Irrsinn und wüste Beschimpfungen im mittelalterlichen Potsdam

528372_web_R_K_B_by_Stefan Emilius_pixelio.deIn einer sehr umfangreichen Wirtschaftsstrafsache mit einer zweistelligen Anzahl an Beschuldigten (bzw. bereits Verurteilten und noch Angeklagten) hatte ich für meinen Mandanten eine Sachstandsanfrage an die Staatsanwaltschaft geschickt.

Ich habe zwar am Rande mitbekommen, daß die abgetrennten Verfahren noch verhandelt werden. Es ist aber damit zu rechnen, daß mein Mandant zusammen mit weiteren Beschuldigten als nächster „an der Reihe ist“.

Und da ich zuletzt im Mai 2011 die Ermittlungsakten zur Einsicht hatte und sich in der Zwischenzeit reichlich Neues ergeben hatte, habe ich auch (ergänzende) Akteneinsicht beantragt.

Gemeinsam mit meinem Mandanten wollte ich prüfen, ob es aufgrund der erneuerten Sachlage sinnvoll ist, eine weitere Verteidigungsschrift zu verfassen, um damit Einfluß auf die Abschlußverfügung der Staatsanwaltschaft zu nehmen.

Der Herr Staatsanwalt antwortete mir:

… es ist beabsichtigt, gegen Ihren Mandanten sowie gegen den Beschuldigten Bullmann und die drei weiteren verbliebenen Beschuldigten (Gluffke, Brause und Frollein F.) in etwa 3 bis 4 Wochen Anklage zum Landgericht Potsdam zu erheben.

Da die Akten, was Ihren Mandanten betrifft, im Hinblick auf die beabsichtigte Anklageerhebung bereits weitestgehend durchgearbeitet sind und die Passagen speziell betreffend Ihren Mandanten in weiten Teilen im Entwurf schon geschrieben sind, sind die Ihren Mandanten herausgehoben betreffenden Akten bereits weitgehend für die Versendung zum Gericht verpackt. Die für Akteneinsichtsgesuche vorgehaltenen Viertakten sind, da mit solchen jetzt nicht mehr gerechnet worden ist, insoweit vernichtet. Die Drittakten benötigen OStA Müller, StA Dr. Meier und ich zum Handgebrauch fortlaufend für den Abschluss an der Anklageschrift.

Ich möge mir eine „garantiert inhaltsgleiche und aktuelle Zweitakte“ bei der Ermittlungsbehörde abholen, die – aus Potsdamer Perspektive – in unmittelbarer Nähe unserer Kanzlei sei.

An dieser Stelle möchte ich nochmal festhalten: Es handelt sich um ein Verfahren, in dem sich nahezu sämtliche Handlungen, die die Staatsanwaltschaft bestraft sehen möchte, im Internet zugetragen haben. Die Potsdamer Strafverfolgungsbehörde führt also ein Ermittlungsverfahren im Cybercrime-Bereich, und hat ausschließlich Papierakten zur Verfügung!

Und um dem noch eine Krone oben drauf zu setzen, schmeißt sie mühsam angefertigte Aktenkopien in den Reiswolf, weil der Staatsanwalt die Ansicht vertritt, daß ich die Akten nicht mehr einsehen möchte. Zur Begründung bezieht er sich u.a. darauf, daß die Verteidiger aus „einem früheren Trennverfahren dieses Verfahrenskomplexes“ sein Angebot, die „Viertakten kostenlos zum Verbleib zu überlassen“ nicht angenommen hätten.

Daß die „anderen“ Verteidiger – anders als diese Potsdamer Mittelalterbehörde – ihre Akten ebenfalls digital vorhalten und sich – ebenso wie unserer Kanzlei – ihre Wände nicht mit Regalen voller Papier zustellen wollen … auf diese Idee kommt der Staatsanwalt eher nicht. Also schmeißt er die Akten in die Tonne.

Ich habe dem Herrn Ermittler einen Brief geschrieben:

Den Irrsinn Ihrer Behörde, die Akten dieses Cybercrime-Verfahrens nicht zu digitalisieren, um sie den anderen Verfahrensbeteiligten und den zahlreichen Verteidigern jeweils auf (geschützten) DVD zur Verfügung zu stellen, möchte ich – jedenfalls an dieser Stelle – nicht weiter kommentieren.

Dazu dann aber der Kommentar des Herrn Staatsanwalts:

Im Übrigen ist Ihre Ansicht zur Frage der „elektronischen Akteneinsicht“ hier seit längerem bekannt und stößt hier auch auf ein gewisses Verständnis. Wüster Beschimpfungen („Irrsinn“), die ich persönlich im Übrigen auch als unpassend empfinde, bedarf es daher durchaus nicht, um die Staatsanwaltschaft für Ihre Auffassung zu sensibilisieren.

Ich bin gespannt, wie der nun – immerhin sensiblisierte – Strafverfolger reagiert, wenn ich wirklich mal anfange mit wüsten Beschimpfungen.

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Bild: Stefan Emilius / pixelio.de

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Nach 3 Jahren: Server-Update

Nach gut 3 Jahren, in denen der „alte“ Server einen ganz hervorragenden Dienst geleistet hat, steht nun die Anschaffung neuer Hardware vor der Tür:

Primergy TX2540 M Tower (customized #15909)
– 2 x Xeon E5-2420v2 (2,2GHz/15MB/1600MHz)
– 5 x 16 GB DDR3 1600 R ECC 2Rx4 L
– RAID 5/6 512MB 6G 512MB,
– DVD-RW
– Festplatten: 6 x 600GB SAS 6G 15k 3,5“
– LAN: 2 x Gbit Ethernet 10/100/1000
– Stromversorgung: 2 x Netzteil hot-plug,

Mal schauen, was draus wird.

BTW:
Wenn jemand Interesse an der alten Kiste hat: Ich nehme gern Angebote entgegen, die ich nicht ablehnen kann.

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Das eigene Knie

536616_web_R_K_by_Joachim Frewert_pixelio.deElf Monate Untersuchungshaft mit anschließendem Freispruch. Das führt grundsätzlich zu einer Haftentschädigung in Höhe von 25 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung (§ 7 Abs. 3 StrEG). Das ist ohnehin nur ein unverschämtes Trinkgeld, das der Gesetzgeber dem zu Unrecht Weggesperrten vor die Füße wirft. Es gibt aber Fälle, da gibt es aber noch nicht einmal das.

Dem freigesprochenen Untersuchungshäftling Wilhelm Brause hatte man eine Brandstiftung vorgeworfen. Das Landgericht Aurich sprach ihn im ersten Durchgang schuldig und verurteilte ihn. Die Revision des Herrn Brause war erfolgreich, der BGH hob das Urteil auf. Im zweiten Durchgang kam es zum Freispruch. Die Zwischenzeit verbrachte Wilhelm im Knast.

Für diese Zeit habe er aber seinen Entschädigungsanspruch verwirkt, weil er im Ermittlungsverfahren als Zeuge gegenüber der Polizei falsche Angaben gemacht habe, meinte jetzt das OLG Oldenburg. Dadurch sei er in den Verdacht geraten, selbst der Täter zu sein.

Wilhelm Brause hatte nämlich der Polizei und dem Gebäudeversicherer erzählt, nur der Vermieter und er seien im Besitz eines Schlüssels für das Gebäude. Die (erste) Verurteilung fand ihre entscheidende Grundlage aber darin, daß nur Brause die Gelegenheit hatte, das Gebäude zu betreten und den Brand zu legen.

Brause habe aber gewußt, daß auch noch weitere Personen einen Schlüssel und damit Zugang zum Objekt und Gelegenheit zur Brandlegung gehabt hatten. Und genau aus diesem Grund wurde er im zweiten Verfahren freigesprochen und aus der Haft entlassen.

Kann es sein, daß hier der Ärger des Gerichts im Vordergrund steht ihn freisprechen zu müssen, obwohl er eigentlich verurteilt gehört? So nach dem Motto: „Wir wissen ganz genau, daß Du das warst. Wir können es Dir leider nur nicht beweisen. Und deswegen gibt es auch keine Entschädigung!“

Es kann aber auch ganz anders gewesen sein, und Brause wollte einfach mal gucken, wie es sich anfühlt, wenn man sich selbst ins eigene Knie schießt.

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Bild: Joachim Frewert / pixelio.de

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Drumrumgebastelt

Der Bundesrat hat eine neue Idee: Er schlägt einen § 202d im Strafgesetzbuch vor. Danach …

… wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft,

wer Daten, die ein anderer ausgespäht oder sonst durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, sich oder einem anderen verschafft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen.

Wer sich jetzt freut, daß nun ganze Belegschaften der Landesjustizministerien fünf Jahre lang hinter Gitter gebracht werden können, ist voreilig:

Staatliche Instanzen, die illegal erworbene Daten für die Strafverfolgung nutzen, sind von der Anwendung dieser Strafnorm ausgeschlossen. Der Ankauf dieser auf Datenträger gebrannten geklauten Daten wird straffrei möglich bleiben.

Amtsträger, die sich allein dienstbezogen bemakelte Daten verschaffen, sollen von einer Bestrafung ausgeschlossen werden. In diesem Zusammenhang stellt der Bundesrat fest, dass der Ankauf sogenannter Steuer-CDs bereits nach dem geltenden Recht zulässig ist.

Denn erforderlich für eine gerechte Strafe sei die Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht. Wenn Amtsträger aber Daten in Besteuerungs- und Strafverfahren nutzen, wird der Staat nicht geschädigt. Und bereichern tut ja sich auch niemand.

Es ist bemerkenswert, wie es den Organen der Gesetzgebung auf recht hohem Niveau gelingt, ein durchaus sinnvolles Strafgesetz um ein grundsätzlich strafwürdiges Verhalten herum zu basteln.

Den Gesetzentwurf gibt es in der BT-Drs. 18/1288 (PDF, 459 KB)

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Pressefreiheit auf Türkisch

Kann das hier mal jemand in die türkische Sprache übersetzen und dann an die Herren Recep Tayyip Erdogan und Yigit Bulut schicken.

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Die beiden Herren scheinen sich mit den Grundwerten eines Rechtsstaats noch nicht so richtig auszukennen und könnten ein wenig Nachhilfe gebrauchen, wie man heute in der ZEIT nachlesen kann.

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Auskunftsbehörde

Die arme Frau fühlte sich betrogen und wollte ihr Geld zurück. Irgend ein zweistelliger Betrag. Für die Frau bestimmt eine Stange Geld, für den Kollegen, der die Frau seit Jahren miet- und familienrechtlich berät, das Jahrhundertmandat.

Was macht der gemeine Zivilrechtler also, wenn der „Betrüger“ nicht freiwillig zahlt. Klar, er schreibt im Auftrag seiner Mandantin eine gewaltige Strafanzeige. Denn, das weiß er ganz genau, der Staatsanwalt bringt seiner Mandantin ihr vermeintlich verlorenes Geld persönlich nach Hause zurück.

Parallel dazu versucht der Zivilist das, wovon er Ahnung und was er gelernt hat: Er beantragt den Erlaß eines Mahnbescheids.

Er hat aber Pech, denn das Gericht schafft es nicht, den Mahnbescheid zuzustellen. Und nun?

Er ruft um Hilfe:

Auskunftsbehörde

Na klar, der Staatsanwalt wird der armen Frau nicht nur das Geld vorbei bringen, er wird es auch bei dem Beschuldigten vorher abholen. Zu irgendwas müssen die Strafverfolger im Wege der Ermittlungen ja nützlich sein.

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Die telefonallergische Staatsanwältin

Hatte die Staatsanwältin Langeweile? Oder wollte sie die Akte erstmal ins polizeiliche Nirvana schicken, damit sie das Ding vom Tisch hat? Ich weiß es noch nicht so genau. Aber diese Verfügung macht mich nachdenklich:

Beschuldigtenvernehmung

Die Staatsanwältin schickt ihre Verfügung urschriftlich mit Akten („u.m.A.“) an die Polizei. Die soll den Beschuldigten vernehmen. Sollte die Beschuldigtenvernehmung („BV“) schon erfolgt sein, könne die Polizei die Akte ohne BV. wieder zurücksenden.

Ah, ja.

Aus gewöhnich gut informierten Kreisen wird vermeldet, die Staatsanwältin leide unter einer massiven Telefonallergie.

Achso, nochwas: Die „Akte“ besteht aus 6 Teilbänden.

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Bankgeheimnis: Offenbarung verboten

Die Staatsanwaltschaft ermittelt in einer Wirtschaftsstrafsache. Unter anderem liegt der Focus auf der Nachverfolgung der Geldflüsse – nicht zuletzt auch zur Vorbereitung des Verfalls (§ 73 StGB), einer möglichen Rückgewinnungshilfe (§ 111b StGB) und anderer häßlicher Vermögensabschöpfungen.

Deswegen schreiben die Ermittler der Reihe nach alle Banken an, die irgendwie und irgendwann einmal mit dem Beschuldigten ein Verhältnis hatten oder haben könnten.

  • Nebenbei:
    Allein das reicht schon aus, um den Geschäftsmann – was seine finanzielle Zukunft betrifft – zurück in die Steinzeit zu befördern. Aber darauf kann man im Rahmen eines Strafverfahrens ja nicht auch noch Rücksicht nehmen. Die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK ist da nicht so wichtig.

Die Staatsanwaltschaft schickt also einen Brief an so ziemliche alle in Frage kommenden Finanzinstitute zwischen Flensburg und Oberstdorf:

VerdeckteErmittlungen01

Und weil man das Ganze verheimlichen möchte, erinnert der Staatsanwalt den jeweiligen Banker unter Androhung empfindlicher Übel an die Wirkungslosigkeit eines Bankgeheimnisses:

VerdeckteErmittlungen02

Aber vielleicht habe ich das mit dem Bankgeheimnis noch nicht so richtig verstanden.

Man glaubt gar nicht, wie schnell die um das Vertrauen ihrer Kunden werbenden Banken auf so eine Mitteilung reagieren und Kontenstaffeln, Darlehensverträge und Kreditunterlagen an die Staatsanwaltschaft übermitteln können, um die Umzugskisten mit den Ermittlungsakten befüllen.

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Systembedingter Wahnsinn

647973_web_R_B_by_Wolfgang Pfensig_pixelio.deVor gut zehn Jahren war der Mandant in Neukölln unterwegs. Nachts. Mit einer Messingstange in der Hand. Und mit wirren Stimmen im Kopf.

Nachdem er – den Stimmen folgend – das Inventar der Eckkneipe zerlegt hatte, wurde in einem Sicherungsverfahren die Unterbringung in der Psychiatrie angeordnet.

Das sind Verfahren, die wünscht sich kein Verteidiger. Denn der Mandant ist der einzige, der die Ansicht vertritt, daß er wachen Geistes ist und alle anderen – der Verteidiger eingeschlossen – eigentlich in die Klapse müßten. Die Aufgabe des Verteidiger besteht dann in der Mitwirkung an seiner Einweisung (§ 63 StGB). Das tut der Verteidigerseele nicht gut.

Bereits nach relativ kurzer Zeit zeigte der Mandant allerdings erste Anzeichen einer Krankheitseinsicht, die Therapien hatten positive Wirkungen. Es folgten sukzessive weitere Fortschritte.

Knappe zehn Jahre später wurde die Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt. Dem Mandanten wurden eine Bibliothek voll Auflagen gemacht. Unter anderem sollte er seine Medikamente nach Weisung seiner Behandler einnehmen. Und sich regelmäßigen Blut- und Urinkontrollen unterziehen.

Der Mandant bezog eine Wohnung und wurde an der langen Leine von Sozialarbeitern, Bewährungshelfern und Klinikpersonal gehalten. Das erste Jahr lief blendend, seine Gesundheit stabilisierte sich. Er nahm wieder am Leben teil.

Anfang März dieses Jahres verschlechterte sich sein Zustand und zwar ziemlich rapide. Diesmal war es keine Messingstange. Aber eine Haustür, ein paar Autospiegel und einige Polizeibeamte trugen Spuren davon, die nicht von einem bestimmungsgemäßen Einsatz zeugten.

Im Rahmen einer Krisenintervention (§ 67h StGB) wurde er wieder der Klinik überantwortet, die sich nun drei Monate lang darum bemüht, den Mann wieder auf die Füße zu stellen. Dann wird man weiter sehen.

Was war passiert?

Es waren einige Ursachen, die zusammen kamen, für die der Mandant nur sehr begrenzt verantwortlich war.

Die Klinik hat wegen knapper Personalressourcen die Frequenz der Kontrollen herabgesetzt: Blut und Urin wurden nur noch alle vier Wochen probiert.

Am Ende des Geldes war noch viel Monat übrig. Und für seine Medikamente, die er in der Apotheke bekam, mußte er eine Zuzahlung leisten, die er alsbald nicht mehr hatte.

Das Wirtschaften mit Geld gehört nicht zum Therapie- und Lernprogramm einer Psychiatrie. Und der Bewährungshelfer hatte auch reichlich andere Sachen zu tun, als sich wöchentlich mit dem Mandanten über das Geld zu unterhalten.

Der Mandant tat das Naheliegende: Er verschob den Einkauf und verzichtete folglich zeitweise auf die Einnahme seiner Medizin. Das fiel nicht auf, weil die Kontrollen eben nicht eng genug gesteckt waren. Jeweils kurz vor der nächsten Kontrolle kaufte er sich die Medikamente und die Behandlungspause blieb eine zu lange Zeit lang unentdeckt.

Es gibt eine weitere Ursache, die ebenfalls in diesem Kranken-Kassen-System begründet ist. Die Apotheken sind gehalten, die preislich günstigsten Tabletten an den Mann zu bringen, wenn sie denn die selben Wirkstoffe wie die verordneten Medikamente haben. Hört sich gut an. Ist in der Praxis aber brandgefährlich.

Psychiater wissen, daß nicht immer das drin ist, was drauf steht auf den Packungen. Und bei dem Zeug, was man den psychisch kranken Menschen verschreibt, kommt es auf jedes einzelne Molekül an. Fehlt eins, wird die Wirkung ganz oder teilweise verfehlt. Also schluckt der Mandant eine weniger wirksame, placedoide Medizin.

Zusätzlich gibt es noch die Nebenwirkungen (massive Gewichtszunahme, dösiger Kopf …) und ein wenig Übermut kommt auch noch hinzu (mir geht’s doch gut, warum soll ich das Zeug noch schlucken?) und Marihuana ist vereinzelt auch in Griffweite.

Und schon beginnt die wilde Fahrt in den Wahnsinn.

Das ließe sich verhindern. Wenn man die Kontrollen enger steckt, auf die Zuzahlungen verzichtet und die Tabletten ausgibt, die ihm der Arzt verschrieben hat. Wenn man dann noch die Sozialarbeiter anständig bezahlen würde, müßte mein Mandant jetzt nicht darum bangen, daß er weitere 10 Jahren in die Klapsmühle gesteckt wird.

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Bild: Wolfgang Pfensig / pixelio.de

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Die Folgen der Kronzeugenregelung

Der Stern berichtet ausführlich, welche konkreten praktischen Folgen die Einrichtung der Kronzeugenregelung des § 46b StGB haben kann und hatte:

Ex-Rocker Steffen R., der „Imperator“ und der „Pate von Weißenfels“, nutzte die „Verräternorm“ für sich und leistete die von den Strafverfolgern so dringend gewünschte „Aufklärungshilfe“.

… der Kronzeuge Steffen R., ein einschlägig vorbestrafter Gewalttäter, der zwei Frauen in die Prostitution geprügelt und nun eine hohe Haftstrafe zu erwarten hatte. Gegen ein mildes Urteil und eine neue Identität aber, so hatte er der Polizei versprochen, würde er über die Hells Angels auspacken. Er sei einer ihrer Unterstützer und in ihre vielen Verbrechen bis hin zum Mord eingeweiht. Sein Kalkül ging auf.

Die Folgen dieser den Oberstaatsanwalt Alexander Ostrowski seltsam zufrieden stellenden vermeintlichen „Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten“ sind elend teuer für die Landkassen, katastrophal für die zu Unrecht Beschuldigten und tödlich für den

Inhaber der Auto-Werkstatt, der nach der Berichterstattung der Lokalpresse über den angeblichen Folterraum viele Kunden verloren hatte …

Das sind die Auswüchse eines irrwitzigen Verfolgungswahns einiger Hardliner und von auf Teufel komm raus betriebenen Ermittlungen ohne Maß und Ziel.

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Die Zitate stammen aus einem Artikel von Kuno Kruse, veröffentlicht im Stern am 23.05.2014

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