Jahresarchive: 2010

Flickschuster gesucht

Das Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg will auf externe Hilfe zurückgreifen, um die Flut der Klagen gegen das Amt abzuarbeiten. Als erstes der zwölf Jobcenter in Berlin sucht es mit einer europaweiten Ausschreibung (PDF) nach Anwälten, die das Amt vor dem Sozialgericht vertreten.

berichtet Sebastian Heiser heute in der taz.

Das ist genau die Art von Mandat, wie sie Anwälte lieben: Der Mandant hat es erst einmal selbst versucht, bis er gemerkt hat, daß er den Karren richtig in den Dreck gefahren hat.

Konkret geht es um 500 bis 800 Klagen, die zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe im kommenden Monat noch nicht abgeschlossen sind. Darunter sind auch Gerichtsverfahren, die sich bereits länger als fünf Jahre hinziehen. Sie konnten bisher „aufgrund der Komplexität des Sachverhaltes und der Rechtslage noch nicht zum Abschluss gebracht werden“, erläutert Andreas Ebeling, Sprecher der Berliner Arbeitsagenturen, gegenüber der taz.

Und dann läuft er zum Anwalt und verlangt, daß der ihn wieder da raus holt. Ganz klar ist dann aber auch:

Dem Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg ist wichtig, dass ihr Auftrag an Anwälte mit hoher Kompetenz geht …

Auch immer wieder gern gehört:

– und dafür gibt man auch gerne etwas mehr Geld aus.

Wie ihm richtigen Leben!

Und wenn dann der Anwalt um einen Vorschuß bittet, stellt sich heraus, daß kein Geld da ist.

Ein Oberstudienrat als Mandant wäre mir da echt lieber … aber für einen Strafverteidiger ist das ohnehin kein Job. Jedenfalls jetzt noch nicht.

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Kein Lebenszeichen

Dem Mandanten wird eine Vergewaltigung vorgeworfen. Er bestreitet den Tatvorwurf massiv.

Dann haben wir von der Staatsanwaltschaft die Akte bekommen. Den Inhalt würde ich gern mit dem Mandanten erörtern, um in einer Verteidigungsschrift den Vorwürfen entgegen zu treten.

Der Mandant meldet sich nicht. Nicht auf einen normalen Brief, nicht auf einen roten Brief, nicht auf die Wannen-Postkarte und auch nicht auf mehrere SMS.

Die Staatsanwaltschaft forderte uns noch ein zweites Mal zur Stellungnahme auf. Der Mandant gibt kein Lebenszeichen.

Es bleibt mir nichts übrig, als – untätig – den Eingang einer Postzustellung abzuwarten: Die Anklageschrift wird kommen. Und das, obwohl der Tatvorwurf durchaus zu entkräften ist. Dann eben erst in der Beweisaufnahme vor dem Gericht.

Für den Mandanten beginnt der count down, wenn er nicht aufersteht : 1. Zustellung der Anklage. 2. Zustellung der Ladung. 3. Vorführung oder Verhaftung (§ 230 II StPO).

Alles vermeidbar, wenn er sich nur mal melden würde.

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Extremer Kaffee

Es geht nichts über eine leckere Tasse Caffè.

Aber ich weiß nicht, was passieren wird, wenn ich dieses Zeug unseren Mandanten serviere.

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Polizeiliche Wortschöpfung

Ermittlungsakten, in denen sich Berichte von Polizeibeamten befinden, sind immer wieder ein Quell der Freude. Nun habe ich schon wieder ein neues Wort gelernt:

Klaugut. Das kann man aber auch schnell mal mistverstehen.

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Das Zitat zum Frühstück

Diese teetassenhafte Besorgnis um Sarrazins Tischfeinheit zeigt, dass der Mann schmutzige Gedanken in den Mund nimmt, die viele Leute mit sauberen Händen im Kopf haben, wenn es um die in- und ausländischen Unterschichten geht.

Quelle: Tagesspiegel

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Für künftige Blogbeiträge bestellt

Man will ja mitschimpfenreden. Schade nur, daß die Lieferzeit derzeit zwischen einer und drei Wochen liegt.

Scheint wohl sehr begehrt zu sein, dieser Herr Sarazin. Oder auch nicht:

Der Migrationsrat Berlin-Brandenburg protestiert gegen einen geplanten Auftritt Thilo Sarrazins beim Internationalen Literaturfestival im Berliner Haus der Kulturen der Welt.

berichtet der Tagesspiegel. Die organisierten Migranten möchten mit Herrn Sarazin nicht über das Buch diskutieren:

Nuran Yi?it, die Sprecherin des Migrationsrates Berlin Brandenburg, der sich als Interessenvertretung von Migranten in der Region versteht, sagte Tagesspiegel.de: „Wir sind dagegen, dass das Haus der Kulturen der Welt Herrn Sarrazin ein Plattform für seine rechtsnationalen und rechtspopulistischen Äußerungen bietet“.

In drei Wochen habe ich das Buch gelesen, dann rede ich mit. Vorher nicht.

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Schiere Überforderung

Aus dem Vermerk einer Staatsanwaltschaft, die sich mit ihrem Aufruf an die Bevölkerung, Strafanzeigen zu erstatten, ein wenig übernommen hat.

Angesichts der schieren Masse an bereits vorliegenden Verfahren auf der einen Seite und der personellen Knappheit auf der anderen Seite ist eine angemessene Bearbeitung aller Verfahren gegen die Verkäufer und Käufer nicht länger möglich, zumal in den oben erwähnten Js-Verfahren Haftbefehle vollstreckt werden und die sachbearbeitenden Beamten mit den vorrangigen Auswertungen alleine bzgl. dieser Beschuldigter längere Zeit nicht dafür zur Verfügung stehen.

Aufgrund dessen werden ab sofort keine Verfahren gegen Käufer und Verkäufer mehr übernommen.

Da hat wohl jemand den Mund zu voll genommen.

Nun, ein solcher Vermerk stellt für die Verteidigung eine durchaus wertvolle Information dar. Kommt Zeit … kommt Einstellungsangebot.

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Kein Spinner!

Nein, Rechtsanwalt Dr. Welf Haeger ist kein Spinner.

Wer uns als „Spinner“ abtut, sollte nicht vergessen, daß noch vor einigen Jahren die Gründer anderer revolutionärer Geschäftsmodelle wie Facebook, Wikipedia oder Linux-Open Source ebenfalls als „Spinner“ betrachtet wurden.

Er wird mit seinem revolutionären Einheitspreis von 36 € netto pro Stunde so schnell wie möglich expandieren. Sagt er, er hier:

Und hier ist seine aktuelle PRESSEMITTEILUNG FÜR JURABLOGS 25.8.2010.

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Er hat’s geschafft

Richter K., der hier im Blog schon wiederholt Hauptfigur mancher unterhaltsamer Beiträge war, hat es nun endgültig geschafft.

Über das Kammergericht, das deutliche Worte spricht, und das Weblog von Detlef Burhoff, der als ehemaliger Richter am OLG Hamm völlig fassungslos ist, hat er den Weg in das Lawblog von Udo Vetter gefunden.

Ich gratuliere!

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Richter, pah!

Eine Anrufbenachrichtigung, die mir unsere Mitarbeiterin übermittelte:

Anruf von: Herr Bullmann
Firma: Vorsitzender 72. Strafkammer
Ansprechpartner: Hr. Hoenig
Telefon: 03090149999
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Nachricht: Bittet um RR. Betr.: Ist Wilhelm Brause Ihr Mandant?

Daß so eine Frage von einem Polizeibeamten kommt, kann ich nachvollziehen. Manche Staatsanwälte versuchen es einfach mal, auf diese – illegale – Weise an Informationen heranzukommen. Aber das nun auch ein Vorsitzender Richter am Landgericht mich auffordert, einen ParteiGeheimnisverrat zu begehen.

O tempora, o mores!

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