshalb wurde der Angeklagte wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen verurteilt.

Der Bundesgerichtshof hat die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten verworfen:

Zwar hat der Angeklagte nicht konkret gewusst, dass die von ihm eingetriebenen Forderungen zivilrechtlich nicht gerechtfertigt waren. Dennoch hat der Bundesgerichtshof es als mit den Grundsätzen eines geordneten Zusammenlebens unvereinbar und daher verwerflich angesehen, dass juristische Laien durch Behauptungen und Androhungen, die der Angeklagte mit der Autorität eines Organs der Rechtspflege ausgesprochen hatte, zur Erfüllung der behaupteten, nur scheinbar von diesem geprüften rechtlichen Ansprüche veranlasst werden sollten.

Beschluss vom 5. September 2013 – 1 StR 162/13

LG Essen – Urteil vom 13. Dezember 2012 – 59 KLs 1/12

Karlsruhe, den 11. Dezember 2013

Das sind Sachen, die können einem Strafverteidiger nicht passieren. Die drohen – aus grundsätzlichen Erwägungen heraus – in der Regel nicht mit Strafanzeigen, sondern verteidigen dagegen.

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