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Jahresarchive: 2015
Dukatenvermehrungskarussell
Eine geniale Idee, die der Umsatzsteuergesetzgeber da hatte, sich mit dem Betrieb eines Karussell die Taschen vollzustopfen.
Eigentlich sind es ja keine Rundfahrten, richtiger wäre die Bezeichnung „Umsatzsteuerketten“. Egal, jedenfalls kann sich der Fiskus dumm und dusselig „verdienen“, wenn man ihn läßt. Und das funktioniert ganz einfach so:
Es gibt einen Unternehmer. Nennen wir ihn Wilhelm Brause. Er bekommt von Gottfried Gluffke eine Rechnung für eine Maschine, die aber gar nicht an Brause geliefert wird. Es ist eine Scheinrechnung, aber das weiß jetzt noch niemand.
I. Steuerrechtlich sieht das so aus:
1. Ausgaben für den Einkauf:
-
100 Euro – Rechnungsbetrag Netto
019 Euro – Umsatzssteuer
119 Euro – Rechnungsbetrag Brutto
Weil er diese „Maschine“ für seinen Betrieb gekauft hat, kann Wilhelm Brause die Umsatzsteuer in Höhe von 19 Euro, die er an den Scheinlieferanten Gluffke gezahlt hat, als Vorsteuer vom Finanzamt zurück verlangen. Also: Er hat ein Vorsteuerguthaben in Höhe von 19 Euro.
Nun verkauft Brause die „Maschine“ wieder, und zwar an Bulli Bullmann. Diese Rechnung sieht genauso aus, nur anders rum:
2. Einnahmen für den Verkauf:
-
100 Euro – Rechnungsbetrag Netto
019 Euro – Umsatzssteuer
119 Euro – Rechnungsbetrag Brutto
Brause muß von diesen Einnahmen die 19 Euro Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Er rechnet mit dem Fiskus ab:
3. Abrechnung / Umsatzsteuererklärung:
-
19 Euro Umsatzsteuerzahllast
19 Euro Vorsteuerguthaben
00 Euro Ergebnis: Ausgeglichen
Brause hat fertig.
II. Jetzt kommt aber Vinzenz, der Verräter.
Der steckt der Finanzverwaltung, daß der ganze Handel ein Fake ist. Und nun passiert folgendes:
1. Abführen
Da Brause an Bullmann eine Rechnung mit Ausweis der Umsatzsteuer geschrieben hat, muß er diese Umsatzsteuer auch an das Finanzamt abführen. Daß diese Verkaufsrechnung nur scheinbar eine solche war, spielt für die Umsatzsteuerzahllast keine Rolle. Brause muß die 19 Euro an den Fiskus abführen. Basta.
2. Keine Erstattung
Anders sieht das mit der Einkaufsrechnung aus. Weil die falsch ist, hätte Brause die 19 Euro Vorsteuer nicht erstattet bekommen dürfen.
3. Abrechnung durch die Steuerfahndung:
19 Euro Umsatzsteuerzahllast
00 Euro Vorsteuerguthaben
19 Euro zu zahlen
Brause ist fertig. Mit den Nerven. Obwohl beide Rechnungen (Einkauf und Verkauf) falsch sind, fließt einmal die Steuer und das zweite mal fließt sie nicht.
III. Die Steuerfahndung sagt:
Der Finanzverwaltung ist ein Schaden entstanden. Und zwar in Höhe von 19 Euro. Weil Brause die Vorsteuer bekommen hat, obwohl er sie nicht hätte bekommen dürfen. Das versteht kein logisch denkender Mensch. Die 19 Euro, die Brause an das Finanzamt abgeführt hat, sollen außen vor bleiben, weil das ja gesetzlich so geregelt sei.
Wer Umsatzsteuer einnimmt, muß sie abführen. Wer Umsatzsteuer zahlt, obwohl er nicht zahlen gemußt hätte, bekommt sie nicht zurück.
IV. Nota bene
Der Gluffke hat die 19 Euro, die Brause an ihn gezahlt hat, brav an das Finanzamt abgeführt. Trotz Scheinrechnung. Und genau diese 19 Euro hat Brause gutgeschrieben bekommen. Ich sehe den Schaden nicht, den der Fiskus hier haben will.
V. Jetzt für Fortgeschrittene
Kommen wir nochmal zurück auf diesen Vinzenz. Der hat sich – sagen wir mal – im Januar 2013 bei der Finanzverwaltung beliebt gemacht. Und wie so Beamte eben sind, lassen die sich erstmal Zeit. Sagen wir mal bis Dezember 2013. Also 12 Monate lang bekommt der Finanzbeamte monatlich die Umsatzsteuervoranmeldung, die er in die auf der Fensterbank liegende Akte packt.
In diesen 12 Monaten hat das Trio Gluffke – Brause – Bullmann jeden Monat einmal eine unsichtbare Maschine an- und verkauft. Dann berechnet das Finanzamt einen Schaden in Höhe von 12 mal 19 ist gleich 228 Euro. Wenn der Finanzbeamte jetzt noch ein Sabbatical macht und dann erst im Dezember 2014 wieder an seinen Plastikschreibtisch zurück kehrt, hat der „Fiskalschaden“ sich durch schlichtes Nichtstun verdoppelt, also 456 Euro.
Genialer Trick, um mit Nichts, mit Garnichts, mit Überhauptnichts, aus schierer Luft den Staatshaushalt zu sanieren. Und zwar völlig legal.
VI. Der freie Lauf der Phantasie
Man stelle sich vor: Der Nettowert der „Maschine“ liegt im 6- oder 7-stelligen Bereich (Papier ist geduldig!). Es werden monatlich mehrere davon „verkauft“. Und weil eine Kette aus mehreren Gliedern besteht, verkauft Bullmann weiter an Mütterchen Mü, die wiederum vertickt die macchina invisibile an Frollein F. und so weiter. Auch am anderen Ende der Kette sind weitere An- und Verkäufe leicht vorstellbar.
So kommen dann schnell mal 3-stellige Millionenbeträge für die Statistik zusammen. Und für die Begründung von Gerichtsbeschlüssen, mit denen dann Kontenguthaben und sonstige Werte gepfändet und beschlagnahmt werden können.
VII. Berufliche Perspektiven
Manchmal frage ich mich angesichts solcher Möglichkeiten, warum ich eigentlich immer noch mein Geld als Strafverteidiger verdienen soll.
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Bild Karussell: Uwe Wagschal / pixelio.de
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