Jahresarchive: 2012

Ochsentour: Freispruch für Richter – Strafe für Verteidiger

Wenn ein Richter nach Absetzung der Urteile noch an den Gründen herumbastelt, ist das gar nicht schlimm, schon einmal gar keine Rechtsbeugung. Was interessiert denn die Justiz die Rechte der Verurteilten …

Allerdings nahezu ein Kapitalverbrechen scheint es in den Augen der Strafjustiz zu sein, wenn ein Verteidiger (eingeräumte) Fehler eines Richters reklamiert.

Im ersten Fall der

nachträglichen Bearbeitung der Urteile handele es sich um Rechtsverletzungen, die aber nicht die erforderliche Schwere erreichten, um als Rechtsbeugung angesehen zu werden.

berichtet die LTO über das Urteil des Landgericht Halle vom 10.10.2012 (3 KLs 16/12).

Im zweiten Fall hatte

ein Verteidiger in einem Strafverfahren einen Durchsuchungsbeschluss kritisiert, weil “der Richter keine „eigenständige Prüfung“ durchgeführt habe und somit „verfassungsrechtliche Grundvoraussetzungen“ nicht erfüllt seien“. Deshalb wird ein Verfahren gegen ihn wegen übler Nachrede eingeleitet, das dann beim AG Würzburg landet. Der Verteidiger wird zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen […] verurteilt.

Das allein ist schon eine Nummer für sich. Die Richterin, die diesen Unsinn verzapft hat, wird von der Mainpost mit den Worten zitiert:

… dass der Beschluss vielleicht nicht den Vorgaben des BVerfG entsprochen habe. Aber die obersten Hüter der Verfassung hätten „keine Ahnung von der Realität“. Die Justiz habe weder genügend Zeit, noch genügend Personal, um Beschlüsse so zu prüfen, wie das Verfassungsgericht es sich vorstellt.

Das haut selbst den gestandenen Kollegen und ehemaligen Richter Detlef Burhoff vom Stuhl, der an sich halten muß, weil er sich in Würzburg keinen Verteidiger suchen möchte.

Die Begründungen der beiden Entscheidungen – soweit sie bisher bekannt sind – würden einem lateinamerikanischen Gericht der sechziger Jahre auch ganz gut stehen. Diese Gerichte gibt es nicht mehr … aber irgendwas davon ist wohl – auch – in Würzburg hängen geblieben.

Da paßt er mal wieder, der alte Grieche: Quod licet Iovi, non licet bovi (*).

Bild: s.media / pixelio.de

4 Kommentare

… aber sowas von ins blaue Auge

Beim Kampf für den Rechtsschutzversicherer Roland holte sich der Ehem. Leistungssportler, noch aktiver Ringer, schonmal ein blaues Auge.

Ich hatte bereits vor drei Jahren gemutmaßt, daß er sich dabei das Veilchen von einem seiner Mandanten geholt haben könnte.

Wenn ich mir das nun aber anschaue, was Meedia hier berichtet, kann ich mir gut vorstellen, daß seine Mandantin, eine gewisse Claudia Dingens, diesem Ringkämpfer fürs Recht deutlich unterhalb der Augenhöhe eins mitgeben wird.

Der Kollege, der die Ansicht seiner Mandantin vertritt, die Eheleute Kachelmann hätten in ihrem Buch durch die Nennung ihres vollständigen (Nach-)Namens deren Persönlichkeitsrechte verletzt, soll eine eMail an einen Journalisten geschickt haben, in der sich finden:

nicht nur polizeiliche Vernehmungen aus der nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Ermittlungsakte im Wortlaut, sondern auch medizinische Gutachten über die Verletzungen, die Claudia D. erlitten haben will, als sie die letzte Nacht mit dem Wettermoderator verbrachte. Und damit nicht genug: In den Unterlagen befinden sich neben dem Klarnamen und der Wohnadresse der Radiomoderatorin auch ihre Privat- sowie Handynummer. Insgesamt geht es um 20 eingescannte Seiten aus der vertraulichen Verfahrensakte.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß Herr Rechtsanwalt Z. aus S. bei klarem Bewußtsein auf den Send-Button geklickt hat; vielleicht war er „nur“ ein wenig überfordert mit diesem öffentlichkeitswirksamen Mandat (um das ich ihn ganz gewiß nicht beneide).

Als Strafverteidiger wird er wissen, daß er sich damit wohl nicht strafbar gemacht haben kann, weil eben ein fahrlässiger Geheimnisverrat auch für einen Anwalt nicht mit Strafe bedroht ist. Soweit, sogut.

Die anderen Konsequenzen, mit denen dieser blauäugige Kämpfer nun zu tun bekommt, dürften für mein Gefühl allerdings wesentlich heftiger ausfallen als eine Geldstrafe …

An dieser Stelle fällt mir das Zitat eines titanösen Supertalents ein:

Wenn Du zu dem Anwalt gehst, da kriegst Du für’s Falschparken lebenslänglich. Das schwör ich Dir.

Paßt, wie die Faust aufs Auge.

7 Kommentare

Moabiter Mühlen

Hier liegt noch seit ein paar Jahren eine ältere Geschichte in der Warteschleife. Es geht um ein Problem mit den Stempeln auf der Kennzeichentafel eines Motorrades. Ich hatte zu einer Zeit, in der ich sehr aktiv die Interessen des Mandanten vertreten hatte, ein paar Anträge gestellt. Aus Gründen … habe ich die Sache nicht weiter verfolgt. Nun meldet sich aber das Gericht mit der Mitteilung, daß in Moabit nichts vergessen wird:

Mein Antrag vom 19.01.2010 wurde dann doch noch beschieden, wenn auch mit auslegungsbedürftigem Inhalt. Ich glaube, daß ich einfach mal eine Beschwerde gegen diesen Beschluß einlegen sollte, nur um zu schauen, was – oder besser: ob – bis zum Termin im Januar des nächsten Jahres noch irgendwas passiert.

12 Kommentare

Vernunft?

Auf dem Fels der Geisler-Gruppe hat Reinhold Messner das Laufen gelernt. Als Fünfjähriger hat er dann den ersten Dreitausender bestiegen. Einige Jahre später war er dann auf den versammelten Achtausendern unterwegs und ist in ein paar kalten und heißen Einöden spazieren gegangen. Die Lebenswege „vernünftiger“ Zeitgenossen sehen anders aus.

Dieser Extremist, was die Abwägung zwischen Risiko und Spaß angeht, äußerte sich zu einer anderen Risikogruppe unter den menschlichen Lebewesen:

Wer mit seinem PKW bei uns auf schmalen Paßstraßen fährt, sollte … ganz rechts bleiben. … Wenn Ihnen dann in einer Kurve ein Motorradfahrer auf der falschen Seite entgegen kommt, ist dies meist nur der erste einer ganzen Kolonne von Verkehrsteilnehmern, die einem seltsamen Hobby frönen: Risk for fun.

Im Pulk, alle im Lederdress, mit Helm, […] rasen sie durch ein Ferienland, das mehr und mehr zum Friedhof zu werden droht. Ich habe in den Dolomiten mehr tote Motorradfahrer als abgestürzte Kletterer gesehen.

Übertrieben? Kann die Landstraße durchs Pustertal oder die Paßstraße am Reschen gefährlicher sein als die Ortler Nordwand?

[…]

Aggressive Autofahrer gibt es überall, aber Motorradfahrer, die im Kollektiv Staus, Überholverbote und Sperrlinien ignorieren, sind vor allem auf unseren Paßstraßen eine Gefahr. Auch für andere Verkehrsteilnehmer. Und zudem nicht nur eine Gutwettererscheinung. Vor allem bei Regen wird um die Wette gefahren. Mann gegen Mann. Leider landen die Kontrahenten öfter auf dem Friedhof als im Krankenhaus.

Diese Friedhöfe sind allerdings einen Besuch wert …

Quelle: Reinhold Messner, Gebrauchsanweisung für Südtirol, 2. A. 2007, S. 51 f

Als Messner diese Zeilen geschrieben hat, war er 62 Jahre alt. Bereits ein paar Jahre vorher ist er zuhause von einer Leiter gefallen und hat einen bleibenden Schaden erlitten. An den Füßen. Er ist nun nicht mehr Felskletterer, Höhenbergsteiger, Grenzgänger, Forscher und Politiker, sondern versucht sich als Ratgeber. Wohl auch für das Volk der Motorradfahrer. Ob das jetzt aber vernünftig ist?

Ich schaue mir heute mal an, was Messner zu den Bergvölkern der Erde zu sagen hat. Mit diesen Völkern kennt er sich jedenfalls aus.

Bild: Axel Mauruszat via Wikipedia

15 Kommentare

Nutzungsausfallschaden und das StrEG

Nur mal eben schnell zwischendurch ein Gedanke:

Am 26. September hatten der Düsseldorfer Kollege Udo Vetter in seinem law blog und ich hier (Schadensersatz für sieben Jahre Knast) über die Entschädigungen für zu Unrecht erlittene Haft berichtet.

Gegenstand beider Beiträge waren die Beträge, die „für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist“ vom Staat an den Geschädigten gezahlt werden müssen. Nach § 7 Strafrechtsentschädigungsgesetz (StrEG) beträgt die Entschädigung 25 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung.

Anläßlich einer Unfallschadensregulierung haben wir für unseren Mandanten auch den Nutzungsausfallschaden für sein beschädigtes Motorrad geltend gemacht. Für eine verbogene MV Agusta F4 stehen dem Geschädigten 66 Euro für jeden angefangenen Tag der FreiheitsNutzungsentziehung zu.

Selbst für eine 34-PS-Gurke bekommt ein Nutzungsausfallgeschädigter 1 Euro mehr als ein Haftgeschädigter. Bei PKW beträgt der tägliche Satz mindestens 27 Euro bis maximal 99 Euro, viermal mehr wie für einen Tag bei Wasser und Brot.

Den Nutzungsausfallschaden für die schöne Italienerin hatten wir binnen zweier Monate nach dem Unfall auf dem Konto. Wie es jemandem ergeht, der 888 Tage zu Unrecht aufgrund massiver Fehler der Ermittlungsbehörden und einer Strafkammer beim Landgericht in Untersuchunghaft saß und anschließend freigesprochen wurde, kann man in der Süddeutschen nachlesen.

Udo Vetter bringt es auf den Punkt, wo mir die für die Öffentlichkeit geeigneten Worte fehlen:

Allerdings kann ich aus Erfahrung sagen, dass die deutsche Justiz in solchen Fällen meist verbissen um jeden Cent feilscht. Entschädigungsprozesse werden regelmäßig zu einer Kraft- und Geduldsprobe, selbst wenn keine überzogenen Ansprüche gestellt werden. Betroffene empfinden das oft als zweite Bestrafung.

Bild: Dieter Schütz / pixelio.de

10 Kommentare

Anrufer des Monats

Ein junger Mann ruft aufgeregt an und schildert unserer Mitarbeiterin sein großes Elend.

Er habe im Internet gesurft und sich ein paar Pornoseiten angeschaut. Keine Kinderpornos, nein, nur ganz legale. Das dürfe mal ja wohl, da sei ja nicht verboten. Und auf einmal sei da so ein Bild erschienen, in dem ihm die Bundesregierung mitteilte, er sei auf einer verbotenen Kinderporno-Seite gewesen und jetzt werde sein Rechner gesperrt. Seitdem funktioniere gar nichts mehr, er sehe nur noch einen weißen Bildschirm.

Der Anrufer will von uns wissen, ob das Bundeskriminalamt so einfach seinen Rechner sperren dürfe, obwohl er sich doch wirklich – „Ischwöre!“ – keine Kipos angeschaut habe.

Ich habe ihn beruhigen können und ihm unseren Techniker empfohlen, der ihm dann wohl mal besser einen funktionierenden Virenschutz installieren sollte.

Grafik via Wikipedia

13 Kommentare

Volks-Ducati

Echten Fans der italienischen Traditionsmarke dürfte das Herz bluten, wenn sie diese Nachricht lesen:

Es ist damit zu rechnen, daß dann demnächst solche edlen Fahrzeuge

neben Profanbauten wie Lupo und Polo im Showroom des gemeinen Volkswagenhändlers stehen. Oh tempora, oh mores!

Bildquellen:
1. Halbjahresfinanzbericht 2012 der Porsche Automobilholdig SE
2. Wikipedia

8 Kommentare

Razzia wegen einer Bußgeldsache

Das Landgericht Tübingen hat zwischen Weihnachten und Silvester 2011 gezeigt, welche katastrophalen Auswirkungen der Genuß von zuviel Feststagsgebäck haben kann.

Die Richter (oder waren es auch Richterinnen?) vertreten – mutmaßlich nach dem Mißbrauch besagter Kekse – allen Ernstes am 29.12.2011 die Ansicht (1 QS 248/11 OWi), die Durchsuchung einer Wohnung und Beschlagnahme einer Lederhose im verkehrsordnungswidrigkeitrechtlichen Bussgeldverfahren sei verhältnismäßig.

Offenbar war es der Bußgeldbehörde nicht gelungen, den Moppedfahrer zu identifizieren, der mit 39 km/h außerhalb geschlossener Ortschaft zu schnell unterwegs gewesen sein soll.

Und nun wußten die Herrschaften von der Rennleitung nicht, gegen wen sie das Bußgeld in Höhe von sage und schreibe 120,00 Euro verhängen sollen. Schlechthin unerträglich war auch, daß die 3 Flens, die dafür vergeben werden, nicht an den Mann (oder die Frau) gebracht werden konnten. Immerhin: 2 km/h mehr und es wäre sogar ein Fahrverbot von einem kompletten Monat fällig gewesen. (Wenn denn nicht andere Gründe – fehlerhafte Messung, falsche Bedienung, fehlende Ausbildung der Meßdiener … – entgegen gestanden hätten.)

Deswegen waren die Ordnungshüter und dann auch das Gericht der Meinung, eine Wohnungsdurchsuchung, die der Identifizierung eines Fahrers dient, sei keineswegs ungeeignet. Auch sei im Verhältnis zur Schwere der Tat (Hört! Hört!) die angeordnete Durchsuchung angemessen.

Denn immerhin, so entschied das Hohe Gericht, bildet zumindest das Auffinden der Motorradbekleidung ein wichtiges Indiz in der Beweiskette.

Warum eigentlich nicht gleich auch einen Haftbefehl gegen den Halter des Motorrades vollstrecken, seine DNA feststellen und die Lederhose (Tatwerkzeug!) einziehen, den Arbeitgeber benachrichtigen und die Krankenkassenbeiträge verdoppeln?!

Wenn es nicht so verdammt viel Mühen machen (vulgo: Geld kosten) würde, dann sollte man solche willkürlichen Zwangsmaßnahmen mal einem kompetenten Verfassungsrichter vorlegen; ich möchte meinen, der bekäme schlagartig Pickel von so einer Entscheidung.

Bild: Peter Smola / pixelio.de

21 Kommentare

Anrufer

Die Telefonanlage teilt mit: An einem ganz gewöhnlichen Dienstag habe ich über 20 Telefongespräche geführt. Mit Richtern, Staatsanwälten, Behörden, Mandanten …

In mehr als der Hälfte dieser Fälle habe ich die Telefonate vorbereitet und/oder anschließend eine Telefonnotiz zur Akte gespeichert. Gegen das Vergessen …

Es hätten noch ein paar mehr sein können, wenn mich unsere Mitarbeiterinnen nicht entlastet hätten. Das ist Knochenarbeit, anstrengend und nicht immer lustig.

Zu den laufenden Mandaten, die am Telefon bearbeitet werden, kommen natürlich auch neue Sachen. Oder auch nur schlichte Anfragen. Etwa solche hier:

Ich habe im Internet Ihre Telefonnummer gefunden und habe da mal eine Frage an Herrn Hoenig.

Die Mitarbeiterin bittet in solchen Fällen den Anrufer, sein Problem kurz zu umreißen. Oft läßt sich die Frage auf diese Weise bereits klären und ich habe Zeit, mich um die Sachen zu kümmern, die sich nicht von alleine erledigen. Führt das nicht zum „Erfolg“, bitten wir den Anrufer, seine Frage per eMail zu formulieren. Dann kann ich mich in einer ruhigen Minute mit der Frage auseinandersetzen und sie so oder so beantworten.

In der vergangenen Woche hatten wir einen Anruf, da funktionierte das nicht. Die Anruferin wollte weder mit unserer Mitarbeiterin sprechen, noch war sie bereit, mir eine eMail zu schreiben. Es war ihr zu aufwendig, ließ sie wissen.

Im Anschluß an das Telefonat erhielt ich per Twitter mehrere Nachrichten der Anruferin:

Glaube, ich hätte bei meinen Telefonat gerade sagen müssen, es geht um eine Million ^^ – ok, weiter recherchieren.

Schade, hätte Sie wirklich mal recherchemäßig gebraucht — aber ich habe Sie da überschätzt.

… und jetzt suche ich weiter: RA Strafrecht für kleine Frage

Und Schluss @KanzleiHoenig aus meinem Leben gestrichen …

Ich helfe gern, auch ohne daß es gleich eine Kostennote gibt, solange es den Rahmen nicht sprengt. Aber ich würde mich freuen, wenn Anrufer sich dann auch ein wenig auf meine Bedürfnisse einstellen.

Ich muß wohl akzeptieren, daß nicht jeder die Gabe hat, andere mit höflicher Rücksicht um einen Gefallen zu bitten.

Bildquellenangabe: Rike / pixelio.de

15 Kommentare

Schriftwechsel mit einer Bank

Wir hatten für unseren Mandanten im März eine Klage erhoben. Es gibt eine Bank, die an dem Ausgang des Gerichtsverfahrens ein (berechtigtes) Interesse hat. Deswegen haben wir sie seinerzeit auch umfassend informiert. Die Abschrift der Klage war ein Teil unserer Informationen.

Heute bekommen wir ein Fax dieser Bank. Sie möchte über den Sachstand informiert werden. Auch das ist berechtigt. Allerdings:

Das ist eine Form des Umgangs, die ich von meinen sonstigen Mandanten gewohnt bin, die manchmal aus ganz anderen Verhältnissen stammen. Aber vielleicht macht das für eine Bank keinen wesentlichen Unterschied.

13 Kommentare