Gericht

Keine Auslandszustellung auf dem Ponyhof

Es gibt Zeugen, der nicht in unmittelbarer Nachbarschaft des Gerichts wohnen. Auch solche Zeugen müssen förmlich geladen werden, z.B. weil die Verteidigung einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat und ohne den Zeugen nicht auszukommen ist.

Die Zustellung einer Ladung kann aber nicht durch eine deutsche Behörde erfolgen, sondern wird in der Regel auf dem Wege der Amtshilfe erledigt. Das bedeutet, die deutsche Behörde bzw. das deutsche Gericht beantragt (sic!) bei der ausländischen Behörde die entsprechende Zustellung.

Wie das im Einzelnen funktioniert, ist in den meisten Fällen den Gerichten nicht bekannt; sie fragen daher beim Bundesamt für Justiz – Referat Auslieferung, vollstreckungs- und Rechtshilfe, Europäisches Justizielles Netz in Strafsachen – nach.

Nachfolgend ein Auszug aus einer Antwort des Bundesamtes, die über das Landesjustizministerium an das Amtsgericht übermittelt wurde:

Könnten Sie das AG unterrichten, dass die zustellungsdauer in Indien zwar nicht genau beziffert werden kann, aber mindestens mit mehreren Monaten (weit über 6) bis Jahren zu rechnen ist?

Der Rechtshilfeverkehr mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ist im Moment so gut wie zum Erliegen kommen. Alle übersandten Zustellungsersuchen aus dem Jahr 2011 wurden zwar zeitnah zurückgesandt, aber angeblich aufgrund ungenauer Adressangabe nicht erledigt.

Sollte das AG ein Ersuchen ins Auge fassen, so ist zu beachten, dass bei einem Ersuchen um Zustellung von Schriftstücken die volle Anschrift (Angabe des Wohnsitzes/des Wohnortes des Zustelladressaten sowie dessen Telefonnummer [der Arbeitstelle und MobiltelefonnummerJ angegeben werden muss, die Postfachnummer allein reicht nicht.

„Schnelle“ Erfolgsaussichten für eine Zustellung sind somit in beiden Ländern nicht gegeben.

Soweit der Standardtextbaustein. Es gibt weitere Erläuterungen der deutschen Botschaft in Abu Dhabi:

In den vereinigten Arabischen Emiraten gibt es kein postleitzahlensystem und nur eingeschränkt Straßennamen und Hausnummern. Für eine erfolgreiche zustellung ist daher eine möglichst genaue Beschreibung der Empfängeradresse, inkl. stadtteil, Gebäudenamen, stockwerk, Appartment Nr. und ggf. nahe gelegenem Orientierungspunkt (z.B. Bank. Supermarkt, Moschee etc.) erforderlich.

Zustellungen an P.O. Boxen (postfächer) sind nicht möglich. Eine Telefonnummer des Empfängers kann die Arbeit des Gerichtszustellers erleichtern.

Besser kann man es nicht beschreiben. Es wir zwar hier für die zukunft angedacht, ein postalisches system mit Adressen einzuführen, aber das ist noch nicht spruchreif, ob es überhaupt umsetzbar sein wird. Entsprechende Studien werden derzeit durchgeführt. Festzuhalten bleibt, dass man hier nur durch physische zusätzliche Beschreibung des zustellungsortes etwas erreichen kann.

Zustellungen im Ausland – insbesondere außerhalb Europas – sind etwas für Erwachsene. Mit allen Vor- und Nachteilen für alle Prozeßbeteiligte. Sie stellt an das Strafgericht erhebliche Anforderungen. Als Verteidiger muß man die Probleme sehen und im Einzelfall entscheiden, ob mit Beweisanträgen, die den Auslandszeugen zum „Gegenstand“ der Beweisaufnahme machen wollen, der Ponyhof verlassen werden soll … oder besser doch nicht.

In dem Fall, aus dem ich diese Zitate entnommen habe, konnte der Vortrag der Verteidigung nicht widerlegt werden. Hier führte der Antrag aus Sicht des Angeklagten zum Erfolg.

Nebenbei:
Die selben Anforderungen gelten auch für die Zustellung einer Ladung des Angeklagten. Aber das ist ein (höchst spannendes) Thema, auf das ich noch an anderer Stelle zu sprechen kommen werde.

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Gisela Friedrichsen kritisiert Verteidiger

In einem Zwischenruf auf der Legal Tribune Online kommentierte Gisela Friedrichsen bereits am 12.05.2010 die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, insbesondere die des 1. Senats, der u.a. für die erstinstanzlichen Urteile der bayerischen Landgerichte zuständig ist.

Die Gerichtsreporterin berichtete über einen Fall, der ganz gut in die derzeit aktuelle Stimmung paßt, die das – ebenfalls in Bayern „spielende“ – Verfahren gegen Herrn Mollath erzeugt hat. Zutreffend stellte Frau Friedrichsen fest, daß es nicht allein die Richter in Bayern und am Bundesgerichtshof in Karlsruhe sind, die für diese nun schon länger andauernde Entwicklung verantwortlich zu machen sind. Sie nahm auch die Verteidiger in die Verantwortung:

Mir fällt auch auf, wie ungeniert Richter mittlerweile der Verteidigung Fristen setzen zur Stellung von Beweisanträgen, wie sie Druck ausüben. War das nicht einmal anders? Ertönt nur das Wort „Verschleppungsabsicht“, das auch von den Medien mit Wonne aufgenommen wird – so mancher Verteidiger knickt eingeschüchtert ein. Warum wird nicht rebelliert? Was ist mit den Standesorganisationen? Hat, wer aufmuckt, schon von vornherein verloren?

Verteidiger fühlen sich diszipliniert und an die Leine gelegt. Sie erleben immer öfter, wie offensichtliche Rechtsfehler mit einem Einzeiler und dem unseligen „o.u.“ – offensichtlich unbegründet – erledigt werden, wenn sich der Senat nur einig ist. Sie erleben, wie Angeklagte in abstruse Absprachen hineingezwungen werden, zu denen es keine Alternative mehr gibt, weil die Hoffnung auf eine Revision des Urteils weggeschmolzen ist wie Schnee von gestern. Soll das die Zukunft sein?

Vielleicht ist es an der Zeit, einfach mal „Nein!“ zu sagen. Denn seit Mai 2010 hat es – eben auch wie der Fall Mollath beispielhaft illustriert – keine Richtungsänderung in dieser vor zweieinhalb Jahren bereits skizzierten Entwicklung gegeben. Diese schmutzigen Deals, von denen Frau Friedrichsen schrieb, sind nicht weniger geworden.

Wir hatten hier einen Fall, in dem unserem Mandanten gegen ein Geständnis 4 Jahre angeboten wurden. Nachdem er dieses Angebot nicht angenommen hatte und sich im weiteren Verlauf der Beweisaufnahme der Großteil der Tatvorwürfe als unhaltbar herausstellte, wurde er zu 5 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Durch geschicktes Taktieren der Staatsanwaltschaft in einem parallel laufenden Haftbeschwerdeverfahren wurde der Mandant veranlaßt, seine Revision zurück zu nehmen.

Nicht in Bayern, hier in Berlin. Das kann nicht gutgehen!

Bild: Petra Bork / pixelio.de

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Aktenwagenfetischisten

Erschreckend: Sodom und Gomorra und im Kriminalgericht!

Das ist so ein Wagen, auf dem Akten durch lange Gerichtsflure geschoben werden. Die Frage ist, warum das Ding gegen die Wegnahme mit einem Schloß gesichert werden muß.

1.
Kein Mensch, der in der heutigen Zeit angekommen ist, braucht so einen Aktenwagen.

2.
Es gibt aber trotzdem Leute, die alles gebrauchen können. Besucher des Gerichts; Zuschauer, Zeugen, Angeklagte … Die kommen aber mit so einer Karre nicht durch die Sicherheitsschleusen, ohne daß sie bei dem Versuch der Aktenwagenentführung einen Großalarm auslösen würden.

Zwischenergebnis:
Weder Menschen, noch Leute stellen eine Gefahr für dieses Transportmittel dar.

3.
Es bleiben noch die Justizbediensteten: Richter, Staatsanwälte, Wachtmeister, Rechtspfleger …

Schlußfolgerung:
Das Schloß dokumentiert, es laufen im Kriminalgericht kriminelle Elemente frei herum, von denen die Gefahr ausgeht, daß sie Aktenwagen klauen und sie heimlich in ihrem eigenen Kabuff verstecken, und daß dies weder Menschen, noch Leute sind.

Nachwort:
Ach ja, es gibt eine weitere Gruppe von Herumtreibern im Kriminalgericht: Psychiatrische Sachverständige … wer auch immer sie braucht.

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Sprechzeiten des Gerichts

Ein Anruf am Freitag:

Die Anruferin teilt also mit, daß sie nicht mehr angerufen werden kann.

Sinn für Humor haben sie ja, die Beschäftigten in der Justiz.

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Moabiter Mühlen

Hier liegt noch seit ein paar Jahren eine ältere Geschichte in der Warteschleife. Es geht um ein Problem mit den Stempeln auf der Kennzeichentafel eines Motorrades. Ich hatte zu einer Zeit, in der ich sehr aktiv die Interessen des Mandanten vertreten hatte, ein paar Anträge gestellt. Aus Gründen … habe ich die Sache nicht weiter verfolgt. Nun meldet sich aber das Gericht mit der Mitteilung, daß in Moabit nichts vergessen wird:

Mein Antrag vom 19.01.2010 wurde dann doch noch beschieden, wenn auch mit auslegungsbedürftigem Inhalt. Ich glaube, daß ich einfach mal eine Beschwerde gegen diesen Beschluß einlegen sollte, nur um zu schauen, was – oder besser: ob – bis zum Termin im Januar des nächsten Jahres noch irgendwas passiert.

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Türen-Evolution in Neubrandenburg

Also, die Zellentüren des Gefängnisses des Großherzoglichen Amtsgerichts zu Neubrandenburg aus dem Jahre 1879 sehen um Klassen besser aus, als diese profane Stahltür des aktuellen Amtsgerichts.

Ich bin gespannt, wie die Türen dieses Gerichts in 150 Jahren aussehen werden.

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Mizaru, Kikazaru und Iwazaru statt Richter

Zeugen müssen vor ihrer gerichtlichen Vernehmung belehrt – „zur Wahrheit ermahnt“ – werden, so will es § 57 StPO. In der Regel erfolgt diese Belehrung durch den Vorsitzenden Richter, sobald die Zeugen nach Aufruf der Sache im Saal erschienen sind.

Beim Amtsgericht Tiergarten mit seiner Filiale in der Kirchstraße hat man die Richter von dieser Aufgabe entlastet. Die Zeugen werden bereits im Wartebereich vor dem Gerichtssaal belehrt.

Und weil Berlin eine multikulturelle Stadt ist, in der viele verschiedene Sprachen gesprochen werden, hat die Verwaltung schlicht ein Bild aufgehängt, das die Zeugen auf das Wesentliche hinweist:

Es ist erfreulich, wenn die Moabiter Justiz sich nun auf bewährte buddhistische Grundsätze besinnt:

Nichts Böses sehen, nichts Böses hören, nichts Böses sagen.

Dann gibt es auch keine bösen Urteile mehr.

Künstlerin: Anni Schroeder / Fotos: Herr Dr. Jocko

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Der 5. Strafsenat des BGH in Berlin

Nachdem die Querelen um die Besetzung des 2. Senats beim Bundesgerichtshof noch immer nicht beigelegt werden konnten, sprach der Bundesminister für Justiz kürzlich ein Machtwort: Der 5. Senat zieht um nach Berlin.

Ich begrüße die Entscheidung, einen handlungsfähigen Senat in Berlin zu installieren, und lade die Richter auf eine Tasse Caffè nach Kreuzberg ein.

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Schwere Verantwortung

Bei Verurteilungen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wiegt in Anbetracht der außerordentlichen Gefährdung, die derartige Taten für das Leben und die Gesundheit Dritter mit sich bringen, die Verantwortung, die die Vollstreckungsgerichte mit einer vorzeitigen Haftentlassung des Täters auf sich nehmen, besonders schwer.

Kammergericht, Beschluß vom 01.03.2012, 4 Ws 22/12

Mit anderen Worten: Drogenhändler sollten besser nicht mit einer vorzeitigen Haftentlassung nach § 57 StGB (Zweidrittel- oder Halbstrafe) rechnen.

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Untersagung einer Verstopfung

Fundstück in einer Toilette des Landgerichts Hamburg.

Verstopfung

Ich hoffe nicht, daß das ein Vorsitzender Richter irgendeiner Strafkammer gewesen ist, der diese Untersagungsverfügung formuliert hat.

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