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Betäubungsmittelrecht
Aufstehen, Krönchen gerade rücken, weitermachen!
Ende November war’s soweit: “Habe fertig” und “Adieu” schrieb der Kollege Detlef Burhoff. Und hat damit wohl die gesamte Jura-Blogger-Szene in Aufregung versetzt.
Doch schnell wurde dem Leser klar, einen Intensivblogger wie „den Burhoff“ bekommt man nicht so schnell aus dem Netz.
Drei Tage war der Burhoff krank. Jetzt bloggt er wieder, Gott sei Dank!
Aber irgendwie hat er sich verändert. Kämpferischer scheint er geworden zu sein, der sonst so richtertypisch zurückhaltende OLG-Pensionär. Und erfreulich deutlich in seinen sonst so moderaten Tönen.
Unter einer provokanten Überschrift – Zum Sterben in die JVA – kritisiert Herr Burhoff mit knackigen Worten einen Beschluß des Landgericht Kleve und bestätigt damit ein Phänomen, das Strafverteidiger gemeinhin mit dem Denkspruch „U-Haft schafft Rechtskraft“ umschreiben.
Seine Frage, ob es menschenverachtend sei, jemanden, der kein halbes Jahr mehr zu leben hat, in den Knast zu stecken, beinhaltet gleich auch schon die Antwort; auch wenn Herr Burhoff danach doch noch einmal abwägt – „einerseits / andererseits“ – und Versöhnliches in dem Beschluß zu entdecken vorgibt; am Ende spricht der Blogger dann doch Klartext:
Fluchtgefahr und Wiederholungsgefahr wären auch erneut zu überprüfen, wenn der Beschuldigte durch objektiv überprüfbare Aufklärungshilfe die Verbindungen zu den Rauschgifthändlern unwiderruflich kappen würde. Wenn man das liest, erkennt man die m.E. wahren Gründe für die Fortdauer der U-Haft: Sie ist hier im Grunde nichts anderes als Beugehaft. Man hofft offenbar, so an die „brandgefährlichen“ Hintermänner zu kommen.
Beugehaft ist ein sehr höfliches Wort für das, was den Inhalt dieser Haftfortdauer ausmacht. Man könnte auch mal über den Begriff der Aussage-Erpressung nachdenken.
Unübersehbar, jedenfalls für den, der auf eindeutige historische Zusammenhänge sensibel reagiert, ist dann noch der Hinweis auf das Totschlagargument des Rechtsguts der „Volksgesundheit“, das offenbar gedankenlos zum Standard im Betäubungsmittelstrafrecht gemacht wurde. Bei dieser Formulierung sträuben sich nicht nur Herrn Burhoffs Nackenhaare.
In jedem Ende liegt ein neuer Anfang,
… stellte Miguel de Unamuno zutreffend fest. Bei Detlef Burhoff ist es ein kämpferischer Neuanfang. Wenn er so weiter macht, dauert es nicht mehr lange, dann richtet er seine neue Kanzlei in einer Kreuzberger Fabriketage ein. Ich würde mich über diesen Nachbarn sehr freuen.
Tupperparty beim Bundesgerichtshof
Wenn die Ermittlungsbehörden morgens früh in der Wohnung stehen, um nach Beweismitteln zu suchen, haben die Wohnungsinhaber in vielen Fällen wieder Platz in den Regalen.
Die Ermittler nehmen nämlich gern alles mit, was irgendwie danach aussehen könnte, daß es vielleicht unter Umständen irgendwann einmal nützlich sein könnte.
Und wenn dann das Verfahren nach langen Jahren rechtskräftig abgeschlossen ist, vergammelt das mitunter recht wertvolle Zeug in den Asservatenkammern. Eben weil es vergessen wurde. Von der Staatsanwaltschaft, vom Gericht und manchmal auch von den (ehemaligen) Besitzern.
In einem fränkischen Fall hat sich die Ehefrau noch recht gut daran erinnert, daß es da mal eine Tupperdose gegeben hat, die einen verhältnismäßig interessanten Inhalt hatte. Auf diesen Inhalt kam es ihr an. Der Justiz aber auch. Deswegen stritt man darum. Und über diesen Streit berichtet die Pressestelle des Bundesgerichtshofs in der Mitteilung Nr. 167/14 vom 14.11.2014:
Rückgabe von Beweismitteln nach Ende des Strafverfahrens
Der V. Zivilsenat [Hört! Hört! crh] des Bundesgerichtshofs hat sich heute mit der Frage befasst, an wen die Rückgabe von Beweismitteln zu erfolgen hat, die im Rahmen eines gegen einen Ehegatten gerichteten Strafverfahrens in der gemeinsamen Wohnung der Eheleute beschlagnahmt wurden.
Im Januar 2007 ließ die Staatsanwaltschaft im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den Ehemann der Klägerin wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz die Wohnung der Eheleute durchsuchen. Dabei wurden in der Küche – versteckt in einer Kunststoffdose – 42.300 € in bar gefunden. Das Geld wurde als Beweismittel sichergestellt, beschlagnahmt und auf ein Konto der Landesjustizkasse eingezahlt. Der Ehemann wurde zu einer Haftstrafe von dreizehn Jahren verurteilt. Dabei wurde der sogenannte Wertersatzverfall in Höhe von 30.500 € angeordnet. Die Staatsanwaltschaft erklärte hinsichtlich des sichergestellten Betrags die Aufrechnung mit den Verfahrenskosten des Strafverfahrens und dem Wertersatzverfall. Die Klägerin behauptet jedoch, nicht ihr Mann, sondern sie sei Eigentümerin des Geldes gewesen. Es habe sich um Arbeitslohn gehandelt, den sie in der Ehewohnung versteckt habe, weil sie aufgrund ihrer Lebensgeschichte kein Vertrauen zu Banken habe. Die Hälfte des Geldes hat die Klägerin zurückerhalten. Ihre Klage auf Zahlung der verbleibenden 21.150 € hat das Landgericht abgewiesen; die Berufung zum Oberlandesgericht war erfolglos. Das Oberlandesgericht hat nicht feststellen können, ob das Geld dem Ehemann oder der Ehefrau gehörte, war aber der Meinung, der Zahlungsanspruch gegen die Staatskasse könne aufgeteilt werden und die Klägerin habe den ihr zustehenden hälftigen Anteil bereits erhalten.
Der Bundesgerichtshof hat das Urteil auf die Revision der Klägerin hin aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Dabei hat er sich von den folgenden Erwägungen leiten lassen:
Die Beschlagnahme endete mit Abschluss des Strafverfahrens. Das Geld muss zurückgegeben bzw. Wertersatz geleistet werden, weil es (nur) als mögliches Beweismittel beschlagnahmt wurde; weder ist in dem Strafurteil der Verfall angeordnet worden – was den Nachweis vorausgesetzt hätte, dass das Geld aus den Straftaten herrührte – noch ist eine Pfändung des Geldes aufgrund eines dinglichen Arrests nach der Strafprozessordnung erfolgt. Die Rückgabe nach dem Ende einer förmlichen Beschlagnahme zu Beweiszwecken stellt eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden dar. Nach dem Restitutionsgedanken muss der Zustand wiederhergestellt werden, der vor der Beschlagnahme bestand; daher muss der Gegenstand grundsätzlich an den letzten Gewahrsamsinhaber zurückgegeben werden. Zwar wird bei der gegen einen Ehegatten gerichteten Zwangsvollstreckung gemäß § 1362 BGB* zugunsten der Gläubiger vermutet, dass die im Besitz eines Ehegatten oder beider Ehegatten befindlichen beweglichen Sachen dem Schuldner gehören. Diese Bestimmung bezieht sich aber nicht auf eine strafprozessuale Beschlagnahme zu Beweiszwecken, weil es insoweit unerheblich ist, in wessen Eigentum das Beweismittel steht. Im Grundsatz ist es nicht die Aufgabe des Strafverfahrens, die Eigentums- und Besitzverhältnisse an Sachen, die für die Zwecke des Verfahrens vorübergehend in amtlichen Gewahrsam gebracht worden sind, unter den Beteiligten zu regeln. Danach wäre den Eheleuten der Mitgewahrsam – der im Zeitpunkt der Beschlagnahme bestand – wieder einzuräumen, wenn die Geldscheine noch vorhanden wären. Da das beschlagnahmte Bargeld auf ein Konto eingezahlt worden ist, haben sie nunmehr einen entsprechenden Zahlungsanspruch.
Weil der im Zeitpunkt der Beschlagnahme bestehende Zustand wiederherzustellen ist, kann der Schuldner nicht nach seinem Belieben an einen der Gläubiger leisten oder die Leistung aufteilen. Vielmehr kann auch die Zahlung nur an die Eheleute gemeinsam erfolgen. Die Aufteilung im Innenverhältnis ist allein deren Sache. Infolgedessen ist die Aufrechnung der Staatsanwaltschaft mit den nur von dem Ehemann geschuldeten Verfahrenskosten des Strafverfahrens und dem Wertersatzverfall erfolglos, weil es an der erforderlichen Gegenseitigkeit der Ansprüche fehlt.
Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden, weil die Klägerin bislang Zahlung an sich verlangt hat. Sie muss daher noch Gelegenheit erhalten, entweder Zahlung an sich und ihren Ehemann zu beantragen oder eine Erklärung ihres Ehemannes beizubringen, wonach dieser keine Ansprüche an dem Geld erhebt.
Eine schönes Urteil des 5. Zivilsenats (V ZR 90/13), das für die Verteidigung nach rechtskräftigem Abschluß vieler Strafverfahrens von nicht unerheblicher Bedeutung sein kann. In der Regel tatsächlich erst nach Rechtskraft; nicht, daß die Staatsanwaltschaft dann doch noch auf die Idee kommt, in ihrem Schlußvortrag die Anordnung des Verfalls zu beantragen. Diese recht komplizierten Maßnahmen mit ihrem intensiven Geruch nach Zivilrecht werden nämlich gern auch mal schlicht vergessen; aber hoffentlich nicht vom Verteidiger.
Eine Alternative zu Silk Road und Görli
Das Schweizer Newsportal watson beschreibt, wie Drogenkonsumenten ihren Bedarf decken können, ohne sich den Gefahren im Görlitzer Park aussetzen oder in die tiefen des Darknet’s eintauchen zu müssen.
So genannte „Freche Drogenhändler“ aus der Schweiz bieten dem Bericht zufolge «sauberes Crystal Meth» und «reinstes kolumbianisches» Kokain auf einer frei zugänglichen Website an.
Produkte aus der Oase hatten schon immer einen guten Ruf, wie die drei gut gekleideten Kiffer, die ihren Namen lieber nicht im Weblog eines Strafverteidigers lesen möchten, bestätigten.
Enteignet Springer!
Da bekommt eine uralte Forderung im Lichte der § 33 BtMG, §§ 73 ff StGB eine ganz aktuelle Bedeutung.
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Ok, der ist jetzt nur für Fortgeschrittene.
Keine kriminellen Kiffer in Bernau
Der mittlerweile bundesweit bekannte Jugend-Richter am Amtsgericht Bernau, Andreas Müller, ist schon eine Marke für sich. Die Verteidigung in „seinen“ Verfahren ist so manches Mal eine echte Herausforderung, wenn der Strafverteidiger das, was man im Strafprozeßrecht und der StPO so nachlesen kann, ernst nehmen möchte. RiAG Müller arbeitet doch sehr ergebnisorientiert, um es mal höflich auszudrücken.
Aber Andreas Müller hat dann doch sehr oft das richtige Händchen, so daß man es ihm in vielen Fällen nachsehen kann. Nun äußert er sich in der Zeit über den Unsinn der Cannabis-Prohibition.
Der 53 Jahr alte Richter hat in den 20 Jahren, in denen er als Jugendrichter unterwegs ist, in mehr als 12.000 Verfahren nicht einen einzigen Fall gehabt, in dem Cannabis-Konsum zu schweren Straftaten wie Körperverletzung oder Vergewaltigungen geführt habe. Es sei fast immer „nur“ der Alkohol. Der kleine Kiffer taucht in dieser Spalte der Kriminalstatistik nicht auf.
Deswegen hält der Jugendrichter die Kiffer auch nicht für Kriminelle, sondern für Menschen, die ein Rauschmittel nutzen, das überall in der Welt seit Jahrhunderten konsumiert wird.
Kriminelle sind Menschen, die andere zusammenschlagen, die im Suff ihre Frauen und Kinder misshandeln oder die Millionen an Steuern hinterziehen.
Das seien Cannabis-Konsumenten nicht, „urteilt“ der Richter.
Andreas Müller kritisiert die enorme Justiz-Ressourcen-Verschwendung, die durch die jährlich mehr als 150.000 Cannabis-Nutzer-Verfolgungs-Verfahren geführt werden. Ein Großteil dieser Verfahren werden eingeleitet und dann wieder eingestellt. Sie binden Energie, Personal und Geld. Und vernichten Existenzen wegen ein paar Gramm Mariuhana, wenn der Kiffer das Pech hat, mehrmals hintereinander beim Knüseln erwischt zu werden.
Drogenpolitik ohne Sinn und Verstand, so bezeichnet der Richter zutreffend das, was derzeit noch (!) betrieben wird. Er erkennt – und dafür braucht man keinen Hauptschulabschluß, daß Cannabis konsumiert wird, egal ob es kriminalisiert und verboten wird oder nicht.
Die schlimmste Nebenwirkung dieser Cannabis-Prohibition sei die Kriminalisierung. Dadurch werden Hunderttausende oder Millionen Kriminelle „produziert“, die keine solchen sind. Sie sind nicht gefährlich und trotzdem stigmatisiert man sie. Daß dies falsch ist, liegt auf der Hand.
Das Cannabis-Verbot schränke weder die Verbreitung ein, noch schütze es die Gesundheit der Menschen und Haschisch sei auch keine Einstiegsdroge.
Müller lobt die Resolution deutscher Strafrechtsprofessorinnen und –professoren, weil gerade Strafrechtsprofessoren die Autorität haben, ideologische Barrieren zu überwinden. Einem Kiffer mit Rastalocken oder einem kleinen Kreuzberger Strafverteidiger hört niemand zu.
Die aktuelle Diskussion in Deutschland, an deren Ende die Legalisierung der Cannabis-Produkte stehen wird – davon bin nicht nur ich überzeugt, hat durch die Freigabe von Marihuana in Colorado ernsthaften Schwung bekommen. Es ist ja nicht alles schlecht, was aus den USA zu uns rüberschwappt.
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„Kiffer sind keine Kriminellen!“ Ein Interview mit RiAG Andreas Müller von Rainer Schmidt in der Zeit vom 8. Oktober 2014
Bild unten: nikinix / pixelio.de
Rache als gerechter Schuldausgleich?
Für einen Aufreger sorgt ausnahmsweise mal das meist freundliche Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Es geht um die Cannabis-Prohibition, die so ganz langsam vor sich hin bröckelt.
Jörn Patzak, seines Zeichens Oberstaatsanwalt und qualifizierter Spezialist für Betäubungsmittelrecht, berichtet hier über den Beschluß vom 6.3.2014 (1 RVs 10/14 = NStZ-RR 2014, 214) des OLG Hamm.
Mit diesem Beschluß hebt das Revisionsgericht das Urteil eines Amtsgerichts auf, das einen Cannabis-Konsumenten wegen Besitz‘ von 19,31 Gramm Haschisch für 7 Monate in den Knast schicken wollte. Der so Verurteilte sei betäubungsmittelabhängig und mehrfach wegen Besitzes von Betäubungsmitteln vorbestraft. Aber mehr nicht. Also: Keiner von der Sorte, die alten Menschen die Handtaschen rauben, sondern einer der friedlichen Kiffer, die sich gern mal einen knüseln, um entspannt das Elend der Welt ertragen zu können.
Die Oberrichter meinten, der Bogen sei überspannt. 7 Monate für ein bisschen Rauchkraut sei ein bisschen zu heftig. Das Gericht erkannte, daß es sich um so genannte Bagatellkriminalistät handelt, die man nicht wie einen Handtaschenraub zu Lasten eines Rentners bewerten könne. Aber dann kommt da noch so ein Satz, der mir quer den Hals runter geht: Es sei zu …
… prüfen, ob zur Einwirkung auf den Täter sowie zur Herbeiführung eines gerechten Schuldausgleichs tatsächlich auch hinsichtlich deren Höhe die Verhängung einer möglicherweise auch deutlich über das Mindestmaß hinausgehenden Freiheitsstrafe tatsächlich rechtlich geboten erscheint.
Einwirkung auf den Täter und Herbeiführung eines gerechten Schuldausgleichs, das möchte ich mir hier mal auf der Zunge zergehen lassen.
Warum muß auf den „Täter“ eingewirkt werden? Weil er gegen ein Verbot verstößt, das 122 Strafrechtsprofessoren, ein ehemaliger Richter am Bundesverfassungsreicht, die Neue Richtervereinigung (Zusammenschluss von Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten) und Vereinigung Hessischer Strafverteidiger für ungeeignet, nicht erforderlich und normativ unangemessen halten? Die die strafrechtliche Drogenprohibition als gescheitert, sozialschädlich und unökonomisch disqualifizieren. Wer sich in letzter Konsequenz dieser – zutreffenden – Ansicht anschließt, wird zum „Täter„?!
Der Kollege Heinrich Schmitz fragt im The European am 10.05.2014:
Das Verbot von Mord und Totschlag soll das Rechtsgut Leben schützen, das Verbot von Körperverletzungsdelikten dient dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Gesundheit, bei Diebstahl ist es der Schutz des Besitzes usw. Aber welches Rechtsgut ist geschützt, wenn man den Kiffern ihren Joint verbietet?
Glauben diejenigen, die einen verträumten Haschischkopf in den Knast schicken wollen, daß das der – als Argument vorgeschobenen – Volksgesundheit dienlich ist?
Darum scheint es aber auch den Richtern in Hamm nicht zu gehen. Welcher tatsächliche Gedanke hinter der Verhängung einer Freiheitsstrafe für den Besitzes von ein bisschen veganem Genußmittel steht, erblickt man in der Floskel Herbeiführung eines gerechten Schuldausgleichs. Und das ist nichts anderes als die blanke Rache. Rache für den Besitz von Betäubungsmittel, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein.
Die vermeintlich höflichen Richter verkaufen in wohlklingenden Worten ein archaisches Gewaltmittel. Worin besteht die Schuld? Was ist gerecht daran, jemanden in den Knast zu schicken, der sich bei der einen oder anderen Tüte entspannen möchte? Glaubt hier wirklich jemand, daß der Verurteilte als besserer Mensch wieder aus dem Gefängnis herauskommt? Es nichts anders als ein schieres „Das-wollen-wir-doch-mal-sehen!“. Als wenn die Evolution in den vergangenen 500 Jahren eine Pause gemacht hätte.
Für mein Empfinden ist es – zumindest seit 2 oder 3 Jahrzehnten – nicht mehr akzeptabel, unter Androhung von Freiheitsstrafen bestimmen zu wollen, daß Grenzen der persönlichen Freiheit (Art. 2 GG) überschritten werden, wenn sich jemand statt eines Partyfäßchens mit 30 Liter Krombacher Pils lieber ein 30-Gramm-Päckchen Marihuana in die Speisekammer legt.
Verkokste Wochenendurlaubsdurchsuchung
Der Anrufer am Donnerstagvormittag wollte „mal eben nur“ einen kurzen Rat. Er hatte von der Polizei eine Ladung zu einer Anhörung bekommen. Ihm wurde Gelegenheit gegeben, Stellung zu nehmen; die Ermittlungsbehörden warfen ihm nämlich vor, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen zu haben; es ging um den Erwerb von Kokain.
Das gegen den Anrufer geführte Ermittlungsverfahren ist mir aus anderen Zusammenhängen bekannt. Man hat gegen einen größeren Kokainhändler ermittelt und dabei auch seine Kommunikation überwacht. In diesem Rahmen hat die Polizei auch die Anrufer erfasst, die sich bei dem Dealer mit der einen oder anderen kleinen Konsumeinheit versorgt haben.
Nun klappert die Polizei die registrierten Rufnummern ab und verschickt solche Ladungen zur Beschuldigten-Vernehmung, wie sie der oben genannte Anrufer auch erhalten hat. Mein Anrufer stellte nun die Frage, wie er auf diese Ladung reagieren solle. Nach meinem üblichen Hinweis, dass ich bei der Beantwortung dieser Frage aus nahe liegenden Gründen befangen sei, habe ich ihm geraten, einen Verteidiger zu beauftragen. Der Verteidiger wird sich bei der Polizei melden, die Vernehmung absagen und Akteneinsicht beantragen.
Auf diesem Weg wird verhindert, dass der Beschuldigte sich bei der Polizei um Kopf und Kragen redet, weil die Polizei Sicherheit einen großen Informationsvorsprung hat und diesen selbstverständlich auch nutzt.
Sinnvoll ist die Einschaltung eines Verteidigers aber auch, weil den Ermittlungsbehörden damit gezeigt wird, dass der Beschuldigte nun anwaltlich vertreten und vor allem professionell beraten wird. Es ist dann eher damit zu rechnen, dass eventuell weitere Ermittlungsmaßnahmen nicht mehr „Erfolg“ versprechend sein werden. Denn zur Beratung in solchen Konstellationen gehört unbedingt der Hinweis, dass auch eine spontane Wohnungsdurchsuchung nicht auszuschließen ist. Exakt mit einer solchen „Warnung“ durch den Verteidiger rechnen kompetente Ermittler.
Der Anrufer war damit einverstanden, den von mir vorgeschlagenen Weg zu gehen. Allerdings war er nicht bereit, das von mir dafür aufgerufene Honorar tragen. Ihm war es wichtiger, seine ihm zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel in einen ausgedehnten Wochenendurlaub zu investieren.
Wir haben uns freundlich verabschiedet und ich habe ihm ein schönes Wochenende gewünscht, allerdings nicht ohne ihn darauf hinzuweisen, dass unsere Kanzlei rund um die Uhr und an sieben Tagen der Woche erreichbar ist: Für den Notfall, wie zum Beispiel bei einer Wohnungsdurchsuchung morgens früh um 5:00 Uhr. ;-)
Nur nebenbei erwähnt sei, dass die im Zusammenhang mit der oben geschilderten Telefonüberwachung gewonnenen Informationen sehr wahrscheinlich einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. Das wissen meine Mandanten, die mich mit Verteidigung gegen den Vorwurf des Erwerbs von geringen Mengen Betäubungsmitteln beauftragt haben. Aufmerksame Leser unserer Website wissen das nun auch, es sei denn sie machen Wochenendurlaub.
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Bild: Rudolpho Duba / pixelio.de
Bekifftes Arbeitsamt
Eine ganz tolle Idee des Arbeitslosenamts: Die Kunden des Jobcenters werden demnächst darauf hingewiesen, unbedingt mit voller Blase beim Amt vorstellig zu werden. Damit sie in ein Röhrchen pinkeln können. Mit diesen – bereits in den Knästen des offenen Vollzugs erfolgreich praktizierten – Urinkontrollen (UK) gehen die Arbeitsamtsbeamten dann auf die Suche nach Spuren von Amphetamin, Cannabis, Kokain, Ecstasy und Antidepressiva.
88.000 Stück von diesen Harnteststreifen hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) bereits angeschafft. Arbeitslose und Hartz IV-Empfänger werden damit auf Betäubungsmittel-Missbrauch [Ja: Missbrauch steht da wirklich in der Pressemeldung!] untersucht. Der ärztliche Dienst der Arbeitsagenturen soll prüfen, ob Arbeitslose für bestimmte Tätigkeiten wie beispielsweise Lkw-Fahrer geeignet sind.
Das geht natürlich nicht auf Anordnung, sondern die Leistungsempfänger müssen zustimmen. Verweigern sie die Zustimmung, werden ihnen allerdings die Bezüge gekürzt. Sie haben also die freie Wahl.
Aus zuverlässiger Quelle ist unserer Kanzlei bereits das Formular zugespielt worden, daß die Hartzies ausfüllen und unterschreiben müssen, wenn sie weiterhin die Stütze bekommen möchten:
Was kostet so ein Teststreifen? Ich schätze mal so um die 10 Euro. Das wären dann 880.000 Euro, die da mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch den Schornstein spätestens des Bundesverfassungsgerichts gejagt werden. Dafür könnte man den Lohn eines LKW-Fahrers 30 Jahre lang finanzieren.
Die Frage muß gestattet sein: Was hat der Bundesarbeitsagent da bloß geraucht, als er auf diese Shitidee gekommen ist?
Danke an Tobias Glienke für den Hinweis.
Die Seidenstraße neu entdeckt
Nun hat es auch die bürgerliche Presse herausgefunden: Es gibt Betäubungsmittel nicht nur beim Dealer im Görlitzer Park und in der Hasenheide zu kaufen. Wer zu faul oder zu beschäftigt ist, auf die Straße zu gehen oder durch Parks zu schlendern, kann es sich nach neuesten Erkenntnissen der FAZ vom 30.08.2014 auch im Onlinehandel besorgen.
Dabei gibt es den Hidden Service im Tor-Netzwerk bereits seit 2011. Und nur wenige (zwei) Jahre später hat auch schon die Kavallerie der Justiz massiv zugeschlagen; vom australischen Melbourne bis nach Deggendorf in Niederbayern wurden Nutzer der amerikanischen Internetseite Silk Road, das „Paradies für Drogenfans“ (Süddeutsche), gepflückt und eingetütet. Das Portal wurde erst einmal dicht gemacht und die Online-Besteller mußten vorübergehend wieder in den Görli.
Aber wie das so ist, im wirklichen Leben und im Netz: Eine gute Idee – oder das, was für eine gute Idee gehalten wird – setzt sich durch. Die Kombination zwischen The Onion Router (TOR) und der Onlinewährung Bitcoins (BTC) erschien genial für den anonymen Handel. Silk Road 2.0 ging an den Start.
Nichts ist aber perfekt:
Die Sollbruchstelle liegt beim Versand. Denn irgendwie muß die Ware doch zum Kunden kommen. Und wer die Qualität mancher Paketdienste kennt, wird ziemlich genau vorhersagen können, wo die Strafverfolger immer wieder gern ansetzen werden.
Dennoch: Es gibt sie immer noch (oder schon wieder?): Die Futurezone berichtete erst im November vergangenen Jahres: The Silk Road ist wieder online. Und wenn jetzt schon die altehrwürdige FAZ darüber berichtet, werden in Kürze auch wieder die Deggendorfer Staatsanwälte im Deep Web unterwegs sein.
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S/W-Bild: Bundesarchiv Bild 102-07741, Berlin, „Koks Emil“ der Kokain-Verkäufer
Bild Transporter: Markus Götz / pixelio.de
THC: Ende der Rotlichtphase gefordert
Ein Verlosung von Rotwein, bayerisches Bier im Gericht, Cannabis am Brandenburger Tor und „einschlägig geschmückte“ grün-weiße Gruppenkraftwagen. Das sind die Themen dieses samstäglichen Blogbeitrags.
Ich werde den Gedanken nicht los: Wenn diese Jungs hier links seinerzeit statt sich mit Wein zu betrinken einen Joint herumgereicht hätten, müßten sich heute die Oktober- und Winzerfestbesucher vor gnadenloser Strafverfolgung fürchten und zu Silvester würde man mit Bongs und Wasserpfeifen anstoßen.
Vor einigen Jahren hatte ich eine Strafverteidigung in einer niedlichen bayerischen Kleinstadt. Ich war am Vorabend der Verhandlung angereist und übernachtete in einem „typischen“ bayerischen Gasthof. Am Stammtisch saß eine heitere Gesellschaft lokaler Honoratioren, die ihr Abendbrot in der landestypischen flüssigen Form zu sich nahmen.
Am nächsten Morgen trug einer jener rotgesichtigen Biertrinker eine schwarze Robe und saß über meinen Mandanten, bei dem man 12 Gramm Marihuana gefunden hatte, mit gar nicht heiteren Worten zu Gericht. Dem Richter war das nicht peinlich.
Nun gibt es seit 17 Jahren bereits eine jährliche Veranstaltung in Berlin (nicht in Bayern). Die Teilnehmer setzen sich dafür ein, daß nicht nur eingemaischter, vergorener Trauben- und Gerstensaft ohne Strafverfolgungsgefahr konsumiert werden kann. Die Hanfparade will …
… all jenen ein Forum bieten, die das Hanfverbot als historischen Fehler erkannt haben. Wir wollen Realität werden lassen, was schon im vergangenen Jahrhundert auf unseren Fahnen stand. Wir wollen mit Hanf in die Zukunft.
Das Motto der diesjährigen Veranstaltung am heutigen Samstag lautet:
„Grünes Licht für die Legalisierung!“
Die Hanfparade startet um 13 Uhr am Hauptbahnhof und endet ab ca. 17 Uhr bis 22 Uhr am – na klar – Brandenburger Tor.
Es werden mehr als 10.000 Kiffer erwartet. Und damit die nicht alle laufen müssen, gibt es reichlich Paradewagen.
Sie unterstützen die bunte Menge bei ihrem Umzug, ziehen viele interessierte Blicke auf sich, denn sie sind einschlägig geschmückt und tragen unser Anliegen deutlich nach außen – Paradewagen sind auf einer Demo nicht wegzudenken und machen sie erst so richtig aussagekräftig.
Achtung: Verlosung
Gern veröffentliche ich in der kommende Woche hier Fotos von den schönsten Hanfparadewagen: Also immer her mit den Pics. Unter den Einsendern verlosen(*) wir eine Tüte Gras Flasche Wein.
(*): Die Auslosung findet unter strenger anwaltlicher Aufsicht statt. ;-)